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Drei Männer planen gemeinsam einen Banküberfall – schnell, einfach, effektiv. Doch der simple Plan scheitert an kleinen, unglücklichen Zufällen – und den rassistischen Vorurteilen eines der Beteiligten.

So geradlinig und klassisch die Story dieses späten Film noir klingt, als so ungewöhnlich und modern entpuppt sie sich. Im Gewand eines düsteren Gangsterfilms der Schwarzen Serie erzählt Regisseur Robert Wise eine beeindruckende und mitreißende Geschichte über Rassismus, Schicksal und Gewalt. Mit dem Sänger und Schauspieler Harry Belafonte in der Hauptrolle entschlüsselt er ein kleines, aber packendes Panoptikum unterschiedlicher Lebenslinien, die in einem scheinbar einfachen Plan, schnell zu viel Geld zu kommen, zusammenlaufen.

So nimmt sich der Film sehr viel Zeit für die Einführung und Charakterisierung seiner Hauptfiguren. Belafonte in der Rolle des schwarzen Musikers, Gelegenheitsgauners und durch Pferdewetten verschuldeten Johnny liefert eine subtile Glanzleistung: Vor allem in ruhigen Passagen, etwa den wenigen idyllischen Sequenzen mit seiner kleinen Tochter, überzeugt er durch detailliertes Mimik- und Gestikspiel und nicht übertriebene Vermittlung der Gefühle seiner Figur. Das wird auch in einigen gerade durch ihre schauspielerische Zurückhaltung intensiven Szenen zwischen ihm und seiner Ex-Frau mehr als deutlich – nur wenige Worte, nur ihre angespannten Gesichtsausdrücke erzählen dem Zuschauenden bereits alles über das enttäuschte und verletzte Verhältnis zwischen den beiden.

Auch Robert Ryan als Earl bietet eine grandiose Darstellerleistung, bei der er vor allem hervorragend mit Klischees typischer Film noir-Charaktere spielt: In der Einleitungsszene betritt er als harter und wortkarger Hund ein Hotel und wechselt mit dem schwarzen Liftboy nur die nötigsten Worte. Das scheint bis dahin noch ein typisches Verhalten für Figuren dieses Genres – bis er später erfährt, dass er mit einem Schwarzen zusammenarbeiten soll, und dabei seinen ganzen rassistischen Hass herauslässt. (Die Liftboy-Szene wird auch dadurch konterkariert, dass Johnny kurze Zeit später ebenfalls mit dem Fahrstuhl fährt und diese beiden herzhaft miteinander scherzen und lachen.) Und trotz des klaren Anti-Rassismus-Statements, das der Film vertritt (als Höhepunkt mit einer so makabren wie zynischen Pointe in der Schlussszene, die die Absurdität solcher Ideologien grausam offenlegt), zeichnet er auch Earl nicht als stereotypen, tumben Menschenhasser, sondern ebenfalls als gequälte Seele, als verlorenen Menschen, der mit sich und den Dingen, zu denen er fähig ist, nicht zurecht kommt. Der Großteil des Films ist weniger Krimi als ruhige und tiefgründige Charakterstudie zweier unterschiedlicher Menschen, die mit unterschiedlichen Problemen verhandeln und gemeinsam einen Weg aus ihren Miseren suchen – und durch Vorurteile ihren eigenen Untergang heraufbeschwören.

Formal ist „Wenig Chancen für morgen“ annähernd perfekt inszeniert. Die Kamera gleitet in vollendeter Eleganz durch die Szenerien, fängt immer wieder alltägliche Straßenbilder ein, die doch eine gelungene und in Verbindung mit dem düsteren Score fatalistische Atmosphäre schaffen. Ausstattung und Kulissen bleiben überschaubar, können aber durchgehend überzeugen und den allzu künstlich wirkenden Anschein der Studioaufbauten weitgehend vergessen machen. Dazu tragen auch die ästhetischen Schwarz-Weiß-Bilder bei, die nicht nur mit scharfen Kontrasten, sondern auch immer wieder mit wunderbaren Schattenspielen begeistern – wenn etwa der langgezogene Schatten eines Mannes, der die Straße hinunter geht, über Häuserwände gleitet, oder jemand eine steile Leiter hinaufklettert und sein Schatten ihm verzerrt folgt. Ästhetisch ist der Film noch ein echtes Kind des Film noir.

Inhaltlich ist er wie gesagt schon etwas weiter, treibt den Klischee-Figuren der Detektiv-Filme jener Zeit ihre Unschuld aus und formuliert eine böse Gesellschaftskritik im Gewand einer simplen, aber starken Kriminalgeschichte. Und das Finale punktet dann mit einem überraschend spektakulären Showdown. Mit „Wenig Chancen für Morgen“ hat Robert Wise schon zu einem frühen Zeitpunkt seiner Karriere einen spektakulären und absolut sehenswerten Höhepunkt seines Schaffens erreicht.

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