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Ein alter Weltraumfrachter, eine grobe, zusammengewürfelte Crew und ein Alien-Monster, das sie einen nach dem anderen dezimiert – aus einer simpelst möglichen Story macht Ridley Scott mit seinem zweiten Langspielfilm einen zeitlosen Klassiker des Science-Fiction-Horrors und ein annähernd perfekt inszeniertes Meisterwerk für die Ewigkeit.

Viel von der auch knapp 50 Jahre später intensiven Wirkung dieses Films ist dem phänomenalen Setdesign zu verdanken: Die industriell unpersönlichen, dreckig heruntergekommenen, düsteren Settings des schmutzigen Weltraumfrachters, die lebensfeindliche Außenwelt des fremden Planeten, von dem ein Notsignal ausgegangen ist, die surreal-bizarren Hintergründe des Alien-Raumschiffs, in dem die Besatzung die verhängnisvollen Eier findet – mit großem Aufwand wurde hier eine Szenerie irgendwo zwischen finsterer Industrieanlage und dystopischer Zukunftsvision entwickelt. Hier ist die schöne neue Welt, wie sie in den großen Science-Fiction-Erfolgen der 70er glänzend und sauber zu bestaunen war, bereits wieder alt und verbraucht, und das spürt man in jeder Einstellung. Auch die handgemachten Spezialeffekte erzeugen ein Höchstmaß an Düsternis und Beklemmung, zeigen gigantomanische Maschinerien, die träge und langsam vor sich hin arbeiten. Oft genug funktioniert auch die Technik an Bord nicht; die aus heutiger Sicht herrlich anachronistischen Technikvisionen der ausklingenden 70er zeigen für uns veraltete Computertechnik als umständliche Prozessoren, mit denen eher gekämpft als gearbeitet wird. Alles an „Alien“ wirkt wie ein dunkler Gegenentwurf zu den High-Tech-Welten etwa eines „2001 – Odyssee im Weltraum“ oder gar des „Star Trek“-Franchise.

Diese grandios beklemmenden Settings werden formal brillant eingefangen. Schon die Einleitungsszene ist ein Paradebeispiel für intelligenten Aufbau von Atmosphäre: Minutenlang gleitet die Kamera durch die menschenleere Flure des Raumfrachters „Nostromo“, zeigt zu düsterer Musik dunkle Gänge, leere Cockpits und vor sich hin summende Computer, bevor die Crew aus ihrem Kälteschlaf geweckt wird und die Handlung einsetzt. Die erste Hälfte des Films ist von einer großen Entschleunigung geprägt – in genüsslich ausgebreiteten Kameraeinstellungen und mit einer langsamen Schnittfrequenz werden die einzelnen Crewmitglieder vorgestellt, ihr ungemütlicher Arbeitsplatz präsentiert und zwischenmenschliche Problemfelder wie sexistische Anzüglichkeiten oder klassenkämpferische Reibereien gezeigt, die von Anfang an emotional aufreibende Untertöne in den Film einfließen lassen. Es ist vor allem diese ostentative Langsamkeit, die „Alien“ zu einem Meisterwerk an Atmosphäre werden lässt.

Wobei diese Langsamkeit irgendwann an ihr durchdachtes Ende gelangt: Nach der ultraradikalen Eskalation des berühmten „letzten Abendmahls“ werden Tempo und Drastik formal und inhaltlich sukzessive gesteigert, bis hin zum albtraumhaften, tief unheimlichen Hochspannungsfinale. So simpel der Weg dorthin inhaltlich auch sein mag – von nun an wird ein Crewmitglied nach dem anderen grausam dahingerafft – so visuell und atmosphärisch packend wird er gestaltet. Der Trick, das schrecklich schleimige Alien-Monster die meiste Zeit kaum richtig zu zeigen, erzeugt ein Höchstmaß an Unbehagen und Spannung, die Attacken erfolgen oft schockierend und grausam, und obwohl für heutige Sehgewohnheiten kaum direkte Gewalt gezeigt wird, entwickelt sich schnell eine beklemmende Stimmung der Angst. Das ist nicht nur dem brillanten, tief in die Popkultur eingegangenen Creature-Design des Schweizers H. R. Giger zu verdanken, sondern auch der überaus klugen Regie Ridley Scotts, der aus diesem Slasher-Streifen im Weltall einen psychologischen Thriller mit Albtraum-Anleihen macht.

Und bei all der visuellen und inszenatorischen Raffinesse und düsteren Überwältigungsstrategie ist eines natürlich nicht zu vergessen: Mit Sigourney Weaver entwirft „Alien“ die erste Actionheldin in der Geschichte Hollywoods. Gegen den Willen der Produzenten besetzte Scott die zentrale Rolle mit einer Frau, die sich nicht als Final Girl angstvoll in Ecken zusammenkauert, sondern von Anfang an versucht, mit Härte und Klugheit gegen die Bedrohung vorzugehen. Dass ihre Befehle ignoriert werden, sie von den männlichen Möchtegernhelden an der Ausführung einzelner Aufträge gehindert wird und sie sich permanent im Kampf mit den Machos der Crew befindet, macht sie zur taffen Heldin, die bis zum drastischen Finale immer wieder neue Ideen gegen das Monster findet.

„Alien“ ist weit mehr als nur ein gut gemachter Horrorfilm – das zeigt sich schon daran, dass es noch so viel mehr zu erzählen gäbe: Schon hier wird das Motiv des nicht vertrauenswürdigen Androiden etabliert, das sich durch das gesamte Franchise ziehen sollte; die subversiven inhaltlichen Elemente einer so dreckigen Zukunft machen den Film auch zum politischen Statement; die Ästhetik des Schreckens, die in den Folgefilmen so grandios ausgebaut wurde, findet sich schon hier in Reinkultur; auch der Score zeigt eindrucksvoll, wie man hintergründig zur Intensität eines Films beitragen kann; die tolle Besetzung der Crew zeigt durch die Bank Spitzenleistungen; und die kammerspielartige Kulisse trägt ebenfalls viel zur klaustrophobischen Hochspannung bei. Trotz seiner an sich simplen Handlung funktioniert „Alien“ auf so vielen Ebenen gleichzeitig, dass er bei jedem Wiederansehen ein neuer Genuss ist. Mit diesem frühen Höhepunkt seines Schaffens inszenierte Ridley Scott ein annähernd perfektes Monstrum von einem Film, das immer wieder tief in seinen Bann ziehen kann. Ansehen nicht nur für Genre-Fans unbedingt Pflicht!

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