Eine Kritik von Professor Moriarty (Bewertung des Films: 8 / 10) eingetragen am 19.01.2007, seitdem 1068 Mal gelesen
Die Momentaufnahme. San Francisco, tausende Leute bewegen sich auf den Straßen, Schwarze und Weiße, Asiaten. Die Bilder zeigen verschiedene Schichten, arm und reich vereint in einem Schmelztiegel. Inmitten darin befinden sich Chris Gardner (Will Smith) und sein Sohn Christopher (Jaden Smith). Chris erzählt seine Geschichte, "Das Streben nach Glück". Nach einer wahren Begebenheit. Vom Tellerwäscher zum Millionär - der amerikanische Traum.
Der Stoff eignet sch für großes Hollywood-Pathos-Kino und das wird einige schon im Vorfeld abschrecken. Die Amerikaner mit ihrem Faible für Underdogs, den Beispielen, die eine traumhafte Illusion aufrechterhalten. Ein tieferer Blick würde allerdings nicht schaden, bevor das Urteil schneller gebildet ist, als die fünf Minuten Terrine in eben besagter Zeit zur Zwischenmahlzeit wird.
Regisseur Gabriele Muccino zeigt mehr als nur die Verwirklichung eines Traumes. Die vereinigten Staaten sind ein Land der Kontraste mit Ecken und Kanten. Gardner fängt nicht bei Null an, er ist Vertreter hat einen Sohn und eine Frau. Es lief gut doch dann folgte die Flaute mitten in der Reagan-Ära zu Beginn der 80er Jahre. Die Idee des Apparates zur Messung der Knochendichte ist für seine Kunden, den Ärzten, purer Luxus. Der Vertreter ist auf der Suche nach Abnehmer. Gleichzeitig wird der finanzielle Rahmen immer enger. Es keimt die Verzweiflung in ihm. Seine Frau schiebt Doppelschichten, aber die Rechnungen werden nicht weniger. Chris läuft dem Rückstand hinterher, ohne dabei langfristig aufzuholen. Die Situation eskaliert, plötzlich steht der Protagonist ohne alles da. Der Gong zur ersten Runde im Boxkampf, um sein eigenes Leben ertönt. Auf seiner Seite steht der Traum, im Investmentgeschäft Fuß zu fassen und sein Sohn, den er um alles in der Welt liebt.
Der Gegner ist aber stark. So lukrativ die USA mit ihren zum Himmel ragenden, luxuriösen Wolkenkratzer wirken, am Boden der Tatsachen sieht die Sache oftmals anders aus. Fällt man, dann richtig und mitunter ins bodenlose. Chris passiert es. Es gibt kein soziales Netz, das den Verlierer auffängt und ausreichend rehabilitiert. Der Protagonist steht im Zwiespalt, zwischen der Praktikumschance durch eine erfolgreiche Bewerbung bei einer Investmentfirma und dem alltäglichen Pflichtbewusstsein gegenüber seinem Sohn. Ein Anzugträger ist auf der Suche nach einer Notunterkunft. Das klingt dramatisch - ist es auch. Manch einer sieht hier Pathos, aber das Leben sucht sich keine Darstellungsform aus. Regisseur Muccino drückt auch nicht außerordentlich auf die Tränendrüse, Chris erzählt sein Leben aus dem Off in Episoden, ohne dabei um Mitleid zu wimmern. Ausdrucksstark wird es erst, wenn man Will Smith die Verzweiflung, als gebrochner Mann im Gesicht ablesen kann. Dann sieht man, wie talentiert der US-Amerikaner als Schauspieler bzw. Charakterdarsteller ist. Die Geschichte ist geradlinig, wendungsfrei, weil man zweifelsohne erahnen kann, wie es ausgeht. Es ist aber keine Story, die konstruiert ist, sondern die das Leben geschrieben hat. Mitten in Amerika, den Land der Träume und Gegensätzlichkeiten.
Das Bild vom Mann, der tagsüber im Anzug um eine Anstellung als Börsenmakler kämpft und sich nach Dienstschluss mit seinem Sohn auf die Suche nach vier Wänden begibt, ist die bildhafte Ironie. Arm ist, wer verzweifelt ist. Kein Erscheinungsbild täuscht darüber hinweg. Der Schmerz durchdringt Gardner, jeder Tag wird zum Kampf, ums überleben. Dennoch hat er nie vergessen, welche Pflichten zu erledigen sind. Der eigene Sohn ist für ihn alles, seine Stütze ist nicht nur der größte Halt, sondern gleichzeitig auch die Motivation den freien Fall zu beenden. Das Leben von Gardner ist eine Parabel, an deren Nullpunkt er längst angekommen ist. Tiefer geht es nun nicht mehr. Die Chance für den sukzessiven Aufstieg nutzt Chris, weil er zu sich selbst findet, das Bewusstsein für seine Situation entwickelt und nicht mehr das Hier und Jetzt verdrängen kann. Die Kirche und der Glauben sind nur mehr Opium, das die Realität verzehrt.
Die Chance zum Aufstieg bietet ihm ein Land, das für den krassen gesellschaftlichen Gegensatz. Gardner war lange dazwischen, als Vertreter, irgendwo zwischen Reichtum und Armut. Genau genommen war es eine absehbare Zwischenphase, weil der Zustand im Land der Polaritäten schwer aufrechtzuerhalten ist. Die vereinigten Staaten mit all ihren Schwächen und Stärken. Am Boden liegend strebt jemand nach Glück, weil der letzte Funken, die Hoffnung, noch nicht erloschen ist. Das ist wahrhaftig ein Stück Glückseligkeit.
So ist Muccinos "Das Streben nach Glück" nicht nur biographisch oder die Visualisierung des amerikanischen Traums, sondern auch eine Momentaufnahme der 80er Jahre unter der Präsidentschaft von Ronald Reagan, der seinerzeit den Grundstock für die große Kluft zwischen Arm und Reich gelegt hat. Die Mittelschicht, zu der Gardner gehörte, wurde sukzessiv wegrationalisiert. Die Verlierer blieben entweder in ihren Rollen oder strebten nach Glück. Der Protagonist ist einer von wenigen, die den Aufstieg schafften. Er war wirklich im bodenlosen. Das macht seine Geschichte so interessant. Dramatisch wird sie durch Vater und Sohn Smith. In den Straßen San Franciscos ist weit mehr als der Pathos rund um den amerikanischen Traum. (8/10)
Unser News-Bereich wurde überarbeitet und wird in Kürze weiter ausgebaut werden, damit Sie stets aktuell über alle Neuigkeiten rund um die Welt des Films informiert sind.