Review

Gesamtbesprechung

BBC-Ansager (John Cleese hinter einem Schreibtisch irgendwo in freier Natur): „And now…“

Schiffbrüchiger (Michael Palin in Nahaufnahme): „It’s…“

[„Liberty Bell March“ von John Philip Sousa setzt ein]

… das ultimative Review zu “Monty Python’s Flying Circus”!

In insgesamt 45 Folgen, verteilt auf vier Staffeln (die ersten drei mit 13, die letzte mit sechs Folgen), wirbelte die aus den sechs Mitgliedern Graham Chapman, John Cleese, Terry Gilliam, Eric Idle, Terry Jones und Michael Palin bestehende Komikergruppe „Monty Python“ das Comedy-Genre gehörig durcheinander. Nach dem Motto „Alles geht“ prasselte pro Folge rund 30 Minuten lang ein schwer in Worten zu beschreibendes Chaos auf die Zuschauer nieder, das so ziemlich alle Konventionen auf den Kopf stellte, die jemals etabliert wurden.

[Blaubild mit rotierendem BBC-Logo, Stimme von Eric Idle ertönt: “Wir unterbrechen dieses Review für eine wichtige Nachricht. Die bislang im Review vermittelten Informationen zu der Fernsehserie „Monty Python’s Flying Circus“ sind allgemein bekannt und somit völlig langweilig. Wir möchten den Schreiber dieser Zeilen darum bitten, zur Sache zu kommen und nicht Dinge zu erzählen, die so unsagbar-unglaublich-furchtbar-schrecklich uninteressant sind.]

Das Sextett feuert in einer Mordsgeschwindigkeit eine Armada an Sketchen von unterschiedlicher Länge – manchmal nur wenige Sekunden lang, manchmal sich beinahe über die gesamte Folge erstreckend – ab, deren Markenzeichen in der Regel sind, keine Schlußpointe zu haben. Stattdessen wird ein Sketch gern mittendrin rabiat abgeschnitten und in eine völlig neue Szene übergeleitet, ohne daß der Faden später noch einmal aufgenommen werden würde. Es kommt aber auch vor, daß die Akteure des Sketches später wieder ins Spiel gebracht werden, ob in derselben Folge oder im Laufe der Staffeln, um dann beispielsweise über den Sinn ihres Auftritts zu reflektieren. Mehrfach wird die Vierte Wand durchbrochen, Bühnenbilder von der Filmcrew noch während des Sketches abgebaut oder die Schauspieler wenden sich unvermittelt direkt ans Publikum, wenn ihnen ein Sketch besonders absurd erscheint…

Colonel (Graham Chapman): „Blödsinn! Ich möchte den Schreiber dieser Zeilen doch dringend dazu auffordern, nicht mehr solche albernen Behauptungen aufzustellen. Wie könnte eine Serie so viele Fans haben, in denen so blödsinnige Sachen passieren?“

Das sind keine Behauptungen. Genau deshalb hat die Serie so viele Fans.

Legendär dabei auch die in andere Szenen überleitenden grotesken Zeichnungen Terry Gilliams, in denen noch absurdere Dinge geschehen als in den Sketchen selbst: Riesige, von oben ins Bild stampfende Füße zermatschen Menschen, riesige, von der Seite ins Bild kommende Hände versuchen einer nackten Frau, das den Schambereich verdeckende Feigenblatt wegzuzerren, Babys im Kinderwagen fressen Omas, aus Köpfen wachsen Blumen, aus Mündern fliegen Köpfe, die Zähne eines breit grinsenden Mannes machen Musik, riesige Katzen auf zwei Beinen verursachen Angst und Schrecken – der Phantasie sind keinerlei Grenzen gesetzt.

Running Gags über Folgen und Staffeln hinweg gibt es reichlich, aber aufgrund der Unvorhersehbarkeit dieses heillosen Durcheinanders bis auf wenige Ausnahmen (etwa den „It’s“-Mann oder den BBC-Ansager mit seinem bekannten „And now for something completely different…“-Ausspruch) kann man sich nie sicher sein, wann sie auftauchen. Auch die Struktur einer Folge ist jedes Mal anders. Beginnt sie in der einen Woche, wie man es kennt, direkt mit dem Vorspann, so werden ihm beim nächsten Mal ein, zwei oder noch mehr Sketche vorangestellt, so daß er erst in der Mitte abgespielt wird. Gleiches gilt für den Abspann, der nicht zwangsläufig am Ende erscheinen muß, sondern auch mitten…

[Abspann. „Liberty Bell March“ von John Philip Sousa setzt ein]

…drin einsetzen kann oder über einen noch nicht beendeten Sketch läuft. In einer Folge wird dann auch freimütig zugegeben, daß das Gagmaterial diesmal (angeblich) nicht für die geplante Laufzeit ausreichte, weshalb die letzten Minuten dafür verwendet werden, einfach statisch den Strand abzufilmen und mehrmals John Cleese ins Bild laufen zu lassen, der den Zuschauer auffordert, nun abzuschalten, weil nichts mehr kommt.

Es herrscht also komödiantisches Sodom und Gomorrha. Alles Alberne, was nicht schnell genug auf den Bäumen war, findet in die Serie Einzug, und so kann es dann auch nicht verwundern, daß auch die Inhalte der Sketche extrem variantenreich sind. Nichts ist vor Monty Python sicher: Adolf Hitler, die Deutschen und andere Nationen, Autoritäten des öffentlichen Lebens wie Polizisten, Wissenschaftler und Richter, Behörden, Hausfrauen, historische Figuren und auch TV-Tabuthemen wie Gewalt, Tod und Sexualität. So kann man auch in der Serie mal ein Paar nackte Brüste entdecken, was in den frühen prüden 70ern nicht selbstverständlich war.

