Warum lachst du nicht, Curtin? Das ist ein ganz großer Spaß vom lieben Gott oder vom Schicksal oder vielleicht auch vom Teufel, wenn du willst. Wer sich das ausgedacht hat, er hat wenigstens Sinn für Humor. Das Gold ist wieder zum Berg zurückgekehrt, wo wir es fanden.
Und sie lachten.
Nein, sie kreischten. Sie kreischten vor Belustigung, so stark, dass sie sich hinsetzen mussten.
Es war Sigmund Freud, der mal sagte, dass Humor, besonders derjenige von der Sorte “Galgen”, eine mögliche Verhaltensweise des Menschen ist, das eigene Unglück leichter zu nehmen. Der Mensch entwickelt die Fähigkeit, sich selbst von außen zu beobachten und über die tragische Figur, die er da sieht, zu lachen - so ist der Verlust nicht mehr ganz so schmerzhaft.
Für B. Traven muss das wirklich ein Himmelsgeschenk gewesen sein, eine Gabe, der Inbegriff der Menschlichkeit. Der in den USA geborene, aber lange in München lebende Schriftsteller, der immer nur unter seinem Pseudonym in Erscheinung trat (angeblich sollen “B. Traven” und der Schauspieler Ret Marut ein und dieselbe Person gewesen sein), siedelte nach dem amerikanischen Bürgerkrieg nach Mexiko über und schuf hier auch den Großteil seiner Werke.
“Der Schatz der Sierra Madre” ist eine eindeutige Anklage gegen den Kapitalismus und damit eine direkte Reaktion auf die gesellschaftlichen Umstände, die Traven in Mexiko vorfand: Großindustrielle, als habgierig beschriebene Unternehmen, die kleine Arbeiter ausbeuteten.
Der Buch-/Filmtitel könnte auf einen speziellen Schatz hindeuten, der irgendwo in der Wüste verscharrt ist. Er verspricht beinahe eine Mischung aus Western und Piratenabenteuer. Doch das Gegenteil ist der Fall; es wird kein Mythos gestrickt, keine Truhe voller Goldstücke und Schmuck im ikonischen Sinne steht im Zentrum, sondern die generelle Ausbeutung eines ganzen Gebietes, das Abtragen eines ganzen Berges. Egoistische Profitorientierung wird einer Analyse unterzogen, nicht die mythologische Faszination, die der klassische Goldschatz als dramaturgische Anhäufung auf einen Abenteurer ausüben kann.
John Huston schuf einen Klassiker, als er seinen eigenen Vater Walter gemeinsam mit Humphrey Bogart und Tim Holt in die mexikanische Wüste schickte, um die Suche nach Goldstaub in gewisser Weise wie eine Willensprüfung zu inszenieren.
Einleitend begleitet man einen heruntergekommenen Fred C. Dobbs (Bogart) in eine kleine mexikanische Stadt, nach Pennys bettelnd. Dreimal spricht er den gleichen Mann an (Regisseur John Huston in einem Cameo), der ihm irgendwann rät, doch bitte mal jemand anders nach Geld zu fragen. Als er das macht, bekommt er prompt einen Job angeboten, den er leicht misstrauisch auch annimmt. Und das Misstrauen ist auch berechtigt: Der Arbeitgeber versucht, die Bezahlung auszusetzen und zu verschwinden. Doch das lassen die Arbeiter sich nicht gefallen. Mit dem durch Gewalt geforderten Lohn heuern er und ein Kollege aus dem Arbeitslager (Tim Holt) einen alten Mann (W. Huston) an, der als junger Kerl viel Erfahrung bei der Suche nach Gold gesammelt hat und bereit ist, ein letztes Mal sein Glück herauszufordern. Zu dritt investieren sie in Esel und Werkzeuge und ziehen in die von Räubern und Nebenbuhlern besetzte Wüste...
