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Drei jugendliche Athletinnen setzen sich während eines Schulausflugs spontan von ihrer Gruppe ab, um in einer nahen Villa unweit des Strandes, die sich im Familienbesitz eines der Mädchens befindet, ein paar ungestörte Tage zu verleben. Man badet im Meer, man faulenzt in der weiträumigen Villa, man albert miteinander herum, und dass man alsbald an der Küste drei Männer trifft, die an den sich ihnen darbietenden weiblichen Reizen mehr als interessiert zu sein scheinen, tut der Stimmung beileibe keinen Abbruch. Schnell laden die drei Grazien ihre Eroberungen dazu ein, doch das Wochenende bei ihnen zu verbringen, und die lassen sich das nicht zweimal sagen. Alsbald hat sich jedes Mädchen einen Kerl herausgepickt und Sex wird groß geschrieben. Groß ist allerdings auch das Entsetzen, als eins der Mädchen in einer Tageszeitung Photos der drei Herren entdeckt, mit der Bildunterschrift, dass es sich bei ihnen um flüchtige Sträflinge handle, frisch aus dem Knast ausgebrochen, wo man sie wegen Mord und Vergewaltigung unterbrachte. Nun zeigen die Männer ihr wahres Gesicht und setzen die Mädchen in der Villa gefangen. Ihr Martyrium soll erst montags vorbei sein, wenn ein Typ namens Enzo vorbeischauen soll, um ihnen falsche Pässe auszuhändigen, mit denen sie es über die Grenze schaffen wollen. Doch bis dahin stehen den Mädchen einige Unannehmlichkeiten bevor… 

Die Inhaltsangabe lässt es schon mehr als deutlich anklingen: auch MIDNIGHT BLUE ist ein weiterer Ableger des Streifens LAST HOUSE ON THE LEFT, mit dem Wes Craven 1972 so etwas wie einen Genreklassiker drehte. Wie so oft zog der erfolgreiche und kontroverse Film natürlich unendlich viele Nachzügler mit sich, die allesamt etwas von seinem Ruhm abhaben wollten. Vor allem die Italiener zeigten sich in der Disziplin, amerikanische Erfolgsfilme gnadenlos zu kopieren und in unzähligen Rip-offs solange auszuschlachten bis nahezu nichts mehr von ihnen übrigblieb, mal wieder als Meister, was zu qualitativ unterschiedlichen Filmen wie etwa dem laschen LA SETTIMA DONNA oder dem sensationellen L’ULTIMO TRENO DELA NOTTE führte. MIDNIGHT BLUE ist ein relativ später Film des Subgenres und vielleicht auch der miserabelste Beitrag zum Thema. Im Grunde kann man MIDNIGHT BLUE als eine äußerst minimalistische Variante des ewiggleichen Themas der von Unholden geschändeten und sich schließlich bitterlich rächenden Mädchen bezeichnen. Raimondo Del Balzo konzentriert sich auf den Kern der Geschichten und lässt alles Beiwerk weg. Hier gibt es keine religiösen Untertöne, das Ganze liefert keinen unterschwelligen politischen Kommentar, auch gesellschaftskritische Anspielungen bleiben außen vor, alles Eigenschaften, die man in die meisten andern Genrevertreter zumindest mit gutem Willen hineininterpretieren konnte. MIDNIGHT BLUE bietet keinen Raum für Interpretationen. Der Film erzählt eine nackte, schlichte Geschichte. Drei Mädchen, drei Finsterlinge. Mehr Innovation darf man nicht erwarten. Gegen solchen Minimalismus ist ja generell nichts zu sagen, doch dass ein Film derart bar jeglicher Kreativität und Inspiration daherkommt, grenzt an eine Frechheit. Denn MIDNIGHT BLUE ist schlecht. Und zwar nicht schlecht im Trash-Sinne, sondern wirklich derart richtig schlecht, dass er selbst etwaige unfreiwillige Komik im Keim erstickt. 

