Der Kinosommer 2006 startet mit dem wohl am meisten erwarteten Film des Jahres und schon versuchten wieder einige Kritiker uns Zuschauern den Film schon im Vorfeld madig zu machen. Es scheint sich wohl mal wieder dieses Phänomen breitzumachen, dass sich einige Leute einfach nicht der allgemeinen begeisterten Vorfreude und des aufgebauten Medienrummels hingeben wollen (was ich verstehen kann) und ihn auch nicht einfach tolerant hinnehmen möchten, sondern sich genötigt sehen dagegen anzugehen.
Natürlich ist Kritik immer angesagt und jeder der an „Sakrileg“ was zu kritisieren hat soll das natürlich auch tun. In Fällen wie diesen meine ich nur ein gewisses Maß an Blindwütigkeit zu verspüren.
Dan Browns Weltbestseller „Sakrileg“ ist sicher kein Meilenstein der englischsprachigen Literaturkunst. Darauf kann man sich sicher schnell einigen. Dennoch ein bemerkenswertes Stück Trivialliteratur, mit sehr flüssigem Erzählstil, vielen faszinierenden symbolwissenschaftlichen Details (dies gilt auch für den Vorgänger „Iluminati“) und last but not least die große „Verschwörungstheorie“ rund um das Christentum, den Heiligen Gral usw. Diese wurde ja erstmals bereits in den frühen 80ern von ein paar Historikern in dem umstrittenen Buch „Der Heilige Gral und seine Erben“ aufgestellt. Das ganze 20 Jahre später in einem massenkompatiblen Thriller-Plot zu verpacken, darf ruhig als geschickter Schachzug von Mr. Brown angesehen werden.
Die Verfilmung hält sich insgesamt sehr eng an die Romanvorlage (kommt auch auf fast 2einhalb Stunden Laufzeit). Die üblichen Straffungen hier und da sind noch zu verschmerzen, die oben erwähnten Details der Symbolik fielen dabei leider größtenteils weg. Schade ist aber vor allem, dass die beiden (interessanten) Figuren des erzkonservativen Priesters Aringarosa und des Albinos Silas so sehr auf ihre dramaturgische Funktion reduziert wurden.
Nebenbei bemerkt wäre „Iluminati“ die bessere Wahl für eine Verfilmung gewesen, denn sie bietet visuell und filmisch einfach mehr Anreize (ist im übrigen auch deutlich brutaler).
Nichtsdestotrotz bietet „The Da Vinci Code“ spannendes Unterhaltungskino. Das Problem der langen Dialoge im Buch wurde geschickt durch verdeutlichende Rück- und Zwischeneinblendung der historischen Geschehnisse gelöst, die mit der eigentlichen Handlung verschmelzen. Dies trägt zur Optik des Films bei, die insgesamt besonders gelungen ist. Das liegt auch nicht zuletzt an den vielen sehenswerten und bekannten Schauplätzen, die durch den Roman vorgegeben wurden. Das verleiht dieser amerikanischen Filmproduktion ihr ganz eigenes europäisches Flair. Sozusagen „Hollywood in Europe“.
Die Spannung hat „The Da Vinci Code“ sicher nicht neu erfunden, dennoch kann ich die Ansicht, der Film wäre streckenweise langweilig absolut nicht teilen. Wie gesagt, man hat sich Mühe gegeben die vielen Details, die im Buch per Dialog vermittelt werden für den Film auch zu visualisieren. Und da der, das Geschehen voranbringende Thrillerplot ja eigentlich aus einer einzigen, langen Hetzjagd besteht kommen die Figuren eigentlich nie zur Ruhe. Und der halbwegs aufmerksame Zuschauer damit auch nicht. Sicher gibt’s hier keine großen Verfolgungsjagden oder andere Actionszenen, obwohl Regisseur Ron Howard dahingehend sogar noch ein wenig mehr bietet als der Roman. Der hat dafür aber sogar den einen oder anderen Schockeffekt unterbringen können.
Man hat sogar die finale Auflösung des Ganzen, die im Buch eher ruhig und fast gemächlich rüberkommt, einigermaßen aufregend gestalten können (natürlich immer noch nicht wirklich spektakulär).
Einen besonderen Pluspunkt stellt die hochkarätige Schauspieler-Riege dar. Dan Browns Roman bietet fast ausschließlich eindimensionale Charaktere, die nur gelegentlich Anflüge von Profil gewinnen. So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass Hauptdarsteller Tom Hanks hier sicher nicht seine dritte Oscar – Performance hinlegt. Nichtsdestotrotz zeichnet er sehr überzeugend einen verletzlichen, intelligenten „Helden“ wider Willen. Audrey Tautou ist zwar nicht schlecht aber im Prinzip nicht mehr als ein Eye – Candy, obgleich ihre Schönheit für die Pointe der Handlung natürlich zuträglich ist und an Bedeutung gewinnt. Jean Reno ist einfach nur Jean Reno und das reicht und gefällt eigentlich auch. Alfred Molina hat leider zu wenig Screentime und würde gar nicht auffallen, wenn er’s halt nicht wäre. Paul Bettany als Albino Silas, wurde wegen seiner etwas schmächtigen gestalt vielfach gescholten, kann aber dennoch als psychopathisch, gewalttätiger und fanatischer Bösewicht einiges an Bedrohlichkeit vermitteln. Und die Selbstkasteiungsszene hat auf jeden Fall was für sich und bleibt im Gedächtnis haften.
Besonders erfreulich, dass sich auch Jürgen Prochnow mal wieder auf würdevolle Weise in einer internationalen Filmproduktion profilieren kann. Seine Rolle ist zwar klein, aber auch nicht zu klein, für einen kurzen Zeitabschnitt ist er ein äußerst wichtiges Moment der Handlung.
Natürlich gibt es auch Schwächen: Der ganze Film mag dem einen oder anderen Zuschauer einfach zu lang sein. Der Regisseur hat es auch nicht wirklich für nötig befunden, dem ganzen Stoff seinen eigenen Stempel aufzudrücken und den Film mit eigenen Ideen anzureichern, wie es manch andere tun. Vielerorts beklagt man Innovationsmangel. Howard beschränkt sich vornehmlich auf das bloße "Abfilmen" des Romans mit kleinen "Übersetzungsfreiheiten" von einem Medium ins andere. (Eine Vorgehensweise, die ich persönlich druchaus nicht verurteile. Es ist nicht die eigentliche Aufgabe eines Regisseurs jedem Stoff seinen persönlichen Stempel aufzudrücken). Wieso man sich jetzt wegen der "Handysuche" so aufregt kapier ich nicht, DAS IST DOCH SCHEISSEGAL.
Der Film „The Da Vinci Code: Sakrileg“ ist in seiner ganzen Machart und in seinem Inhalt auch ein neuartiger Thriller (natürlich mit diversen kleinen Anleihen). Dankenswerterweise wird hier auch gänzlich auf diversen inszenatorischen Schnickschnack, der sich in den letzten Jahren vielfach breitgemacht hat verzichtet (wie z. b. unnötige Zeitlupen, überkünstliche Farbgebung, Zeitraffer, Rapper als Darsteller etc.). Und das obwohl auch moderne Elemente wie CGIs oder Tricks wie der großformatig präsentierte Mechanismus des Da Vinci – Tresors sehr wohl vorkommen. Der ganze Film ist dahingehend sehr nüchtern gehalten und das ist auch sehr gut so.
Ich weiß nicht genau, ob ich dem Film 7 oder 8 Punkte geben soll. Um aber gegen die allgemeine Protesthaltung zu protestieren runde ich großzügig auf.