Review
von Alex Kiensch
Anfang der 90er-Jahre machte sich Regisseur Spike Lee einen Namen mit Filmen wie "Malcolm X" oder "Do the right thing!", die durch politisch bedeutsame Gesellschaftsbilder überzeugten. Diesen Anspruch scheint er später aufgegeben zu haben - sein Thriller "Inside Man", der eine raffinierte Variation der inzwischen gut bekannten Geschichte um den perfekten Bankraub erzählt, bietet jedenfalls Spannung, coole Sprüche und eine fintenreiche Story - aber keine irgend geartete Gesellschaftskritik.
Das soll nicht heißen, dass "Inside Man" ein schlechter Film wäre. Die teils komplexen Kamerafahrten verleihen ihm eine starke Dynamik, Setting und Ausstattung tragen ihren Teil zu einer unterkühlten Atmosphäre bei und die beiden Hauptdarsteller Denzel Washington und Clive Owen liefern großartige Leistungen. Besonders Washington verleiht seiner Figur als ebenso cleverer wie harter Hund, der stets einen lässigen Spruch auf den Lippen hat, große Intensität. Das hangelt sich stets am Rande des 90er-Jahre-Cop-Klischees entlang, entgleist aber nie völlig.
Insgesamt hinterlässt "Inside Man" einen ähnlich zwiespältigen Eindruck. Einerseits scheint er ein Film aus der Retorte zu sein: Alles wirkt einen Hauch zu glatt und durchgeplant - die Geschichte um das perfekte Verbrechen, der Bankräuber, der der Polizei immer zwei Schritte voraus ist; die Spannung wird hauptsächlich durch die gelungene, schnelle Kameraführung und haargenau passend unterlegte Musik erzeugt, und mit der Figur des Bankbesitzers, der alles daran setzt, den Inhalt eines bestimmten Schließfachs zu retten, wird auch noch eine kleine Kerbe ins Fach der moralischen Kritik an der Verkommenheit der Superreichen geschlagen - ohne diesem Handlungsstrang freilich so viel Raum zu geben, dass er für den Film von Bedeutung sein könnte.
Und dennoch ist "Inside Man" sehenswert, sogar gut: ob es nun am dynamischen Rhythmus der Bilder liegt, am starken Spiel der Darsteller oder der gewitzten Story, die neben der Spannung auch eine gewisse Ironie erzeugt, die allem Geschehen irgendwie ein Augenzwinkern beisteuert. Spike Lee ist einfach ein Könner seines Fachs, das hatte er schon zur Genüge bewiesen. Mit diesem Streifen hat er einen durchaus unterhaltsamen und kurzweiligen Beitrag zum modernen Popcorn-Kino geliefert, der inhaltlich weit von der Qualität seiner früheren Filme entfernt ist, ihn aber formal auf der Höhe seines Könnens zeigt. Hier gilt also: Zurücklehnen, Knabberzeug raus holen und entspannen.