"Street Angel" oder wie er auf Deutsch heißt "Engel der Straße" ist ein sehr stimmungsvo0ller und vor allem bewegender Stummfilm von Frank Borzage aus dem Jahr 1928, mit einem der damaligen Traumpaare Hollywoods, Janet Gaynor und Charles Farrell.
Das Mädchen Angela wird in Neapel auf der Straße wegen eines Diebstahls verhaftet und dabei für eine Prostituierte gehalten. Eigentlich hat sie nur den Diebstahl gewagt, um Geld für die Medizin ihrer todkranken Mutter zu beschaffen. Ihre Bemühungen sind aber vergebens, die Mutter stirbt. Angela wird zu einem Jahr Arbeitslager verurteilt, kann aber von dort flüchten. Ein Zirkus nimmt sie auf der Flucht vor der Polizei auf. Als Gegenleistung verdingt sie sich als Artistin, wobei sie die Zirkusleute als ihre neue Familie annimmt. Bei einem "Bühnenwettstreit" lernt sie den Maler Gino kennen, der sich rasch in sie verliebt. Ihre Artistenkarriere endet jedoch, als sie sich bei einem Sturz das Fußgelenk bricht. Gino will mit ihr nach Nerapel gehen, um für beide ein neues Leben aufzubauen, das er mit seiner Malerei finanzieren möchte. Es scheint alles gut zu gehen, Gino bekommt ein gut bezahlten Auftrag, doch bald holen die Schatten der Vergangenheit Angela ein. Sie wird verhaftet, darf aber noch Abschied von Gino nehmen. Dieser weiß nicht, dass ihn die Trennung von der Geliebten erwartet, wenn sie sagt:" Kiss me, tomorrow is such a long time off." Ein Bild, das Gino von Angela gemalt hat und um dessen Ruhm er betrogen wird, ist am Ende der Schlüssel für die scheinbare Versöhnung der beiden am Ende des Films.
Mich hat der Film und vor allem die Story sowie das schauspielerische Talent der Hauptdarsteller zutiefst berührt. Gerade am Ende des Films war ich oft an das spätere "Bollywoodkino" erinnert, wenn die gegenläufige Handlung kein Ende zu finden scheint, weshalb ich in meiner Besprechung nur von einer scheinbaren oder vorläufigen Versöhnung sprechen mag, sind doch die "Einschläge" zuvor zu heftig gewesen.
Ohne die überzeugende Kameraarbeit Ernest Palmers sowie der immer wieder beeindruckenden Regie Frank Borzages hätten solche Emotionen aber sicherlich nicht bei mir ausgelöst werden können. Schon zu Beginn werden die Stimmungen und Emotionen für den Zuschauer greifbar, wenn der Zirkus in die Stadt kommt und man die Abneigung der Bewohner gegenüber dem "fahrenden Volk" sehen kann. Immer wieder gibt es nahezu 360°-Schwenke mit der Kamera, so dass das ganze "Spiel"-feld sichtbar und erlebbar wird. Düstere Bilder werden mit Licht und Kamera gezeichnet. Hier wird der Einfluss des deutschen Expressionismus deutlich, wenn Bühnenbild und Perspektiven zu erzählerischen Mitteln werden (zum Beispiel bei den Einstellungen kurz vor und nach dem Tod der Mutter).
Die von Janet Gaynor und Charles Farrell überzeugend gespielte Liebesgeschichte endet in einer Tragödie, alles ist dabei insbesondere auf der Gefühlsebene spür- und nachvollziehbar. So verlieren die Protagonisten auf dem Höhepunkt ihrer Liebe scheinbar alles und nur Dank des Herzens eines Polizisten ist es Angela möglich, sich von Gino mit den oben schon zitierten Worten zu verabschieden.
Als am Ende Gino seine Angela in Neapel sucht, gibt es noch einmal eine fantastische Kamerafahrt. Das Set, über das Charles Farrell eilt, scheint kein Ende zunehmen, Schnitte über lange Zeit Fehlanzeige.
Das ist unmittelbares, ergreifendes Kino!