United Trash
Deutschlands Agent Provocateur Christoph Schlingensief, der inzwischen sogar für die Bayreuther Wagner- Festspiele inszenieren durfte und selbst dort für einen Medienrummel sorgte, legte mit „United Trash“ 1996 seinen ersten im 35mm- Format gedrehten Streifen hin, doch hatte sich bis auf dieses technische Detail und die Tatsache, dass er nunmehr auch auf eine größeres Budget zurückgreifen konnte, ansonsten nicht viel verändert: Auch hier reiht sich Geschmacklosigkeit an Geschmacklosigkeit, und politische Korrektheit darf man erst gar nicht erwarten.
Wobei es nicht ganz zutrifft, wenn man sagt, es hätte sich nicht viel geändert. Immerhin reiste die Crew diesmal bis nach Simbabwe und engagierte auch gleich einige Leute dort. Nachdem die ursprünglich vorgesehene Barbara Valentin einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte (oder so etwas), bekam Schlingensief die Möglichkeit, einen seiner Jugendträume (so zumindest geht die Legende) in Form von Russ Meyer- Star Kitten Natividad wahr zu machen, die gleich begeistert von der Möglichkeit war, einmal in Afrika zu drehen. Und was bei all dem Wahninn herauskam, das spottet jeder Beschreibung, wie man so schön sagt. Eine direkte Handlungslinie auszumachen, gestaltet sich schon etwas schwierig, deshalb zitiere ich den Meister persönlich aus dem Interview: „...das ist die Geschichte eines deutschen UNO- Generals, der mit seiner Frau dort runtergeht und dem afrikanischen Diktator eine V2 von Adolf Hitler schenkt, der will mit dieser V2 aber an Heilig Abend den amerikanischen Präsidenten killen. Jetzt gibt’s folgendes Problem: Der UNO- General mit seiner Frau... der UNO- General ist homosexuell, seine Frau hat ein Verhältnis mit einem Bischof, der in Österreich exkommuniziert wurde, weil er sich an Kindern vergangen hat, die Frau kriegt ein Kind vom Bischof, das ist aber schwarz, das kann auch dieser UNO- General nicht ganz verstehen; das Kind kriegt von der Mutter eine Murmel geschenkt, steckt sie sich in die Nase, droht daran zu ersticken- das Kind muß operiert werden, die Mutter holt eine Stricknadel, steckt sie dem Kind in die Nase, der Vater kommt gerade von einer Preisverleihung zurück, reißt die Tür auf, die Mutter rammt die Nadel in die Nase des Kindes, das Kind kommt in die Klinik, gerät an einen Arzt, der unter Dr. Mengele ausgebildet wurde, der operiert das Kind; nachdem das Kind wieder auf den Beinen ist, hat es eine Pussy, eine Fotze, eine Scheide auf dem Kopf- alle drei Wörter jetzt mal gesagt- aus der dampft und zischt es, somit hat der Diktator, der bis jetzt immer nur mit Schwarzen experimentiert hat- und zwar wurden Schwarze ins Triebwerk gelegt, mit Benzin übergossen und angezündet, um die Rakete zum Steigen zu bringen- was nicht klappte, was man gleich am Anfang sieht- wird jetzt also dieser kleine Junge als Raketenantrieb benutzt, weil es aus seiner Scheide oben unheimlich dampft und zischt, und damit gelingt der Sprung nach Amerika, Heilig Abend wird der amerikanische Präsident tatsächlich durch diese Rakete getötet! Der Kleine heißt Jesus Peter Panne und ist der Erlöser.“
Natürlich wird man einem Schlingensief- Film bei weitem nicht gerecht, wenn man nur dessen Handlung wiedergibt, denn was einen hier an überbordender Geräuschkulisse, recht geschmackvoll zusammengestellter Jazz- und afrikanischer Musik und verquerer Bildästhetik erwartet, das sucht wahrlich seinesgleichen. Aus diesem Grund unterlasse ich den fruchtlosen Versuch einer Bewertung mal ganz bleiben. Bewundernswert ist Schlingensiefs Leistung jedoch allemal, einmal weil er mit seinen Filmen ein weniger feingeistiges David- Lynch- ähnlich postmodernes Universum schafft, das nur eben gänzlich eigener Systematik und Gesetzen gehorcht, und andererseits weil er schon seit langen Jahren der deutschen Filmindustrie mit seinen eigenproduzierten 16mm- Werken eine lange Nase zeigt- mag man die Ergebnisse nun gut oder schlecht finden, das ist letztlich nicht der Punkt.
Die Extras sind bei dieser Edition wirklich erlesen: Zuallererst gibt es eine 45- minütige Pseudodokumentation namens „Udo Kier- Tod eines Weltstars“, in der Udo Kier sich auf sympathische Art selbst durch den Kakao zieht. Gleichzeitig kann man jedoch auch Ausschnitte aus verschiedenen Karrierehighlights von Udo Kier erleben, natürlich fehlen da auch „Andy Warhols Frankenstein“ und „Dracula“ nicht. Grob geht es um ein deutsches Filmteam, das Udo Kier in der Toscana besuchen will, denn der Meister liegt offensichtlich im Sterben. Die verdatterten Gesichter der Crew, als es sich der Star noch einmal anders überlegt, sind wirklich unbezahlbar! Großartig. Zudem ist diese „Doku“ wirklich lustig anzuschauen, wo man sich bei den Spielfilmen doch manchmal fragt, ob man jetzt lachen oder weinen sollte. Die Interviewausschnitte, in denen der Regisseur im Stakkatostil über das Chaos der Dreharbeiten räsoniert, haben es wirklich in sich: Was da am Rande, wenn die Kameras nicht liefen, passierte, wäre Stoff für einen weiteren Film gewesen. Ich sage nur soviel- Regisseur und Crew waren gezwungen, in Simbabwe einen Einbruch in ein Lager zu machen, in dem ihre vom dortigen Geheimdienst konfiszierten Filmrollen schlummerten, und das gedeckt vom deutschen Botschafter. Abenteuerlich! Zusätzlich zu den ausführlichen Interviews bietet die DVD dann noch eine kleine Trailershow, die neben dem Trailer von „United Trash“ u.a. auch den von „Terror 2000“ und „Das deutsche Kettensägenmassaker“ enthält.
Ehrlich dann das nüchterne Resümee des Meisters: „Insofern war das der Film, wo ich am meisten Lehrgeld bezahlt habe und wo ich ehrlich sagen muß, ich hab’ von dem Film gar nichts, er gefällt mir auch nicht richtig- aber ich hab’ den Film im Kopf, und das reicht.“ Dazu kann ich nur antworten: Was zählt schon die Meinung des Regisseurs? Morris