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Mitten im Wald nahe dem kleinen Kaff Ganzlin irgendwo in der Oberlausitz macht ein Jogger (verschwitzt: Johannes B. Kerner) eine grausige Entdeckung: Im Unterholz liegt eine angekohlte Leiche im Neoprenanzug, komplett mit Flossen und Taucherbrille. Hauptkommissar Hartwich (Pfaff) steht vor einem Rätsel, ist aber nicht sonderlich auf eine Lösung erpicht, wird er doch in sieben Tagen pensioniert, mit der Aussicht, bald an Lungenkrebs zu sterben. Einige Tage später findet derselbe Jogger auch noch Leichenteile einer Frau, diesmal an einem See. Vielleicht könnte die Sporttasche, in der sich die Überreste befanden, eine Spur sein...
Hin und wieder ist selbst der Dauersender RTL für eine Überraschung gut. So ist der Zuschauer es doch gewohnt, mittwochs zur Prime Time eher eigenproduzierte Melodram-Schnulzen wie "Und morgen geht die Sonne wieder auf" vorgesetzt zu bekommen bzw. verklemmte Softporno-Thriller (e. g. "Die Singlefalle") zur Freude aller Eltern. Doch mit diesem Kleinod des Deutschen Films hätte wohl keiner gerechnet.
Auch wenn Marcus O. Rosenmüllers Krimikomödie dem Vergleich mit (deutschen) Genreklassikern nicht standhält, Respekt verdient dieser Film allemal. Sein Werk wirkt stets ästhetisch perfekt gestylt, Schnitt und Handlungsfolge lassen keine Langeweile aufkommen, einige Kameraeinstellungen könnten vielleicht sogar Larry und Andy Wachowski neidisch werden lassen. Auf eine charmante, aber nie bösartige Weise bedient sich Rosenmüller zahlreicher Ideen (das Intro erinnert an "Sieben", Dieter Pfaff wirkt mit seiner Zigarre wie eine deutsche Großversion von Peter Falk), die er gut genug plaziert, um dem Film eine besondere Note zu verleihen.
Die Schauspieler überzeugen nahezu komplett, allen voran Axel Milberg als wortkarger Pilot Blanck und Pfaff, der seinen Hauptkommissar Hartwich schön desillusioniert und mit bitterbösem Galgenhumor charakterisiert. Auch die Nebendarsteller präsentieren ihre Rollen seriös, lassen aber nie pechschwarzen Humor missen, gepaart mit einer großen Prise Selbstironie (Hartwichs kettenrauchender Mitarbeiter Bergmann qualmt seine Kippe selbst bei einer Verfolgungsjagd zu Fuß weiter; der schüchterne Pathologe öffnet den Brustkorp der Taucherleiche nicht etwa mit einer Sternum-Säge, sondern mit einer Geflügelschere).
Etwas enttäuschend geraten sind hingegen die Figuren von Niki Greb als Kartographin Charlotte Sternbeck und Jens Schäfer als zwangsversetzter Kommissar Tobias Kutschke. Beide wirken recht blaß im Zusammenspiel, die Liebesszene ist eher steril geraten. Das scheint auch Rosenmüller selbst erkannt zu haben und hat Greb vorsichtshalber schon im ersten Drittel eine Nacktszene spendiert, in der sie sich von Schäfer bei der Intimrasur überraschen lassen darf. Keine Glanzleistung der Frontfrau der just von RTL ins Abseits geschickten "Spielerfrauen".
In weiteren Rollen darf man Ingo Naujoks als hörgeschädigten Taugenichts, Uwe Ochsenknecht im Bademantel als chronisch faulen Hehler Udo Tiburski und Michaela Schaffrath als bebrillte Vorzimmerdame von Hartwich erleben, letztere natürlich mit gewohnt betontem Dekollète. Und Johannes B. Kerner ist um seine Rolle nicht zu beneiden.
Auch wenn der Aufhänger des Films den Zuschauer unweigerlich an "Magnolia" erinnert und der Hype um die "Urbanen Legenden" bereits ausgereizt ist - diese überraschend düstere Krimikomödie ist durchaus eines Blickes wert.