[kurzer Schwarz-Weiß-Filmausschnitt mit klatschenden Frauen]

Mit Vorliebe knöpft man sich jedoch das Fernsehen vor, nahm damalige Sendungen auf die Schippe oder konzipierte eigene neue, die von einem meist unfähigen und/oder dummes Zeug redenden Moderator kommentiert werden, darunter etwa „Blackmail“, wo fremdgehende Ehepartner von den Mitarbeitern der Sendung erpreßt werden, oder „Prejudices“, wo die besten Vorurteile gegen Bevölkerungsgruppen und Minderheiten mit einem Preis ausgezeichnet werden. Einige Themen sind dabei sicherlich nach über 40 Jahren bereits veraltet, andere wiederum aktueller denn je und problemlos auf die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts übertragbar. Hinzu kommen wüste Wortspiele und absurde Namen, die zum regelmäßigen Repertoire der Truppe gehören.

Nicht wenige der pythonesken Sketche besitzen noch immer Kultstatus, vor allem diejenigen aus den ersten beiden Staffeln, aus denen in Form des Kinofilms „Die wunderbare Welt der Schwerkraft“ die besten zusammengestellt wurden: der Papagei-Sketch, in dem ein Verkäufer dreist versucht, den Käufer davon zu überzeugen, daß der tote Papagei nur schläft; der tödlichste Witz der Welt, der sogar zu Kriegszwecken verwendet werden kann; das Holzfäller-Lied, in dem sich der Sänger als Träger von Frauenkleidung entpuppt, was von dem ihn begleitenden Chor (und seiner Freundin, die ihn für so männlich gehalten hat) mit zunehmendem Unverständnis quittiert wird. Allerdings könnte man genauso gut auch die nicht im Film vorkommenden unzähligen Sketche nennen: die Spanische Inquisition, den Spam-Sketch, dem wir den Namen „Spam“ für E-Mail-Müll verdanken, oder den Hatler-Sketch, in dem die führenden Köpfe des SS-Regimes sich unter falschem Namen mehr schlecht als recht gegenüber anderen Gästen tarnen, um ein neues Drittes Reich auszurufen.

Colonel (Graham Chapman): „Stop! Blödsinn, alles Blödsinn! Ich erinnere den Schreiber dieser Zeilen nochmals eindrücklich daran, hier nicht albern zu werden."

Bemerkenswert ist aber auch die außerordentliche Vielseitigkeit der Schauspieler. Keiner der sechs Mitglieder läßt sich auf eine bestimmte Rolle festlegen (wobei Gilliam sich lieber hinter der Kamera aufhält und vergleichsweise wenige Rollen übernimmt), sondern verkörpert alles vom freundlichen Reporter bis hin zum bösen Nazi, was eben vom Drehbuch gefordert wird. Dabei hat keiner von ihnen Scheu davor, sich in Frauenkleider zu werfen und mit verstellter, enervierend hoher Stimme zu sprechen. Hervorheben kann man niemanden, weil jeder Sketche erhält, bei denen er auftrumpfen kann, ob nun der lange Cleese mit seinem stoischen Gesichtsausdruck, Idle mit dem Boygroup-Charme oder Palin mit seinem treuen Hundeblick. Auch der relativ früh verstorbene Chapman, der wegen seiner Alkoholsucht stets nur eingeschränkt leistungsfähig war, leistet großartige Comedy-Arbeit. Jones spielt viele einprägsame Frauenrollen, was ihn dann auch für die Mama-Rolle in „Das Leben des Brian“ als einzig logische Wahl erscheinen läßt. Fester Bestandteil der Serie ist außerdem die unvergleichliche Carol Cleveland, die häufig als typisches Sexbombenbeiwerk eingesetzt wurde und diese nicht sehr fordernde Rolle mit Verve spielte.

Cleese wollte bereits nach der zweiten Staffel aus dem Fliegenden Zirkus aussteigen, weil er frühzeitig den Eindruck hatte, alles würde sich irgendwie wiederholen – was nicht von der Hand zu weisen ist, weil der schräge Humor mit seiner „Alles geht“-Attitüde die alteingesessenen Zuschauer natürlich irgendwann nicht mehr überraschen kann und auch künstlerisch auf Dauer langweilig werden kann –, stieg allerdings erst nach 39 Folgen aus, so daß lediglich sechs Folgen ohne ihn auskommen müssen. Sein Fehlen in der vierten Staffel ist zwar spürbar, die hohe Treffsicherheit der Gags leidet darunter aber nicht.

Es steht außer Frage, daß man einen ausgeprägten Sinn für schwarzen britischen Humor haben, um über „Monty Python’s Flying Circus“ lachen zu können, und den hat leider nicht jeder, aber wer ihn hat, erlebt hier wirklich von der ersten bis zur letzten Folge gleichbleibend durchgeknallten und die Lachmuskeln anregenden Nonsens pur, der über die Jahre und Jahrzehnte einfach nichts an Qualität einbüßen will und auch beim wiederholten Ansehen immer wieder Spaß macht, in richtiger Gesellschaft sogar Totlachgefahr in sich birgt. Sicherlich gibt es bei den weit über hundert Sketchen auch einige Rohrkrepierer und manchmal ist mir das grelle und laute Geschrei, das einige Sketche prägt, zu viel des Guten, aber das ist sicherlich Geschmackssache und…

[Ritter (Terry Gilliam) erscheint und haut dem Verfasser dieser Zeilen ein rohes gerupfes Huhn auf den Kopf]

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