Eigentlich müsste diese Serie wie folgt beschrieben werden: Wie eine revolutionäre sehr gute Serie den Boden unter den Füßen verliert und nur noch zu einem Propandawerkzeug mutiert.
Oder einfach nur: 24 auf türkisch.WOW!!!
RESPEKT!!!Natürlich kommt das Emotionale auch nicht zu kurz, weil er immer wieder mit der Schuld, die er auf sich nimmt, konfrontiert wird, oder weil er immer mehr seiner (auch neuen) Freunde sterben sieht.
An dieser Stelle ist die Serie sehr gut durchdacht, durchaus extrem spannend, in sich schlüssig, hat hohe Produktionswerte, kurz sie ist wirklich verdammt gut.Eine Mischung aus Donnie Brasco und 24, im besten Sinne.
Die ersten beiden Staffeln sind so gut, dass der Erfolg wirklich gerechtfertigt ist, die Propaganda hält sich in Grenzen und es gilt eine kohärente Geschichte zu Ende zu erzählen.Dass die Geschichte extrem gewalttätig dargestellt wird, erklärt sich ziemlich deutlich aus dem Sujet, und es gibt immer wieder Entscheidungen zu treffen, die genug Konfliktpotential bieten: Soll zum Beispiel ein ermittelnder aufrechter Staatsanwalt getötet werden, um die Tarnung des Hauptdarstellers nicht zu gefährden?
Auch ist festzuhalten, wenn man die erste Serie bis zum Ende schaut, dass von vornherein den Machern klar war, wie die Serie ausgehen sollte.Aber, und das ist ein riesengroßes ABER, irgendwann verlässt die Serie diese Pfade, wird zu einem Verschwörungsthriller, die Mafia ist lediglich das Instrument unbekannter Mächte, um die Türkei klein zu halten, alles was vorher war, wird ad absurdum geführt, es mündet in einer Schnitzeljagd a la Da Vinci Code, in der solche prominente Gaststars wie der tatsächliche amtierende Stattspräsident des türkischen Teils Zyperns zu Wort kommen, und weil die Serie auch so populär ist, darf man das Geld dafür verpulvern, Gaststars wie Andy Garcia und Sharon Stone Geld für wirklich peinliche Sprechrollen in den Rachen zu schieben.
Hierbei ist Andy Garcia der Anführer der Freimaurersekte, die die Welt beherrscht und die Türkei ist verdammt wichtig in diesem Schachspiel. Und Sharon Stone ist seine verruchte kleine Gattin, die es mag - dekadent wie sie ist - mit Menschen zu spielen. Und natürlich ist unser Hauptdarsteller ein interessantes Experiment für diese Superherrscher, weil er ja ein Supertürke ist.Damit nicht genug: Auch etwas merkwürdig ist die Darstellung gewisser Figuren als Helden: Wir haben beispielsweise einen Drogenbaron, der als Held angesehen wird, der keiner Fliege etwas zu Leide tun kann, natürlich nur solange es sich um gute türkische Fliegen handelt, ansonsten tötet er seinen eigenen Bruder oder sorgt dafür, dass sich ein absoluter Psychopath sich einen ganzen Tag lang an einem verfeindeten Gangsterboss austobt, so dass nur noch Fleischfetzen von dem Mann übrig sind.
Es geht eigentlich auch ohne diese Art der Gewalt.An mancher Stelle gibt es Straftäter, die es nur deshalb sind, weil sie von ihren Eltern misshandelt, -braucht (?) wurden usw.
Auch ist verwunderlich, wie schnell sich religiöse Motive in die Handlung einschmuggeln: Der Pflegevater des Protagonisten ist ein gebildeter Geistlicher, der immer irgendwelche dümmlichen Geschichten von sich gibt und dies alles als Weisheiten deklariert und alle sitzen wie gebannt vor dem Greis und vergöttern ihn. Erstens ziemlich nervig, zweitens trägt es nichts zur Handlung bei und drittens irgendwann ziemlich witzlos, weil vorhersehbar.Trotzdem gelingt es der Serie, die ganze Zeit über einen hohen Spannungsbogen aufrecht zu erhalten und einen bis zur letzten Sekunde gebannt zuzuschauen.
