"Where is everybody? Where are the people?"
Ich habe ein Faible für spannende TV-Filme aus den 1970ern und 1980ern. Ich bin überzeugt davon, daß es in diesem Bereich noch so manche Perle gibt, die gut versteckt und von einer unscheinbaren Muschel umhüllt ihrer Entdeckung harrt. Filme wie Steven Spielbergs Duel (Duell, 1971), Dan Curtis' Trilogy of Terror (1975), Frank De Felittas Dark Night of the Scarecrow (Die Nacht der Vogelscheuche bzw. Die Rache des Gelynchten, 1981) oder Fred Waltons I Saw What You Did (Todesspiele) sind nur die Spitze des Eisbergs. Teil dieses ominösen Eisbergs ist auch John Llewellyn Moxeys Where Have All the People Gone, der das Ende der Welt, wie wir sie kennen, thematisiert.
Es hätte ein schöner, unbeschwerter Ausflug in die kalifornische Berglandschaft in der Nähe des Örtchens Rainbow sein sollen. Die Natur genießen, campen, jagen, die Höhlen in der Gegend erkunden, doch an diesem einen Sonntag im August ändert sich alles. Nicht nur für die Familie Anders, sondern auch für die Vereinigten Staaten von Amerika, vielleicht sogar für die gesamte Welt. Steven Anders (Peter Graves, Airplane!) befindet sich mit seinem Sohn David (George O'Hanlon Jr., The Evil) und seiner Tochter Deborah (Kathleen Quinlan, Event Horizon) - beide im höheren Teenager-Alter - gerade in einer Höhle, als das Unheil beginnt. Eine gewaltige Sonneneruption, welche die Welt für einige Momente in grelles Licht taucht, blendet nicht nur Stevens Freund und Begleiter Jim Clancy (Noble Willingham, Blind Fury), sondern verursacht obendrein noch ein kurzes, heftiges Erdbeben. Während das Entdeckertrio unversehrt die Höhle verläßt, hat Clancy wenig später mit einer unerklärlichen Schwäche zu kämpfen. Er fühlt sich so matt und energielos, daß er sich nicht mal mehr auf den Beinen halten kann. Kurz darauf ist er tot. Als die drei erneut nach ihm sehen, ist sein Körper verschwunden; lediglich seine Kleidung und eine feine, weiße, sandartige Masse sind zurückgeblieben. Da im Radio nur statisches Rauschen zu hören ist und sich auch auf ihre Funkversuche hin niemand meldet, machen sie sich auf den Weg zurück in die Zivilisation. Ziel ist ihr Zuhause in Malibu, wo - hoffentlich - Deborahs und Davids Mutter respektive Stevens Frau Barbara (Jay W. MacIntosh) gesund auf sie wartet.
Die Ausgangssituation dieses kleinen aber feinen TV-Movies ist ähnlich wie bei Thom Eberhardts kultigem Night of the Comet (Der Komet, 1984), wo an der Erde vorbeirasende Asteroiden dafür sorgen, daß die dem Spektakel beiwohnenden Menschen entweder zu Staub zerfallen oder sich in zombieartige Wesen verwandeln. Auch in Where Have All the People Gone zerfällt der Großteil der Menschheit zu Staub. Die Auflösung selbst ist zwar (wie bei Night of the Comet) niemals zu sehen, trotzdem sorgen die Ergebnisse des mysteriösen Zerfalls mitunter dafür, daß kalte Schauer langsam über den Rücken kriechen. Das effektivste Bild in dieser Hinsicht zeigt die Überreste eines Kleinkindes am grünen Rasen vor einem Haus; die am Boden liegende Kleidung, gefüllt mit weißem Sand, daneben eine umgekippte gelbe Plastikente sowie ein kleiner Ball. Die apokalyptische Stimmung wird generell gut eingefangen. Verstreute Kleidung, herumstehende Autos, unbewohnte Häuser, leere Straßen, eine gespenstische Stille (abgesehen vom Säuseln des Windes oder vom Quietschen eines Schildes - Musik kommt nur spärlich zum Einsatz), aggressive Hunde (nette Idee: die Hunde sind nicht gestorben, sie wurden wahnsinnig), traumatisierte Menschen. Moxey schildert das Ende der Welt recht nüchtern, humorlos und realistisch und in kleinem Rahmen anhand der Protagonisten Steven, Deborah und David, zu denen sich im Laufe des Filmes noch die schwer traumatisierte Jenny (Verna Bloom, High Plains Drifter) sowie der Waisenjunge Michael (Michael-James Wixted) gesellen. Daß nach so einem Ereignis nicht alle Menschen nett sind, liegt auf der Hand, wird hier aber nur einmal gezeigt (und ein paar Mal in Dialogen erwähnt).
