Amerikas Trauma & schlimmste Seite
Bis zum Vietnamkrieg standen die USA immer auf der guten Seite, im positiven Licht, waren die strahlenden Gewinner. Die größte & einflussreichste Supermacht, die die die Welt je gesehen hatte. So sahen sie sich nicht nur selbst, das war einfach weltweiter Fakt, wenn auch sicher nicht unumstritten. Das änderte sich nicht schlagartig, aber unausweichlich, traumatisch schleichend mit diesem sinnlosen, zähen Krieg am anderen Ende der Welt. Diese schockierende Doku aus dem Jahr 1974 schildert mehr oder weniger chronologisch die Geschehnisse des Vietnam-Kriegs, wirft Licht auf einen dunklen Fleck Geschichte, den die Amis selbst nicht nur (teilweise noch immer) nicht richtig verstanden, aufgearbeitet oder überwunden haben, sondern über den man selbst als Europäer auch gar nicht so viel weiß. Sollte aber eigentlich zur Allgemeinbildung & vielleicht auch zum Schulprogramm gehören, denn "Hearts & Minds" hat nichts an Aktualität, Schock oder Empathie für die Leidenden des Kriegs verloren, ist eine der ikonischsten & wichtigsten Kriegs-Dokus! Mit "Hoop Dreams", "Searching For Sugarman" & "The Thin Blue Line" vielleicht sogar eine der besten Dokumentationen allgemein, die ich bisher sehen durfte.
Peter Davis' "Hearts & Minds" wird oft vorgeworfen, Anti-USA zu sein, einseitig & unterbewusst beeinflussend. Natürlich ist die Doku gegen die USA - wie könnte man nach solch einem verzögerndem, auf beiden Seiten nur Schaden anrichtenden Krieg, dies auch nicht sein? Natürlich ist der Film einseitig - denn bei Millionen getöteten, unschuldigen Zivilisten in Vietnam, ist eine Seite, wohl auch objektiv, nicht allzu schwer zu wählen, oder? Natürlich ist der Film mit seinen Bildern & Gegenschnitten beeinflussend & offensichtlich auf seine humanistischen Aussagen lenkend - aber sollte eine gute, zielführende Doku nicht genau so sein? Oder muss eine Doku immer objektiv bleiben & sogar des Teufels Anwalt spielen? Und auch wenn einige Schnitte & Beispiele vielleicht anders & beidseitiger beleuchtet hätten werden können, lässt der Regisseur doch eigentlich immer nur die Aussagen, Bilder & Gefühle für sich sprechen, lässt ihnen & uns genug Zeit zu atmen & nachzudenken.
Man bekommt historisch, zeitgeschichtlich & faktisch einen groben Überblick, aber das Herzstück, sind die Menschen, die Opfer, die Schmerzen. Tote Vietnamesen, trauernde Witwen, Felder voller Napalm samt Kinder als Opfer auf der einen Seite. Eine Gesellschaft die einen unnötigen, grausamen Krieg, auf dessen falscher Seite sie standen, nicht wahrhaben will, schreckliche Vorurteile, psychische & physische Kriegsfolgen auf der anderen Seite. Trauer, Wut & Ratlosigkeit wie es so weit kommen konnte, liegen ganz nah beisammen. Am sprachlosesten ließ mich der Gedanke an jüngste, aktuelle Kriege & Krisen, die eindeutig zeigen, wie stark Vietnam & dessen Ergebnisse vergessen, verdrängt wurden. Die Staaten haben kaum etwas gelernt & spielen noch immer Weltpolizei, die Kälte eines drohenden Rückfalls in alte Zeiten ist spürbar. Traurig aber wahr. Das macht die Millionen Gefallenen nur noch umso unnötiger & nachlassloser. Das macht genauso wütend wie Pegida, AfD, Internet-Rechte & Co. in Deutschland, die aus unseren dunkelsten Stunden wohl ebenso wenig gelernt haben. Solche Verbindungen, Gedanken & Dokus lassen einen konstaniert & etwas hoffnungslos zurück. Die Menschheit ist kein guter Haufen, kann eigentlich nur der Schluss sein...:(
Fazit: etwas einseitig, aber noch immer unangenehm wahr. Wachrüttelnd, brutal & manchmal schmerzhaft sarkastisch, dumm, sinnlos. Essenzielle Kriegs-Doku, nichts für US-Patrioten - oder gerade besonders für die?