Auch wenn keinerlei Fragen beantwortet werden und die ganze Verschwörung im besten Falle als konfuser Mumpitz durchgehen dürfte.Nun ja, produktionstechnisch ist die Serie teilweise besser gewesen und auch spannungstechnisch ist dies ziemlich mau. Was damit genau bezweckt wird, außer den türkischen Nationalstolz zu entfachen, entschließt sich dem Zuschauer.
Sicher, es hat früher auch schon Propagandafilme aus aller Herren Länder gegeben, aber gesellschaftspolitisch waren es immer Filme gegen Klassenfeinde: Nazis, Sowjets, Kommunisten, Vietkong usw. Was also damit bezweckt damit werden soll, die Amerikaner und Juden zu verunglimpfen, ist schwer zu erahnen.Höchstens wenn man sagt: Dumpfes Crowdpleasekino, dann passt alles wieder, denn ohne jeglichen Tiefgang betrachtet wird eine nette Actionstory für einen netten Männerabend bei einer Pulle Bier zwischen dem nächsten Seagal und Snipes dargeboten.
Die neue Serie:
Oh Gottogott, jedes Wort hier ist ein Wort zuviel.Mit dieser Serie überschreitet diese Reihe endgültig die Grenze des guten Geschmacks, nur noch als ein Crowdpleaser-Event nach dem anderen wird dem Publikum eine großtürkische Saga aufgetischt, die wirklich sinnloser nicht sein kann, dabei aber dermaßen spannend und berechnend rüberkommt, das einem fast die Spucke wegbleibt.
Wie gesagt, Parallelen mit 24 sind durchaus dominant, jeder der nicht mit unseren Protagonisten ist, ist gegen sie, die Ziele der unsichtbaren Feinde sind die Zersplitterung der Türkei und das muß verhindert werden, und die Türkei muß auf jeden Fall, die große politische Rolle spielen, die sie in dieser Region auch tatsächlich haben könnte.Jeder Verbrecher, der ein aufrichtiger Türke ist, wird begnadigt, solange es ums große Ganze geht, egal was die Verbrechen.
Folter, Mord, Totschlag, Entführung, unter Drogen setzen, Paranoia, großtürkische Fantasien, blablabla,irgendwann geht es nicht mehr.
Genausowenig reflektiert wie Jack Bauer, oder bei mir: Das größte Monster des amerkinaischen Fernsehens als Held verkauft, agiert auch der türkische Superhero, der genauso charismalos und klein daherdackelt wie Kiefer Sutherland in seiner Paraderolle. Und genauso einen auf harten Hund macht. Eigentlich ein Witz.
So wie die einstmals sehr gute Serie.Mittlerweile ein schlechter Witz.
Und genauso wie Jack Bauer der wichtigste Amerikaner aller Zeiten wurde, ohne den das Abendland vor die Hunde geht (sehr freimütiges Zitat Williams Devanes aus Staffel 6 von 24) mindestens genauso wichtig für die Zukunft des Morgenlandes ist Polat Alemdar.
WOW.
Weitere Filme:
Seltsamerweise ebbt die Erfolgswelle dieses Monsters einfach nicht ab und es gibt mittlerweile in regelmäßigen Abständen Filme, die die Kuh weiter melken. Ob sie nun gut oder schlecht sind, sei alles mal dahingestellt, auch sind die Filme von unterschiedlicher Couleur, von Komödie (sehr seicht und mies) bis PolitThriller (noch mieser), aber der Erfolg gibt ihnen recht.Hitler- und DDR-Melodramen in Deutschland
Polit-Thriller im Pseudoverschwörungs-Gewand in den USAAnti-Imperialistisches Gesülze in China
Warum also nicht auch in der Türkei.Wer als westlicher Beobachter oder als mit Vorbehalten vollgespickter Pseudo-Links-Intellektueller erschrocken hiervon gleich Rückschlüsse auf ein ganzes Volk zieht, der hat die Mechanismen der Volksbelustigung nicht begriffen.