Der Film bietet nicht nur einige belanglosen, langweiligen Passagen, sondern besteht fast ausschließlich aus solchen. Schnell wird klar, dass sein Minimalismus nicht etwa einer künstlerischen Idee geschuldet ist. MIDNIGHT BLUE wird kaum etwas gekostet haben. Gedreht wird fast ausschließlich in der Villa am Meer, an Schauwerten gibt es gar nichts, die Drehorte sind uninteressant und uninspiriert. Für ein Drehbuch hat es wohl ebenso nicht gereicht. Mehr als das, was ich in der Inhaltsangabe geschrieben habe, geschieht hier tatsächlich nicht. Über die Charaktere erfährt man so gut wie nichts. Dass die Mädchen in ihrer Opferrolle höchstens durch albernes Verhalten oder Gekreische auffallen, ist zu verschmerzen, leben Filme wie MIDNIGHT BLUE doch gemeinhin von ihren sadistischen Täterfiguren, mit denen sich der Zuschauer mehr identifizieren soll als mit denen, über die sie sich hermachen. Auch hier liefert der Film keine Exposition, keine Charakterisierung. Die Herren sind eben drei Schwerverbrecher, mehr braucht man über sie nicht zu wissen.  

Rein filmisch gesehen merkt man dem Film in jeder Szene nicht nur das Fehlen eines nennenswerten Budgets, sondern auch das Fehlen jegliches Talents seitens der Verantwortlichen an. Es dauert erstmal über eine halbe Stunde bis der Film mal zur Sache kommt. Bis dahin darf man endlose Sexszenen bewundern. Eine exemplarische sei kurz erwähnt. Sie findet in fast vollkommener Finsternis statt, untermalt von furchtbarer Pornomusik, und eine Handkamera, die leider viel zu oft eingesetzt wird, schwirrt derart nervös umher, dass man sich fühlt wie bei einem Schiff auf Seegang und kaum etwas ausmachen kann. Nur ab und zu meint man, einen männlichen Hintern erahnen zu können. Überhaupt sind alle Szenen, in denen es wilder wird, mit jener Handkamera gefilmt, die von einem Betrunkenen geführt worden sein muss. Bei dem Höhepunkt des Films, der wohl eigentlich schockieren sollte, eine Art Massenvergewaltigung der Mädchen durch zwei der Kerle, saust sie ebenso hin und her, sodass einem verborgen bleibt, was genau da nun eigentlich geschieht. Ansonsten ist der Film interessanterweise so ruhig, dass er statisch wirkt. Bezeichnend ist hier eine Szene, in der eins der Mädchen auf einem öffentlichen Markt einkaufen geht. Minutenlang wird sie einfach nur dabei gezeigt wie sie von Stand zu Stand wandert. Mehr passiert nicht. Wenn ich mir die Laufzeit von knapp achtzig Minuten anschaue, werde ich das Gefühl nicht los, dass hier versucht wurde, Zeit totzuschlagen, da die dürftige Geschichte nicht mal Stoff für eine halbe Stunde hergibt. 

Wer auf Gore und Nudity hofft, wird auch enttäuscht werden. Zwar saugt sich die Kamera stellenweise lüstern an den Brüsten der Hauptdarstellerinnen fest, doch wirklich explizit wird es niemals. Jede der Sexszenen ist, wie gesagt, ziemlich unübersichtlich gefilmt und die wenigen Nacktszenen, bei denen man erkennt, womit man es zu tun hat, haben eher schmuddliges Bahnhofskinoniveau und sind weit davon entfernt, ästhetisch zu wirken. Was die Gewalt betrifft, ist der Film mehr als zahm. Die angedeutete Vergewaltigung erkennt man kaum und die späteren Racheaktionen der Mädchen werden mit derart miesen Effekten in Szene gesetzt, dass sie eher lächerlich wirken. Es muss wohl nicht erwähnt werden, dass sich keiner der Schauspieler besonders mit Ruhm bekleckert.  

Zwei Innovationen bietet MIDNIGHT BLUE dann doch. Wer das VHS-Cover kennt, weiß, dass die Unholde zumindest auf recht ungewöhnliche, wenn auch nicht überzeugende Weise sterben. Immerhin haben sie es mit Sportlerinnen zu tun (obwohl auch dieser Punkt den Drehbuchschreibern wohl erst kurz vor Ende wieder einfiel). Und das Finale ist dann doch nicht allzu schlecht geraten. Der Farbfilter, der über die Bilder gelegt wurde, als die Mädchen, nachdem sie sich ihrer Peiniger entledigten, eine böse Überraschung erleben, lässt die letzten paar Minuten überzeugender wirken als den gesamten Rest. Retten kann das den Film natürlich trotzdem nicht. MIDNIGHT BLUE ist wohl nicht mal nur für die hartgesottensten Italo-B-Movie-Fans geeignet. Ach ja: die Frage, ob der englische Originaltitel irgendetwas mit dem Filminhalt zu tun hat, darf sich jeder selbst beantworten.

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