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Der Blick in die Vergangenheit. In deutschem Kontext braucht man nicht einmal 100 Jahre zurückgehen, um Schattenseiten zu erblicken. Erst die NS-Zeit, dann die DDR. Zwei Extreme, die vieles gemeinsam hatten. Totalitäre Systeme geben sich die Hand, die ideologischen Gegensätzlichkeiten schmelzen dahin. Das Prinzip ist das Gleiche. Wenige üben Macht aus, um Kontrolle zu forcieren. "Das Leben der Anderen" wird wichtig.

Wir schreiben das Jahr 1984 in Ostberlin. Die Schatten der Nazizeit sind verschwunden. Der Sozialismus lebt. Die Landschaften blühen trotzdem nicht, das Gemeinwohl ist ein Schein, den alleine die Optik hinterfragt. Steril monotone, blasse Aufnahmen zeigen vielmehr die Einheit der Tristesse. Wenige Idealisten gebären noch ihren Traum. Im Hintergrund weiß man längst bescheid, was passiert, wenn das Telefonat ein Knacken hervorbringt. Die Staatssicherheit wird aktiv. Künstler müssen der Linie folgen, um geduldet zu werden. Verdachtsmomente sitzen im Nacken. Wer ist der Verräter in den eigenen Reihen?

Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler (Ulrich Mühe) lernt dem beruflichen Nachwuchs gleich zu Beginn, wie man Staatsverräter per Verhörmethoden erkennt. Der Man mit dem Einwand, ob die Praktiken nicht gegen die Menschenrechte verstoßen würden, wird gleich mit einem Kreuz auf dem Sitzplan notiert. Zweifel sind unangebracht, das Gemeinwohl steht über dem Individuum.

Privilegien nehmen die Staatstreuen trotzdem gerne an. Theaterkarten oder Nutten, die den asketischen Gedanken des Idealismus versüßen. Dabei passiert es. Der Theaterautor Georg Dreyman (Sebastian Koch) verändert das Leben des Hauptmanns. Erst ist alles wie gehabt. Ein Bauchgefühl deutet an, dass mit dem an sich linientreuen Künstler etwas nicht stimmt. Die Wohnung wird verwanzt - Dreyman und dessen Lebensgefährtin, die erfolgreiche Theaterschauspielerin Christa-Maria Sieland (Martina Gedeck) werden beschattet. Ein Künstlerpaar steht im Zwielicht der politischen Linie, weil die Willkür es so will.

Ungeahnte Welten entstehen. Idealismus prallt aufeinander. Dreyman ist genauso linientreue, wie man es ihm nachsagt. Wiesler protokolliert den Alltag und nimmt die Doppelmoral wahr. Das System unterliegt dem Moloch individualistischer Ansprüche. Ein Minister nutzt Christa-Maria aus, um seine sexuellen Bedürfnisse zu stillen. Der Durst ist regelmäßig. Die Protagonistin macht es der Karriere willen. Zweifel keimen. Der Bewachte und der Bewacher bekommen das Treiben mit. Gemeinsamer Idealismus steht im Zwielicht. So kommt es, das große Erwachen. Der eine schweigt, der andere schreibt. Die Stasi wittert.

Es ist spannend, weil wir ein intaktes Überwachungssystem präsentiert bekommen. Individualismus ist sichtbar, solange er nicht von den Oberen angestrebt wird. Sozial ist an diesem System nur mehr der begrabene Grundgedanke. Auf dem Friedhof liegen so viele. Opfer, die Berufsverbot bekamen, weil sie bestimmten Leuten auf den Schlips getreten sind. Die Selbstmordraten kehrt man unter den Tisch. Dokumentiert wird nur das, was dem Gemeinwohl dient.

Es entwickelt sich eine geistige Freundschaft. Dreyman und Wiesler verlieren etwas, an das sie geglaubt haben. Das vereint sie. Nichts Persönliches. Der Schein wird wie so oft aufrechterhalten, um nicht aufzufliegen. Ulrich Mühe entwickelt sich sukzessiv vom emotional kalten Linientreuen zum nicht sichtbaren, aber wegen schauspielerischem Charisma spürbaren Systemzweifler. Sebastian Koch überzeugt in idealistischer und kämpferischer Manier. Die Harmonie stimmt, auch wenn es nie zum direkten Showdown kommt. Beide verhalten sich indirekt wie Brüder im Geiste.

So erlebt man deutsche Vergangenheit sicherlich ein wenig in der Art, wie sie hätte sein können. Regiedebütant Florian Henckel von Donnersmarck macht das Geschen jedenfalls plastisch und modelliert es ein Stück weit moralisch, was Dank zweier hervorragend agierender Protagonisten auch gedanklich zündet. Wir befinden uns mittendrin in der Historie, die vom Schein getragen wird. Trotz der Norm bleibt kein aufdringlicher Endruck, sondern die Erkenntnis der sich manifestierenden Zweifel. Das ist unterhaltsam und vor allem spannend - und im Sinne jüngster Vergangenheit auch dramatisch. (8/10)

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