Preise, Preise. Nichts als Preise für „Das Leben der Anderen“. Zuerst den deutschen Filmpreis, jetzt sogar den Europäischen Filmpreis. Aber ist das wirklich der beste deutsche Film des Jahres 2006?
Um keine Zweifel aufkommen zu lassen. Der Film ist wirklich gut und sehr sehenswert.
Wegen der Szenerie und auch den erstklassigen Darstellern: Ulrich Mühe, Martina Gedeck und Sebastian Koch zeigen große Kunst. In keinem Moment zweifelt man an ihrer Darstellung
Ulrich Mühe ist der kleine miese Stasi-Mann Wiesler. Ein übler bösartiger Funktionsträger, zerfressen von Zweifeln an der Gesinnung seiner Mitmenschen und unfähig seinem eigenen Leben einen Inhalt zu geben.
Sebastian Koch ist der lebensfrohe Intellektuelle und Kulturschaffende Dreymann, Martina Gedeck seine Muße und Schauspielerin. Dazu kommt dann noch Ulrich Tukur, der zwar alt und fett geworden ist, aber endlich mal wieder richtig gut spielt.
Ja, in Bezug auf die Darstellung und viel atmosphärischem ist der Film richtig klasse. Er ist ohnehin tausendmal besser als das nostalgisch verklärte „Goodbye Lenin“.
Denn „Das Leben der anderen“ zeigt im Gegensatz zu Jürgen Beckers Lenin-Verklärung, dass die DDR, nicht kuschelig und nett war. Das in dem Regime andersdenkende Leute mit Terror bekämpft wurden, der zwar subtilerer, aber doch vergleichbar dem Naziregime war.
Im Film wird diese unliebsame Kontinuität optisch sehr schön mit den langen Mänteln bei den Wohnungsdurchsuchungen dokumentiert.
Das Leben der anderen zeigt, dass im Osten nicht „nur die Baumärkte und die Autos schlechter waren“, sondern das das ganze System verdorben war. Bösartig, schlecht und einfach menschenverachtend.
Der Film ist deshalb auch ein sehr wichtiger Film.
Aber leider geht das auf Kosten der Qualität. Das Problem ist nur, weil der Film gleichzeitig wichtig ist, traut sich hinterher kaum einer die Schwachstellen von Florian Henckel von Donnersmarcks Werk zu benennen. Obwohl hier einiges doch sehr offensichtlich im argen ist. Wenngleich der Film trotzdem sehr gut bleibt. Aber nun mal nicht erstklassig.
Schwach sind in dem Film vor allem die Hintergründe und auch die Motivationen der Figuren. Als Momentaufnahme funktioniert alles ja ganz hervorragend. Aber es gibt viel zu wenig Entwicklungen, bei denen das Warum verständlich ist. Hinzu kommt, das manche Figuren vollkommen beliebig agieren.
Warum beispielsweise bedrückt Martina Gedeck ihr Verrat so sehr, dass sie auf die Straße läuft? Ist sie denn nicht in erster Linie eine kaltblütige Schauspielerin, die für ihren Erfolg bereit ist alles zu geben. Oder liebt sie den Autor Sebastian Koch doch? Aber, wenn das der Fall ist, warum schläft sie mit dem ZK Sekretär? Warum belügt und verrät sie ihre Liebe mehr als einmal? Wo ist die Intimität und Ehrlichkeit in der Beziehung? Bei allem Lob für das Spiel von Gedeck, muss man leider feststellen, dass ihre Figur zu sehr Figur bleibt und zu wenig Sorgfalt auf ihre innerlichen Entscheidungen gelegt wurde. Im Prinzip ist sie kaum mehr als die böse, hübsche Frau.
Unklar bleibt auch die Motivation von Sebastian Koch. Wieso wird er zum Kritiker und hört dann gleich wieder damit auf? Wieso war er es nicht schon zuvor? Schließlich war sein Freund Paul im Stasiknast Hohenschönhausen und ein von ihm bewunderte Regisseur leidet unter Berufsverbot. Was hat er eigentlich aus der ganzen Geschichte gelernt – Also wurde er nach der Geschichte ein Gegner des Regimes und dementsprechend verhaftet? Scheinbar nicht.
Aber ganz grundsätzlich stellt sich auch die Frage, wieso einer einen Artikel für den Spiegel schreiben kann und dafür noch nicht mal recherchieren muss?
Etwas zu zaghaft ist auch Ulrich Mühes Wandel gespielt. Er ist ja wirklich ganz großartig in seiner Einsamkeit und auch in seiner anfänglichen Niedertracht. Aber warum verändert sein Entschluss sich für jemanden einzusetzen und aktiv zu lügen nichts in seinem Leben?
Zunächst ist es ja ohnehin schon traurig genug, dass über sein vorheriges Leben im Keller eines Waisenheims (kleiner Scherz) nichts erzählt wird. Aber nachdem er sich entschieden hat und auch anderes Leben zu schätzen gelernt hat – ist es doch erschreckend, dass er selber nichts davon in sein persönliches Leben integriert.
Warum hat er nicht auch plötzlich Spaß und lebt? Oder - wenn das mit schönen Frauen etwas zu schwer ist - warum schreibt er nicht einfach auch Stücke – Angefangen hat er ja schließlich.
Aber nein, da ist nichts und auch die Wende verändert noch nicht mal etwas in seinem tristen Leben. Mensch Florian, denkt man da, hättest du ihm nicht auch mal was gönnen können – sogar Spielberg hat Schindler Anerkennung und (sogar Heldenhafte Verehrung) geschenkt.
Für Stasi-Spitzel Wiesler hätte die Gründung einer kleinen bescheidenen Familie drin sein können. Dann wäre da auch eine Wandlung vom ewigen Grau mit dabei gewesen. Das wäre doch schön anzusehen gewesen und warum auch nicht?
Er hat doch Mut bewiesen und den hätte er auch im wirklichen Leben zeigen können – also indem er auch da Entscheidungen getroffen hätte.
Ich hätte jedenfalls keine Probleme gehabt das zu akzeptieren und eine amerikanische Hurra-Geschichte hätte es auch nicht werden müssen – schon gar nicht mit einem so guten Darsteller wie Ulrich Mühe, der das garantiert ganz anders hätte spielen können.