"Planetes" bietet eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Raumfahrt und spricht Aspekte an, die andere Produktionen gerne verschweigen. Wer betreibt Raumfahrt, wer profitiert davon? Ist die Erforschung und Kolonisierung des Weltalls wirklich wichtig oder gewinnbringend für die gesamte Menschheit? Wartet dort ein besseres Leben, eine bessere Gesellschaft, oder werden bekannte Konflikte in diesen neuen Bereich menschlicher Existenz übertragen?
Auf diese Fragen stößt Ai Tanabe (Satsuki Yukino), die sich als Neulingsfigur stellvertretend für die Zuschauer in die Berufswelt einer interplanetarischen Müllsammler-Besatzung einarbeitet. Dass die Geschichte sich in dieser unterfinanzierten, halb vergessenen Branche des Raumfahrtwesens abspielt, ist für den kritischen Blick der Serie auf ihre sonst, vor allem natürlich in US-Produktionen, von Pathos und mitunter in Größenwahn übergehendem Eroberungseifer geprägte Materie typisch.
Tanabe ist eifrig, naiv und charmant, ganz im Gegensatz zum mürrischen und eigenbrödlerischen Hachirota Hoshino, genannt Hachimaki. Beide sind allerdings mit großem Idealismus ausgestattet, der sich jedoch bei Tanabe vor allem als Zorn gegen jede Form von Ungerechtigkeit und als Glaube an das Gute im Menschen darstellt, bei Hachimaki als reichlich egofixierter Ehrgeiz und Wille, im Raumfahrtwesen voranzukommen und nach Möglichkeit seinen exzentrischen Vater, einen erfolgreichen Raumfahrtingenieur, zu übertrumpfen. Auch der Rest des Teams setzt sich aus etwas übertrieben kontrastreich gezeichneten Figuren zusammen, der kumpelhaften und verlässlichen Pilotin Fee Carmichael, der verschwiegenen Sekretärin Edelgard Rivera und dem freundlichen, aber mysteriösen Yuri Mihairokov - sowie zwei ziemlich albernen Charakteren, dem Abteilungschef Philippe Myers und seinem Stellvertreter Arvind Lavie, die alles andere als Autorität verbreiten, sondern vor allem dafür gut sind, bei gewissen Anlässen durch peinlich-komische Einfälle für Unterhaltung zu sorgen und damit die Entscheidungsträger des Unternehmens milde für ihre Abteilung zu stimmen - die, wie immer wieder in Erscheinung tritt, für die Raumfahrt insgesamt von hoher Wichtigkeit ist, da selbst kleine im Weltall herumschwebende Metallteilchen ganze Raumschiffe gefährden können.
Manchmal kommt es dementsprechend zu bizarr-humorigen Auftritten der Abteilung "Debris", meistens jedoch wird das Geschehen von Themen geprägt, wie sie auch heute, bald 15 Jahre nach Entstehung der Serie, aktueller nicht sein könnten: Weltweit ungleich verteilte Ressourcen, Bevölkerungen in Existenznot und Bürgerkriegen, während im krassen Gegensatz dazu die Industrienationen durch Projekte wie die Erschließung des Jupiters die Probleme der Erde auf verlogene Weise hinter sich zurücklassen.
Die Antwort mancher Angehöriger der leidenden Völker ist der Terrorismus, hier nicht als Ausdruck religiösen Fanatismus, sondern als gewaltsame Erinnerung an die mächtigen Staaten, dass eigentlich die Probleme der Erde zuerst gelöst werden müssten. Und nicht nur diese Verwerfungen stellen die Raumfahrt erheblich in Frage, sondern auch die verschwiegenen gesundheitlichen Auswirkungen. Das Sterben verdienter Raumfahrtveteranen an Krebs als Berufsfolge wird unter dem Mantel der Verschwiegenheit bedeckt gehalten.
Wenngleich mit all dem reichlich zu erzählen ist, war es wohl doch anscheinend unvermeidlich, eine Liebesgeschichte als einen weiteren roten Faden durch die Serie zu ziehen. Wenngleich diese sinnvoll zur Charakterzeichung beiträgt, wirkt sie doch mitunter als bei weitem konventionellster Anteil des Gesamtszenarios und weist teils gar ein befremdlich altbackenes Rollenbild auf.
Insgesamt eine hochwertige, durchdachte, detailliert erarbeitete und damit sehr sehenswerte Animeproduktion.