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Die Geschichte von TISCHLEIN DECK DICH sollte eigentlich jedem bekannt sein. Ein Schneider hat drei Söhne, die die Zwischentitel des Films liebevoll der Lange, der Dicke und der Dumme nennen. Weil der arme Schneider keine Arbeit für sie hat, beschließen sie, ihr Glück in der weiten Welt zu versuchen. Aufgeteilt ist der Film in ein Vorspiel, das mit der Verabschiedung der drei Söhne von ihren Gattinnen endet, und drei Bildern, deren erstes dem Schicksal des Langen gewidmet ist. Ihm begegnet das Waldmännchen, das ihn für ein Jahr in seiner Hütte behält und ihm das Zimmermannshandwerk nahebringt. Zum Abschied schenkt es ihm aufgrund seiner kulinarischen Interessen und seines schier unersättlichen Appetits einen magischen Tisch. Ruft der Lange aus, dass der Tisch sich decken soll, deckt er sich, und zwar mit den köstlichsten Speisen und Weinen. Leider ist der Lange dumm genug, dieses Kunststück im nächsten Gasthaus vorzuführen, was der hinterhältige Wirt nutzt, um des Nachts den magischen Tisch mit einem zu vertauschen, der ihm bis ins Detail gleicht. Zurück bei seinem Vater muss der Lange feststellen, dass sein Tisch alle magischen Kräfte verloren zu haben scheint, und der Schneider, der das gesamte Dorf zusammentrommelte, blamiert sich bis auf die Knochen. Die Geschichte wiederholt sich beim Dicken. Dieser zeichnet sich durch Geldgier aus, und erhält vom Waldmännchen, bei dem er ebenfalls für ein Jahr zur Lehre geht, einen Esel, der auf den Ruf, dass er sich strecken soll, statt Exkrementen Goldstücke zur Erde fallen lässt. Wieder gerät er an den Wirt und wieder bemächtigt der sich des Geschenks, indem er den Esel mit einem andern vertauscht. Beim dritten Sohn, dem Dummen, der trotz seines Namens eigentlich gar nicht besonders dumm, sondern der klügste des Trios zu sein scheint, erfindet das Waldmännchen, das auch ihn für ein Jahr in seiner Hütte aufnahm, eine List, setzt ein Schreiben auf, das angeblich von seiner Familie stammt, und in dem er aufgerufen wird, das geraubte Gut der Brüder zurückzufordern. Hierfür erhält der Dumme einen Knüppel in einem Sack, der auf den Zauberspruch hin herausschlüpfen und seine Feinde gehörig verprügeln soll. Der Wirt bezieht ordentliche Hiebe und der dritte Sohn zieht mit allen Waldmännchengeschenken zu seiner Familie, wo der Film in einem rauschenden Fest endet.

TISCHLEIN DECK DICH wurde von Wilhelm Prager inszeniert, der später Dokumentationen mit interessanten Titeln wie JAGD-REITEN. EINE REITJAGD DER HEERESREIT- UND FAHRSCHULE HANNOVER drehte und sonst innerhalb der Filmgeschichte nie wirklich von sich reden machte. Auch seine Verfilmung des Grimm-Märchens ist sicherlich kein besonders wichtiger Stummfilm der Weimarer Zeit, immerhin jedoch eine kurzweilige, unterhaltsame Angelegenheit, die man sich heute allerdings wahrscheinlich nur aus nostalgischen Gründen anschaut. Dem Film ist ein gewisser Charme nicht abzusprechen. Die Szenen mit dem Waldmännchen haben mir allesamt recht gut gefallen und obwohl der Humor ein biederer, verstaubter ist, lädt manche Idee zumindest zum Schmunzeln ein. Am witzigsten ist wohl die zweite Episode, die sich um die Abenteuer des Dicken rankt. Wie der Dicke vom Wirt, den Prager, der zeitweise auch als Schauspieler in Erscheinung trat, selbst spielt, betrunken gemacht wird oder wie der Wirt einen eigenen Esel so einfärbt, dass er dem Goldesel haargenau gleicht, fand ich recht amüsant, der Höhepunkt des Films ist jedoch die anschließende Szene, wenn der Dicke mit seinem Esel nach Hause zurückkehrt und seinem Vater von den besonderen Fähigkeiten des Tiers berichtet. Der Schneider gebärdet sich sofort wie ein Wahnsinniger und verlangt, obwohl er aus den Erlebnissen mit seinem ersten Sohn hätte lernen sollen, keinen Beweis dafür, dass es sich bei dem Tier wirklich um einen Goldesel handelt. Seine anschließende Jagd quer durchs Dorf, wo er sämtliche Leute zu sich einlädt, tobt, kreischt, Brücken und Türgriffe zerstört, ist dermaßen over the top, dass Worte kaum ausreichen, um sie zu beschreiben. Ansonsten bleibt der Film frei von solchen Ausbrüchen. Die Spezialeffekte, die den Namen eigentlich nicht verdienen, sind freilich leicht zu durchschauen und versprühen gerade dadurch einen gewissen Charme. Am witzigsten fand ich den Knüppel, der offenbar an Fäden bewegt wird, oder die Szenen, in denen suggeriert wird, dass der Esel sich um einen Haufen Goldstücke erleichtert. Die Zwischentitel beschränken sich aufs Nötigste, meist kurze Orts- oder Zeitangaben, und von den Darstellern ist mir keiner negativ aufgefallen. Schade finde ich jedoch, dass man die sprechende Ziege des Originals nicht in den Film übernahm, die mir in dem Märchen eigentlich immer am besten gefallen hat.

TISCHLEIN DECK DICH muss man nicht unbedingt gesehen haben, bereuen wird man es aber wahrscheinlich nicht. Wenn man etwas mit Stummfilmen anfangen kann, die nicht mehr als unterhalten wollen, dann kann man allein wegen der Overacting-Tour-de-Force des Schneiders einen Blick riskieren.

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