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Der englische Begriff „alien“ steht für fremd, andersartig, seltsam. Die damit verbundenen Assoziationen reichen von Unkenntnis, Unverständnis bis hin zu Gefahr und Bedrohung. So gesehen ist „Alien“ ein genialer Titel für einen Science-Fiction-Film über ein unbekanntes Wesen. Als Zuschauer ist man entweder neugierig, angespannt, oder möglicherweise bereits beunruhigt, je nach persönlicher Interpretation des Begriffs.
Regisseur Ridley Scott macht sich diese breite Spektrum an potentiellen Erwartungshaltungen zu Nutze und lässt sein Publikum lange Zeit im Unklaren über Aussehen, Motive und Eigenheiten des Wesens. Allerdings macht er von Beginn an deutlich, dass etwas Unheilvolles in den Tiefen des Weltraums lauert. Die spärliche Instrumentierung zu den Anfangscredits verbreitete durch ihre Disharmonien eine bedrohliche und düstere Grundstimmung, die konsequent bis zum Abspann durchgehalten wird. So ahnt man bereits beim Vorspann, dass der Besatzung des Raumfrachters „Nostromo“ eine besonders unheimliche Begegnung der dritten Art bevorsteht.

Score, Bildsprache und Drehbuch bilden eine perfekt miteinander harmonierende Einheit des Grauens. Die für sich genommen recht simple Geschichte verläuft lehrbuchmäßig auf einer sich zwar langsam, aber stetig steigernden Spannungskurve, die in der finalen Konfrontation zwischen Heldin und Monstrum kulminiert. Mit jedem Plotbaustein rückt die Mannschaft dem unausweichlichen Verderben einen Schritt näher.
Alles beginnt mit einem mysteriösen Notsignal, das den Schiffscomputer dazu veranlasst die Besatzung der Nostromo aus dem Kälteschlaf zu wecken und den Kurs in Richtung Ursprung des Signals zu ändern. Auch die Ankunft auf dem unwirtlichen Planeten sowie die Entdeckung eines fremdartigen Raumschiffs lassen nichts Gutes erahnen. Das riesenhafte Skelett des Piloten mit deutlich erkennbar zerborstener Brustplatte sowie ein riesiges Areal Fassgroßer Eier im Schiffsrumpf verstärken diesen Eindruck.
Geschickt platziert Scott auf dem Höhepunkt der Spannung den ersten Schockmoment, als das Besatzungsmitglied Kane von einem Facehugger angegriffen wird. Das handtellergroße, klauenähnliche Wesen springt aus einem geöffneten Ei, durchbricht das Glasvisier des Helms und saugt sich am Gesicht seines Opfers fest. Sämtliche Attribute der gefährlichen Spezies werden hier bereits deutlich: seine ausgeprägte Aggressivität und Angriffslust, gepaart mit enormer Geschwindigkeit und tödlicher Effizienz. Das volle Ausmaß der über die Ahnungslosen hereinbrechenden Katastrophe wird aber erst wenige Szenen später deutlich.

Der Facehugger ist von selbst abgefallen und hat keine sichtbaren Schäden hinterlassen. Als die Mannschaft beim Essen zusammensitzt zeigt der eben aus dem Koma erwachte Kane einen gesunden Appetit, bis das Grauen im wahrsten Wortsinn aus ihm herausbricht. Zunächst schient Kane sich lediglich verschluckt zu haben, was allerdings kaum sein darauf folgendes Winden unter größten Schmerzen erklärt.
Hier kommt der Schock nicht plötzlich, sondern mit Vorankündigung. Trotzdem ist  man zunächst paralysiert ob der eruptiven Gewalt und Brutalität mit der sich das Alien den Weg durch Kanes Brust bahnt. Die Darsteller waren ebenfalls nur fragmentarisch über Ablauf und Ausgang der Szene informiert, um die fassungslosen Reaktionen möglichst real wirken zu lassen. Mit blankem Entsetzen erkennt die Crew, dass Kane der Spezies als Wirt gedient hat.
Scotts Bildästhetik unterstreicht die verstörende Wirkung geschickt. Die vorherrschend Farbe in dieser Sequenz ist weiß. Die Messe ist hell ausgeleuchtet, Wände Mobiliar sowie Kleidung werden von weiß dominiert. In diese Szenerie der Reinheit und des Friedens platzt der fremdartige Organismus, greift sie quasi von innen heraus an und zieht eine deutlich sichtbare Blutspur nach sich. Als sich die Mannschaft am sichersten fühlt und gesellig beisammensitzt, wird sie mit brachialer Wucht angegriffen. Die völlige Ohnmacht des Menschen gegenüber der außerirdischen Spezies wird hier auch visuell klar herausgearbeitet.

