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"Das Leben der Anderen" handelt vom Beobachten der Bürger durch die Stasi. So jedenfalls die oberflächliche Aussage. Der Film steigt zwar mit diesem Motiv ein, doch wandelt sich die Szenerie gewaltig im Laufe des Geschehens. Wiesler alias "HGW XX/7" (Ulrich Mühe) hat zur Aufgabe den verdächtigen Schriftsteller Georg Dreyman (Sebastian Koch) zu überwachen. Dessen Lebensgefährtin Christa-Maria Sieland (Martina Gedeck) hat zum einen Dreyman im Sinn, zum anderen aber durchaus ihre Karriere und hintergeht ihren Lebensgefährten mit einem für sie förderlichen Minister.

Spitzel Wiesler überwacht, notiert, meldet, erstattet Bericht an seinen früheren Studienkollegen und heutigem Vorgesetzten. Während dieser Überwachung ändert sich die Sympathielage indes gewaltig. Vom Spitzel mausert sich Wiesler zum Protektor Dreymans. Die Wende geschieht so subtil und langsam, daß nicht nur der Zuschauer seine Zeit benötigt um dies zu realisieren sondern auch die Figur des Wiesler selbst. Mühe spielt hier hervorragend den kühlen, linientreuen Stasi-Spitzel, verbirgt das Innenleben seiner Figur vorzüglich und sorgt so für die nötige Verwirrung.

Auch Dreyman ist verwirrt. Zunächst deckt er seine Freundin "CMS" und hält zu ihr, gerät aber dann ins Grübeln. Nach ihrem Selbstmord allerdings ist er wiederum von ihrer Unschuld überzeugt. Das Ende des Films ist für den Zuschauer dann wenig verwunderlich, für Dreyman umso mehr: Seine Freundin hat ihn verraten, die Stasi selbst hat ihn gedeckt.

Die Frage nach dem "Warum" lässt Florian Henckel von Donnersmarck indes unbeantwortet. Waren es nur sentimentale Regungen Wieslers? Oder kalkulierte er zunächst mit Freundesverrat zu seinem eigenen Vorteil? Alles scheint möglich, letztlich bleiben die Motive unentdeckt. "Das Leben der Anderen" handelt letztlich vom eigenen Leben der Stasi-Mitarbeiter, deren eigenen Angst vor der Überwachung ihrer selbst, falschen Worten, falschen Taten. Und er zeigt uns auf einer gelungenen Gefühlsebene wie sehr wir Privatsphäre brauchen.

Gerade diese scheint uns immer mehr genommen zu werden, auch in unserer heutigen Demokratie. "Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten" sind die Argumente, die in diesem Film als Rechtfertigung der Stasi-Überwachung zugrunde liegt und auch gerne in unserer Gesellschaft verwendet wird - mit Folgen, die Dreyman deutlich zu spüren bekommt. Er hat nichts zu verbergen und letztlich doch viel verloren.

"Das Leben der Anderen" zeichnet ein graues Bild, landschaftlich und menschlich, spiegelt daher die Vergangenheit der DDR wider, aber läßt auch kritisch in unsere Zukunft blicken. Die menschliche Komponente wird dabei nicht vergessen und treffend durch zahlreiche Schmankerl dargestellt. Sei es die Reaktion Grubitz auf einen mißglückten Honecker-Witz oder die nachträgliche Beleuchtung des Systems DDR bei Dreymans West-Aufführung durch den ach so ehrenwerten Ministers Hempf. Man nahm sich selbst in vielerlei Hinsicht nicht so ernst, letztlich waren auch Stasi-Mitarbeiter Menschen mit ihren Gefühlen und Fehlern und mußten sich in diesem System genauso zurecht finden wie die zu überwachenden Bürger.

Der Film fängt diesen Spagat ein, oder anders ausgedrückt: den Ritt auf Messers Schneide. Der Grat ist eng zwischen historisch richtiger Geschichtswiedergabe und menschlicher Emotionen. Doch von Donnersmarck gelingt ebendies erstaunlich professionell, man kann gespannt auf weitere Produktionen sein.

(10/10)

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