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Wir kennen ja alle diese TV-Reportagen über Menschen mit besonderen Berufen, oder ähnlichem, wo ein Kamerateam die Hauptperson auf Schritt und Tritt verfolgt und bis in die Intimsphäre dem Zuschauer Einblicke gibt. "Mann beißt Hund" ist eine bösartige Parodie dessen und zugleich bissige Satire auf Sensationsgier und Gewaltvoyeurismus. Der Film ist eine fiktive Dokumentation über den Alltag des Massenmörders Benoît. Ein dreiköpfiges Filmteam begleitet ihn bei seinen Touren, in denen er mehr oder weniger wahllos Menschen umbringt und vom gefundenen Geld seinen Lebensunterhalt verdient. Der Killer erzählt enthusiastisch über seine Vorgehensweise und seine Gefühle und auf die Kleinigkeiten, auf die man in seinem Business so achten muss. Zynischer wird es, als er zudem noch Einblick in sein Familienleben gibt, Gedichte aufsagt und lebensphilosophische Sprüche klopft, sodass sich seine absurde Normalität offenbart.

Wie eine "gekippte" Reportage über einen Klempner (was auch immer) ist das anzusehen. Das Live-Dabeisein bei seinen makabren Taten schafft oft eine schwarze Situationskomik, der man als Zuseher nicht selten erliegt. Auch der Charakter des Mörders ist kein wirklich schlechter. Er ist vielmehr ein cooler Kumpeltyp, der nur gelegentlich seine Arroganz und seine krankhafte Machtgier preisgibt. Man könnte fast sagen, er wachse einem ans Herz - schließlich tötet er z.B. nur ungern Kinder oder jüngere Menschen...
Auch das Filmteam bleibt nicht objektiv. Es baut sich eine Freundschaft auf, die so weit geht, dass die Filmer bei seinen Taten involviert werden. Ein Entlarven des Sensationsgierigen, des Voyeurs als eine Art Mittäter durch die Mittel der Ironie. Das ist ein ganz anderer Weg, als ihn etwa Haneke in "Funny Games" geht, doch ein nicht minder wirkungsvoller. Denn die Stimmung des Filmes wandelt sich mit der Zeit von bissiger, subversiver Ironie zu grausamer Authentizität und bedrohlicher Gewalt. Das Lachen bleibt einem im Halse stecken, man macht sich unangenehme Gedanken über das vorher Wahrgenommene. Auch den Reportern ist das Unwohlsein anzusehen, aber sie drehen trotzdem (oder eher gerade deshalb) weiter, begeben sich in immer größere Gefahren und müssen als neue "Partner" von Benoît selbst Hand anlegen. Im rauschhaften, heftigen Höhepunkt (Die Mehrfach-Vergewaltigung) stellt sich schließlich der Film auf schockierende Art und Weise komplett selbst in Frage und trifft den Zuschauer direkt in die Nieren.

Jener Wechsel ist die ganz große Stärke von "Mann beißt Hund", denn mit voller Wucht offenbart er die doppelbödige Moral des inszenierten Filmprojekts. Warum wurde solch eine Reportage gemacht? Was ist der Sinn hinter der "objektiven, authentischen" Darstellung eines Mörders bei seinen Verbrechen? Provoziert das vielleicht sogar noch eher, d.h. trägt der Voyeur eine Mitschuld?

Der allzu leichtfertige Umgang mit Gewalt und Verbrechen (auch, wenn die Prämisse "Objektivität" heißt) in den Massenmedien und die entstehenden Folgen sind jedenfalls ein großes Problem, wie wir z.B. aus "Bowling for Columbine" schließen können. Daher kann der kritische Zuseher das Experiment "Mann beißt Hund" durchaus als gelungen bezeichnen, wenn er auch gerade nicht gezwungen wird, es unbedingt gutzuheißen. 10/10.

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