Vermutlich eine der besten und gleichzeitig meistunterschätztesten Komödien überhaupt und eine der gelungensten Aufarbeitung des 80er-Jahre-Phänomens ist John Cusacks „Grosse Point Blank“, der zwar der breiten Masse nicht selten entgangen ist, aber bei Kennern fast uneingeschränkte Popularität genießt.
Es ist ein wenig schwer, sich vorzustellen, aus dem Thema einen Film zu machen, der sein Publikum findet und auch noch amüsieren soll: ein Auftragskiller fährt gleichzeitig zu Mord und seinem High-School-Treffen in seiner Heimatstadt und verliebt sich aufs Neue in seine Jugendliebe, während reichlich Killer sich die Klinke in die Hand geben.
So einen Titelhelden muß man schon mögen, wenn er denn Killer ist – und da wir John Cusack eh die ganze Zeit in jedem Film knuddeln könnten, hätte sich das Problem schon erledigt. Darüber hinaus erfahren wir, daß es alle seine Opfer irgendwie verdient hätten, das setzt die moralische Hürde, über die wir hinwegmüssen, um uns totzulachen, ebenso herab wie das Dilemma, über das seine Figur wegmußte, als der CIA sie anwarb.
Mit dieser Ausgangsposition kann der Film praktisch überall hin und er nutzt das weidlich aus. Cusacks Martin Blank nimmt seinen Job und seine Existenz nämlich gleichzeitig nicht so ganz ernst und dann wieder total, belastet er nämlich einen unwilligen Psychiater mit seinen Problemen, der ihn gar nicht zum Patienten will.
Gleichzeitig will ihn die Konkurrenz zu einer Art Allianz in einer Killer-Firma bewegen (Dan Aykroyd als Gegenspiel ist absolut auf Hochtouren!), was zu totalem inhaltlichen Irrwitz führt, den Cusack mittels toternst-absurder Kommentare absondert, während Aykroyd ständig strahlende Laune hat.
In der alten Heimat angekommen versinkt dann der Film im Nostalgiefeeling, macht mit Minnie Driver ein Faß auf und präsentiert eine Ex-Prom-Begleitung, die von Szene 1 genauso drauf ist wie Blank, zumindest was das Verbale betrifft.
Hier liegt die größte Qualität des Films, nämlich geschliffene Dialoge zu liefern, die die nostalgisch-romantisch-ernsten Szenen des Films ständig unterlaufen und die grellen Auseinandersetzungen unter den Killern entschärfen.
Zentraler Punkt dabei ist das 10jährige Wiedersehen in der High School, weniger der Killerauftrag (der natürlich ausgerechnet den Vater von Blanks Liebsten betrifft), der wie angehängt wird, um den neugewordenen Blank zu befreien. Die Szenen mit den alten Freunden und Bekannten, den Familienvätern und Müttern, den Kleinstadtkarrieristen und doch gescheiterten Existenzen macht die meiste Wärme und das Vergnügen aus, untermalt mit den größten Hits der 80er, die auf dem Fest laufen oder von der Driver beständig in ihrem Studio aufgelegt werden.
Sicher ist „Grosse...“ nicht wirklich bedeutend, aber er ist das Definitivum einer wirklich originellen und lustigen Komödie, die dazu noch Romantik genügend Platz läßt.
Die vom Plot her vielleicht nicht gerade wichtigste Szene und dennoch die eindrucksvollste von der Visualisierung, zeigt Cusack Auge in Auge auf dem Ball mit dem Baby einer ehemaligen Klassenkameradin. Cusack starrt das Baby, das Baby starrt Cusack an, David Bowie und Queen steigern auf dem Soundtrack das legendäre „Under Pressure“ auf den Höhepunkt zu und wir können sehen wie Cusacks Blank in den Kinderaugen eine geheime Wahrheit für sich findet, die er mit seinem Psychiater niemals entdeckt hätte.
Mag sein, daß der Humor manchen etws zu schwarz erscheint, aber gewisse Szenen, die gegen die Konventionen gedreht sind, können einem echt die Schuhe ausziehen, wenn Aykroyd und Cusack sich etwa in einem Diner Frühstück bestellen und sich dabei unterschwellig abtasten und bedrohen oder der Supermarkt, der über dem Haus der Blanks gebaut wurde, in tausend Fetzen geschossen und gesprengt wird, während der jugendliche Geschäftsführer an einem Doom-Videospiel nichts davon mitbekommt. Dennoch, die Seltenheit der Vorzüge des Films ist schon Besonderheit genug.
Und er wird besser, je öfter man ihn sieht. (9/10)