Auf einer kleinen Insel vor Montréal wirbt man für den Starliner Tower, einem modernen Gebäude, dass mit diversen Annehmlichkeiten für die Mieter ausgestattet ist. Das angenehme Leben sieht allerdings etwas anders aus, als eine Frau verstümmelt in ihrem Appartment aufgefunden wird, ihr Mörder Dr. Hobbs beging Selbstmord. Der für den Gebäudekomplex zuständige Arzt Roger St Luc (Paul Hampton) beginnt, Zusammenhänge zwischen seinen Patienten mit ähnlich seltsamen Symptomen und den Experimenten vom toten Forscher Hobbs und seinem Kollegen Rollo Linski (Joe Silver) herzustellen. Linski bietet ihm bizarre Einblicke in dessen Arbeit, die sich mit der Entwicklung von Parasiten beschäftigt, welche die Funktion eines Körperorgans übernehmen und damit einen Transplantationsersatz darstellen könnten. Tatsächlich aber rufen die wurmartigen Produkte der Studien, eine Mischung aus Aphrodisiakum und Geschlechtskrankeit, ein zwanghaftes Sexualverhalten als Wiedergeburt der verkümmerten Instinkte hervor. Durch direkten Kontakt sowie durch Sex wird das Übel übertragen, was zunächst einige Bewohner und danach scheinbar jeden treffen kann. Bizarre Körpermodifikationen, die ein gekonntes Unbehagen beim Betrachter hervorrufen, und der Hang zu medizinischen, paranoiden Ideen finden sich bereits in diesem ersten Spielfilm von David Cronenberg und werden in seinen späteren Werken immer wieder in verschiedenen Variationen auftauchen. Anders als in George A. Romeros "Crazies" ist es keine von staatlichen Organen verbreitete Katastrophe, sondern eine kriechende Bedrohung von blutigen Würmern, die zwei Forscher unbemerkt auf die Menschheit loslassen. Die Reaktion von offizieller Seite bleibt weitgehend aus, lediglich Roger versucht, die Gefahr einzudämmen und eine Eskalation zu vermeiden. Immer mehr wird er in einer hoffnungslosen Umgebung dargestellt, deren Gipfel die rohen Gewaltdarstellungen von den sexbesessenen Infizierten sind, die mit Vergewaltigungen und Inzucht einhergehen. Aus dem sorgenfrei konstruierten Leben im "Schöner-Wohnen-Block" wird ein hemmungsloser Moralverfall mit mörderischen, selbstzerstörerischen Auswirkungen. Cronenberg zeigt die Sexualität als Mittelpunkt der Motivation aller Handlungen auf, selbst wenn diese auf Abwege gerät. Eine Anspielung in einer kurzen Einstellung, die zwei Mädchen an einer Hundeleine zeigt, erinnert wohl kaum zufällig an Piero Pasolinis "120 Tage Von Sodom", ebenso wenig eine aufgezwungene Orgie mit Infizierten in einem Pool an "Caligula", Tinto Brass' umstrittenes Syphillisbild des Sittenverfalls im antiken Rom. Wie moralisierend der Kultregisseur die freizügigen 70er Jahre kritisch beleuchten wollte, sei mal dahingestellt, interessant ist allerdings, dass er, ähnlich wie "Crazies" die in den 80er Jahren aufkommende Aids-Hysterie vorwegnahm. In beiden Filmen spielt übrigens die stets puppenhaft wirkende Lynn Lowry mit, hier neben der Horrorfilmikone Barbara Steele als eine der weiblichen Hauptrollen. Sowohl die darstellerischen Leistungen als auch die Austattung sind, gemessen an Cronenbergs heutigen Filmen, eher mit schlicht zu bezeichnen, während bei den häufigen Darstellungen von den madenartigen Parasiten bereits deutlich Cronenbergs Hang zu ekligen Details durchschimmert, ohne selbstzweckhafte Splatterorgien zu inszenieren. Für seine Entstehungszeit ist "Shivers" ungemein blutig umgesetzt und trifft den Zuschauer bei den Urängsten des zivilisierten Menschen. Relativ durchschnittliche bis solide Effekte gibt es haufenweise, dem entgegen hat man sich bei den unter der Haut bewegenden Parasiten viel Mühe gegeben, um in Verbindung mit der unangenehmen Vorstellung einen Film zu kreieren, der erschreckender als die meisten Genrefilme seiner Zeit ist. Zudem können diese Bauchszenen als Inspiration für Ridley Scotts "Alien" bezeichnet werden. Hinter der billigen B-Moviefassade verstecken sich interessante Ideen, die schon die typische Handschrift Cronenbergs tragen ohne jedoch mit seiner ausgefeilten Ästhetik späterer, größerer Produktionen zu glänzen. Für Freunde von abstrusen Paranoiaflicks gibt es dafür noch ein düsteres Finale der Epidemie, das an spätere Zombiefilme von Romero oder Fulcis "Woodoo" erinnert. Ähnlich wie die Untoten dort werden die Infizierten rasch zu einer übermächtigen Bedrohung, deren Verbreitung das verstörende Ende nur noch einmal unterstreicht. Der krude Humor blickt nur sehr selten durch, zumeist ist "Shivers" ein ernsthafter Vertreter des Horrorgenres, der ohne großartige Actionszenen auskommt. Sigmund Freud hätte sicher seine helle Freude an einer Analyse gehabt.
Fazit: Einer der besten und wichtigsten Horrorschocker seiner Zeit. 9/10 Punkten