Des Meisters schnelle Beine
Auch wenn es in letzter Zeit etwas ruhiger um derartige Tanzshows geworden ist, so ist und bleibt „The Lord of the Dance" neben „Riverdance" doch als eines der ersten dieser irischen Tanzspektakel im Gedächtnis vieler interessierter Menschen haften. Dies ist nicht zuletzt deshalb der Fall, weil es seit Jahren jedes Jahr aufs Neue die vermeintlich letzte, endgültige Abschiedstournee dieser Show gibt, dessen einziges Ziel ist es ist, erneut die Massen in die großen Hallen zu locken. Der einstige Erfolg gibt den beiden Tanzshows wohl auch zu Recht, denn im Zuge dieser Veranstaltungen folgten einige mehr, aber vielmehr weniger erfolgreiche Formate nach. Wie auch bereits „Riverdance", so entstand auch „Lord of the Dance"unter der Regie von Michael Flatley, des wohl berühmtesten Steptänzers der heutigen Zeit. Die Show feierte am 28. Juni 1996 im Point Theatre in Dublin Premiere.
Michael Ryan Flatley wurde am 16. Juli 1958 in Chicago (USA) geboren. Obwohl er Amerikaner ist, besitzt er jedoch irische Wurzeln, denn seine Eltern und Großeltern stammen aus Irland. Sonst wäre es auch etwas unglaubwürdig für jemanden, der schon etliche e „irische" Tanzshows produziert und erfunden hat: „Riverdance - The Show" (1994), „Lord of the Dance" (1996), „Feet of Flames" (1998) und „Celtic Tiger" (2005). Als „All - Ireland Flute Champion" erlangte er bereits in jungen Jahren überregionalen musikalischen Ruhm. Er erhielt auch schon mit vier Jahren ersten Tanzunterricht, denn seine Großmutter war eine Berühmtheit auf dem Gebiet des irischen Tanzes. Mit siebzehn Jahren erreichte seine Tanzkarriere einen ersten Höhepunkt, denn Michael Flatley gewann er 1975 den „All-World Irish Dance Championship", den Weltmeistertitel im irischen Tanz in Irland. 1989 erhielt er einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde, weil es ihm gelang, 28 Steps pro Sekunde zu vollbringen, den er 1998 sogar auf 35 Steps verbesserte.
Diese wirklich beeindruckende Tanzleistung von Michael Flatley mit seinen Kollegen kann man auch eben in „Lord of the Dance" bestaunen. Natürlich ist dieser Film nicht zu vergleichen mit richtigen Musicals wie „Jesus Christ Superstar" oder „Fame" und schon gar nicht mit Musikfilmen wie etwa „High School Musical" oder „Ryhthm is it". „Lord of the Dance" ist eine reine Bühnenproduktion, die mit einigen Kameras für die Zuschauer an den Bildschirmen festgehalten wurde. Im Prinzip ist der Film nichts anderes als ein Konzertmitschnitt einer Tanzvorstellung - mit einem keinen Unterschied. Nichtsdestotrotz ist die hier vorliegende DVD - Fassung ein eindrucksvolles Zeugnis pseudo - irischer Tanzeskunst. Mit traditioneller irischer Folklore hat „Lord of the Dance" etwa soviel gemeinsam wie Florian Silbereisen und seine ARD-Shows mit ursprünglich bayerischer Volksmusik - nämlich gar nichts. Dennoch ist die Leistung der Tänzer um Michael Flatley - im Gegensatz zu den gesanglichen Darbietungen derartiger Samstagabend - Sendungen - überaus bewundernswert und beachtlich.
Der bereits erwähnte Unterschied zu reinen Konzertvideos ist, dass „Lord of the Dance" auch eine Handlung besitzt. Diese ist zwar wenig aufregend und innovativ, aber immerhin gibt es eine. Der Film ist also nicht als eine bloße Aneinanderreihung einzelner, isolierter Musik- und Tanznummern zu betrachten, sondern die Darbietungen beziehen sich zumeist schon auf einen inhaltlichen Kontext. Die Handlung, aufgeteilt in zwei Akte mit je elf Nummern, ist wenig aufregend und vorhersehbar: gut gegen böse, wobei natürlich am Ende das Gute gewinnt. Es handelt um eine Nacherzählung der alten irischen Legende, vom Kampf der guten Kräfte - an dessen Spitze natürlich Michael Flatley als „Lord of the Dance" steht - gegen den Don Dorcha alias den "Lord der Finsternis" (dargestellt von Daire Nolan).
Die Handlung ist bei dieser Symbiose aus Tanz, Musik und Bühneneffekten auch eher nebensächlich. Die Show lebt von der atemberaubender Ausdruckskraft, Athletik und dem Charisma von Michael Flatley und dessen Tanzensemble, wodurch eine beeindruckende Verflechtung von Tanz, Gefühl und Emotionen erreicht wird. Wenn man eben den Anspruch typisch irisch zu sein bei Seite lässt, so ist auch die Musik durchaus unterhaltsam, wenn man auf eine Mischung aus Folkrock und „Fiddelpop" gemischt mit melancholischen Klängen der Tin-Whistle (= traditionelle, irische Art der Blockflöte aus Blech) steht. Man kann die Musik, aus der Feder von Ronan Hardiman stammend, vielleicht auch unter dem Begriff "Ethnopop" zusammen fassen. Die Instrumentaleinlage der beiden hübschen Geigerinnen im engen schwarzen Lederoutfit ist zwar ganz nett anzuschauen, viel mehr beeindrucken jedoch die Bühnen- bzw. Kameraeffekte, die man auf der 92 - minütigen DVD im Gegensatz zu Live-Show sehen kann. So kann man einzelne kurze Sequenzen aus Sicht einer Unterbodenkamera sehen, wodurch ein außergewöhnlicher Blickwinkel ermöglich wird. Leider sind derartige Szenen nicht extra anwählbar, was bei einer DVD durchaus sinnvoll gewesen wäre. Nett anzusehen sind auch Szenen in Zeitlupe, die zwar manchmal etwas aufgesetzt wirken, ihren Effekt beim Betrachter jedoch nicht verfehlen.
FAZIT:
Die Show ist momentan mit vier Shows weltweit auf Tournee - und das ist auch gut so. Denn die Tanzdarbietungen sind schon sehr beeindruckend - auch wenn der Meister Michael Flatley persönlich nicht auftritt (was man extra auch auf die Eintrittskarten geschrieben hat). Um ihn selbst zu sehen muss man sich schon den Film zu Gemüte führen. Wer kann, sollte allerdings eine Live-Show erleben, denn die Atmosphäre ist logischerweise dort viel besser und bis auf einige interessante Bühneneffekte, hat die DVD auch sonst kaum zusätzliche Anreize (Kamerawechsel, Ton nur Stereo, die vermeintlichen Hintergrundinfos reiner Text) zu bieten. „Lord of the Dance" ist nun mal eine Live - Bühnenshow und auch dafür konzipiert. Die DVD ist ein gutes (und günstiges) Mittel für alle diejenigen, die keine Möglichkeit haben/hatten, die Show live zu erleben oder die den Tänzern etwas genauer auf die Beine sehen wollen, weil sie vielleicht in der Show zu weit vom Geschehen weg gesessen sind - nicht mehr und nicht weniger.
(4/10 Punkten)