Review
von Leimbacher-Mario
Zeitweise
Ich habe die schmächliche, völlig fehlgeleitete 2002er-Version vor diesem Original gesehen - Schande über mein Haupt! Doch diesem Meilenstein der Zeitreisefilme kam dieser Fauxpax fast zu Gute, denn dadurch wurde mir klar, wie schief so eine epische H.G. Wells-Verfilmung laufen kann und wieviel hier 1960 richtig gemacht wurde... Der Film spielt am Silvesterabend 1899 im Hause eines Wissenschaftlers, der eine Zeitmaschine gebaut hat. Als ihm seine anwesenden Freunde nicht glauben wollen, setzt er sich sobald diese weitergezogen sind, in seinen (ikonischen) Apparat und springt mit gewaltigen Schritten vorwärts in der Zeit. Er erlebt beide Weltkriege und findet heraus, dass sein bester Freund in einem davon gefallen ist, er fliegt an zerfallenden Städten und dem Untergang geweihten Zivilisationen vorbei. Bis er eine paradiesisch anmutenden Landschaft sieht, seine Maschine anhält und auf Entdeckungstour geht...
"The Time Machine" (1960) wird oft als nette H.G. Wells-Verfilmung abgetan und eher nur als Effektmeisterwerk. Doch für mich ist George Pals fantastisches Abenteuer viel mehr als das. Natürlich waren vor allem damals die Effekte auf den ersten Blick das Hauptaugenmerk und eine H.G. Wells Story lässt sich nie 1:1 auf die Leinwand zaubern, egal wie groß diese ist. Doch auch hinter der schicken Fassade hat "The Time Machine" einiges zu bieten. Vor allem heldenhafte Absichten, ein Herz aus Gold und einen unkaputtbaren Erforschungsdrang, den die meisten Erwachsenen nur noch als vage Erinnerung aus ihrer Kindheit kennen. Für mich ist das (zusammen mit der "Back to the Future"-Trilogie) wahrscheinlich DIE Zeitreisegeschichte überhaupt. Ein Grundstein dieses Subgenres, mit dem jeder mal in Berührung gekommen sein sollte. Simpel, herzlich, spannend. Die Morlocks haben es in sich, Rod Taylor ist ein klasse Held und das gesamte Unterfangen hat kaum etwas von seiner Magie verloren. Und nicht zu vergessen Yvette Mimieux, die nicht viel sagen muss, um mit ihrer sexy Unschuld Herzen im Sturm zu erobern.
"The Time Machine" ist rund, ist hübsch, ist clever und wird selbst seiner überlebensgroßen Vorlage gerecht. Mehr kann man kaum verlangen. Etwas naiv, aber noch immer kraftvoll. Etwas künstlisch, aber noch immer intakt. Etwas einfach, aber noch immer komplex genug. Auf einem Level mit den Originalen von "The Thing" oder "Planet of the Apes". Die 50er bleiben ein goldenes Zeitalter für Science-Fiction, trotz der nie zu übersehenden Staubschicht auf manchen Goldstücken. Filmfans wissen diese aber behutsam zu entfernen oder durch sie hindurch zu sehen.
Fazit: die zeitraffenden Spezialeffekte sind noch immer exzellent, die Grundgedanken sind genial und lobenswert und aktueller denn je, die Darsteller sind solide und das Abenteuer reisst von Beginn an mit. Nur das Buch ist noch besser. Filmisch kann man das eigentlich kaum besser aufarbeiten. Dunkle Ahnung oder hoffnungsvolle Blume? So oder so: Sammlungsmuss und Sci-Fi-Fantasy-Glanzstück, das sicher selbst Wells höchstpersönlich gefallen hätte!