Die Crew scheint dem ständig wachsenden und mordenden Biest hilflos ausgeliefert. Technik und Rationalität ziehen eindeutig den Kürzeren gegenüber barbarischem Horror und aggressivem, triebgesteuertem Handeln. Das Oscar-prämierte Alien und Setdesign des Schweizer Künstlers H.R. Giger unterstreicht diesen Gegensatz eindrucksvoll. Das Alien erscheint als Mischung aus Reptil und Insekt und bedient dabei die Urängste bzw. die gängige Vorstellung von Ekel vieler Menschen. Zudem gibt es zahlreiche Szenen die eindeutig sexuell motiviert sind (phallische Einstellungen, Befruchtung, Penetration) und die Triebhaftigkeit des Wesens unterstreichen.
Am Ende ist es eine Frau, die das Grauen überlebt und die Kreatur besiegen kann. Hätte die Mannschaft auf Lt. Ripley gehört - sie bestand als Einzige auf Einhaltung der Quarantänevorschriften und wollte den infizierten Kane nicht an Bord lassen -, wäre ihr die tödliche Begegnung mit dem Monster sogar gänzlich erspart geblieben. Ripley verkörpert Werte wie Vernunft, Tatkraft und Ausdauer und verfügt damit über klassische männliche Heldenattribute. Eine deutliche Umkehrung bis dato etablierter und gängiger Genre-Konventionen.
Die zu diesem Zeitpunkt noch relativ unbekannte Sigourney Weaver spielt Lt Ripley als zurückhaltenden, aber prinzipientreuen und geradlinigen Charakter. Es dauert eine Weile, bis sich das Publikum mit ihr identifizieren kann und bis ihre Protagonistenrolle erkennbar wird.

Der weibliche Held ist nicht die einzige Abkehr von etablierten Science-Fiction-Topoi. Der bereits erwähnte inhaltliche Abgesang auf Technikgläubigkeit und Fortschrittsgedanken wird durch das schmuddelige Aussehen der Nostromo und ihrer Mannschaft auch optisch umgesetzt. Das insbesondere in Star Trek positiv besetzte Motiv der Erforschung fremder Welten und Spezies ist hier ausschließlich mit Gefahr, Bedrohung und Tod verbunden. Ein letztlich überaus galliger Kommentar zu uramerikanischen Werten im Allgemeinen und dem Frontier-Gedanken im Speziellen.

Alien hat Filmgeschichte geschrieben und den Science-Fiction-Horror auf ein völlig neues Level gehoben, an dem sich bis heute sämtliche Epigonen messen lassen müssen. Bis dato waren außerirdische Filmmonster meist zum Brüllen komisch gewesen und die Entscheidung sie nur schemenhaft, oder gar nicht zu zeigen, in jedem Fall die Klügere. Mit Gigers Kreatur war das Grauen nun auch visuell in umgeahnte Dimensionen vorgedrungen.
Für Ripley-Darstellerin Sigourney Weaver und Regisseur Ridley Scott begann jeweils eine beispiellose Karriere, wobei beide mit ihren Filmen nicht mehr allzu häufig jene Perfektion erreicht haben, die Alien auszeichnet. Optik, Akustik und Dramaturgie verschmelzen zu einer Symphonie des Grauens. Am Ende steht ein zeitloser Klassiker. Ein nervenaufreibender Schocker par Excellence und ein Referenz-Werk des Spannungskinos.

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