Da gibt es unzählige Geschichten über Auftragskiller. Zumeist brutal und ohne viel Humor. Eiskalt gehen sie ihren Pflichten nach und erledigen ihre "Klienten" auf skrupellose Art. Seltener ist es da schon, wenn dieser Killer die Hauptperson gibt. Und wenn dann dieser Killer auch noch unglaublich sympathisch ist, dann weiß man, dass man an ein sehr außergewöhnliches Stück Film geraten ist. Wo wir bei "Grosse Pointe Blank" wären.
Wer meint, Beverly Hills 90210 Star Jason Priestley war als Gizmo in "Cold Blooded" schon der sympathischste Auftragskiller, den man wohl je gesehen hat, der hat die Rechnung ohne Martin Blank gemacht. Dieser, perfekt gespielt von John Cusack, ist hier die zentrale Figur in George Armitages leider viel zu unbekanntem Geniestreich. Er arbeitet für die CIA und bekommt unerwartet Konkurrenz aus den eigenen Reihen. Ein Kollege (Dan Aykroyd) will ihm sämtliche Aufträge wegschnappen, da dieser Martin als Komplize in einem eigenen Unternehmen möchte. Doch das wäre nicht genug an Problemen. Erstens ist es Martin langsam leid, unsinnig zu töten, weshalb er auch regelmäßig einen Psychiater aufsucht und zweitens steht dann auch noch ein Klassentreffen seiner High-School an, die er vor 10 Jahren nach seinem Abschluss schlagartig verlassen hat. Nicht einmal am Abschlussball nahm er teil und ließ dort selbst seine Jugendliebe Debbie (Minnie Driver) sitzen. Er entschließt sich aber, das Klassentreffen in Detroit zu besuchen und gleichzeitig noch seinen letzten Auftrag zu erledigen.
Das klingt jetzt vielleicht nicht sonderlich atemberaubend, aber was hier an Dialogen und Situationskomik geboten ist, das bläst einen so ziemlich um. Schon die ersten Minuten zeigen, dass "Grosse Pointe Blank" nicht der ernstzunehmende Killerfilm ist. Während er seinem Job nachgeht, telefoniert er mit seiner doch recht um ihn besorgten, aber sympathischen Sekretärin, mit der er andauernd ebenso sympathische Meinungsverschiedenheiten zu regeln hat. Und wer meint, dass die Leute irgendwie schockiert von Martins Job wären, der hat sich auch ziemlich getäuscht.
"Was machst du beruflich?"
- "Ich bin Profikiller."
"Ist man da krankenversichert?"
"Was machst du beruflich?"
- "Ich bin Profikiller."
"Oh, ein Job mit Zukunft."
Das sind nur zwei Beispiele, wie die Leute und der Film allgemein mit der Tatsache umgehen, dass Martin für Geld Menschen tötet. Selbst Debbie ist da nicht sonderlich schockiert, dass ihr Angebeter von früher einer solchen Arbeit nachgeht und völlig ohne Moralvorstellungen irgendwelche Opfer auslöscht. Das Killerdasein steht aber nun gar nicht mal so im Mittelpunkt. In Detroit angekommen, macht man die Begegnung mit Debbie, seiner Abschlussballpartnerin, die er damals sitzen hat lassen. Da scheinen immer noch Gefühle vorhanden zu sein, bei diesen Beiden. Cusack und Driver spielen ihre Rollen so unglaublich sympathisch, aber auch herzerfrischend anders, dass man es wirklich mit ein paar durchgeknallten und skurillen Charakteren zu tun hat. Durch die Bank. Auch Grocer, von Dan Aykroyd fabelhaft verkörpert, steuert seinen Teil zu diesem genialen Film bei, der von seinen Protagonisten und seiner Kurzweile lebt.
Martin will nicht mehr töten, fühlt sicher aber von seinem Psychiater unverstanden. Martin ist unglücklich, mit sich unzufrieden. Da trifft er Debbie, schöpft neuen Mut und kämpft um sie. Bis er auf dem Klassentreffen am Ende die Begegnung mit einem kleinen Säugling macht. Und diese Begegnung, wenn es natürlich auch nur angespielt wird, verändert Martin endgültig und er plant sein neues Leben. Doch nicht, bevor auf dem Klassentreffen und danach nicht noch einmal letztes Blut fließt.
Dieser Moment, mit Martin und dem Säugling, ist einer der zahlreichen Höhepunkte, um nicht zu sagen Magic Moments, dieses Films. Zu den Klängen von Queens und David Bowies "Under Preussure" hält Martin das Kind in der Hand, die Kamera zeigt abwechselnd Close-Ups von Martins Gesicht und dem lächelnden Baby. Das ist ein großer Moment, eingefangen von einem großen Moment der Musikgeschichte. Allgemein wird hier Einiges fürs Ohr guter Musik geboten. Von den Violent Femmes, The Cure, Guns'n'Roses (eigentlich nicht mein Fall), U2, über 80er Jahre Hits wie Lieder von Nena, die mir jetzt auch nicht sonderlich zusagt, bis hin zu dem legendären "Take on me" von A-Ha. Doch selbst wenn man manche Lieder jetzt nicht unbedingt gern hört, zum Geschehen und zum Film passen sie wie das bekannte Faust aufs Auge.
Mit "Grosse Pointe Blank" sieht man wohl einen der sympathischsten, aber leider auch unterschätzesten Filme, die es gibt. Eine Schauspielriege in absoluter Höchstform, schwarzer Humor, feinfühlige, aber auch gnadenlos witzige Dialoge, eine völlig unkoventionelle Liebesgeschichte, ein verboten guter Soundtrack und eine Charakterzeichnung, wie sie im Bilderbuch steht, machen den Film zu etwas ganz Großem, auch wenn er so unbekannt ist und bleibt. Eigentlich ein Muss für wirklich jeden.
9,5/10 Punkte