Die Erklärung, was genau passiert ist und wieso einige Menschen überleben, mag schwer zu schlucken sein, aber das spielt im Grunde ja keine große Rolle, da es in erster Linie darum geht, wie sich eine Handvoll Menschen im Angesicht einer apokalyptischen Naturkatastrophe verhält. Die Angst, die Ungewißheit, das Unverständnis, die Verzweiflung, das alles transportieren die verschiedenen Schauspieler/innen gut rüber. Und man fragt sich unwillkürlich, wie man sich wohl selbst in einer solchen Situation verhalten würde (Nun, vielleicht nicht ganz so naiv, schließlich sind uns ruppige Endzeitstreifen wie Mad Max 2 (Mad Max 2 - Der Vollstrecker) oder I nuovi barbari (Metropolis 2000) nicht unbekannt). Sehr erfreulich ist auch, daß die Drehbuchautoren Lewis John Carlino und Sandor Stern das triste Schreckensszenario nicht mit einem aufgesetzten Happy End verwässert haben. Mit Action, Spezialeffekten und anderweitigen Schauwerten hält sich Where Have All the People Gone vornehm zurück; dafür punktet er mit solide charakterisierten und gut gespielten Figuren, mit einer apokalyptischen Atmosphäre, mit ein paar schönen Suspense-Sequenzen und zwei oder drei sehr eindringlichen Momenten. Jennys Schilderung, was mit ihren Kindern passiert ist, beeindruckt ebenso wie die Szene, in der Michael von zähnefletschenden Hunden belagert wird. Gegen Ende wird es noch einmal emotional und dramatisch, bevor der knapp über siebzig Minuten lange Film mit einer leicht hoffnungsvollen Note versehen ausklingt.
Regisseur John Llewellyn Moxey, ein gebürtiger Argentinier, Jahrgang 1925, begann seine Karriere im Jahr 1955. Sieht man mal von der einen oder anderen Ausnahme ab (wie z. B. seinem brillanten Schauerstück The City of the Dead aka Stadt der Toten), drehte er fast ausschließlich, dafür ungeheuer emsig, fürs Fernsehen. Er inszenierte sowohl ein paar Episoden von verschiedenen TV-Serien als auch zahlreiche Fernsehfilme, letztere vorwiegend im Krimi/Thriller/Horror-Bereich. So finden sich in seiner Filmographie kaum bekannte Arbeiten wie The House That Would Not Die (Das Geisterhaus, 1970), A Taste of Evil (Der Hauch des Bösen, 1971), Panic in Echo Park (Stoner - Der Tod kommt ohne Warnung, 1977), Intimate Strangers (1977), No Place to Hide (Schatten des Bösen, 1981), Killjoy (Killjoy - Mörderische Begegnung, 1981), The Cradle Will Fall (Satan in Weiß, 1983), Through Naked Eyes (Nachts, wenn der Tod lauert, 1983), When Dreams Come True (Traum des Schreckens, 1985) oder Deadly Deception (Die Spur des Bösen, 1987). Ob die alle von einem ähnlichen Kaliber wie Where Have All the People Gone sind, werde ich wohl nie herausfinden, aber ich hoffe doch, daß zumindest der eine oder andere noch den Weg zu mir finden wird. Denn, wie eingangs schon erwähnt: Ich habe ein Faible für spannende TV-Filme aus den 1970ern und 1980ern. Und diese Titel klingen allesamt nun wirklich nicht unspannend.