Die ganze Geschichte legt Huston an wie eine große Glücksspiellotterie. Reichtum wird als eine zeitlich begrenzte Variable dargestellt und der Erfolg ist nur den Risikofreudigen beschieden, die aber ebenso schnell wieder alles verloren haben können, was sie ernteten. Tatsächlich wird Bogarts Figur exemplarisch zu Beginn von einem Jungen dazu gedrängt, ein Lotterielos zu kaufen - und gewinnt wider Erwarten. Doch der Gewinn wird gleich wieder reinvestiert, um exponentiell größere Gewinne zu erzielen. Geschickt wird also ein Miniaturmodell des Kapitalismus errichtet, noch in der gleichen Szene aber dessen Auswirkung gezeigt, wenn man es mit der Gier nach Profit übertreibt: Der alte Mann, inzwischen weiser geworden, sitzt nun abgehalftert in einer Bar, nachdem er als junger Kerl bereits genug Geld gemacht hatte, dass er sein ganzes Leben damit hätte bestreiten können.
Interessant ist vor allem die Besetzung des Fred C. Dobbs mit Humphrey Bogart, denn Bogart war dem Publikum inzwischen bekannt als harter Hund, der seinen Prinzipien stets treu blieb, auch wenn die Prinzipien nicht immer ganz sauber waren. Zu Beginn scheint Bogarts Charakter diesen Ruf auch zu bestätigen, spricht er doch selbstbewusst davon, dass er immun wäre gegen die Gier, die den Menschen triebe. Würde er in der Wüste Gold im Wert von 25.000 Dollar finden, würde es ihm reichen - auch, wenn noch eine zusätzliche Million herumläge.
Die Wahrheit dieser Aussage zu überprüfen, macht sich “Der Schatz der Sierra Madre” zur Aufgabe. Zwischen Bogart, Huston und Holt entwickelt sich mit der Zeit ein interessantes Charakterdiagramm, das unterschiedlicher ausschlägt, je länger die drei Männer in der Wüste sind und je mehr Gold sie geschürft haben. Einstmals als selbstverständlich angenommene Sachverhalte werden plötzlich zum Problem: Wird zuerst alles gesammelt und bei der Rückkehr gerecht aufgeteilt oder wird die Teilung des Ertrags pünktlich an jedem Abend vorgenommen? Wenn alles gesammelt wird, wem überträgt man dann die Verantwortung für die Aufbewahrung des Goldes? Wer geht Wasser holen? Wer schiebt Wache? Wer ist eigentlich der zuverlässigste der drei Männer? Der alte Mann, weil er ohnehin nicht mehr die Kraft hätte, die beiden jungen Kerle übers Ohr zu hauen? Oder gerade nicht der alte Mann, weil er die meiste Erfahrung hat?
Unvorhergesehene Vorkommnisse wirken sich auf die immer brenzliger werdende Situation wie Prüfungen aus: Mal wird einer der Männer von Ureinwohnern zur Hilfe gerufen, weil ein Kind aus ihrem Stamm bewusstlos ist; mal stürzt eine Mine ein und das Leben des Goldschürfers ist von seinen Kollegen abhängig. Und da Gelegenheit Diebe macht, sind die Männer allerorten einer brennenden Versuchung ausgesetzt.
Die Kamera interessiert vor allem die Reaktion der beiden Jungspunde auf diese Einflüsse, und interessant ist auch, dass beide Männer sich vollständig unterschiedlich entwickeln. Walter Huston hingegen spielt mit einer bemerkenswerten Lässigkeit, die ihm auch den Nebendarsteller-Oscar einbrachte. Er ist der geläuterte Mann, der sich das ganze Abenteuer nur deswegen noch einmal antut, um wieder das Gefühl zu spüren, wie er das Sieb entwässert und die sandigen Körner freilegt, die auf Hochglanz poliert einmal Gold sein werden. Sein Anteil, obwohl er immer ein Auge darauf hat, scheint ihm erstaunlich gleichgültig zu sein.
Im Rahmen seines Psychogramms verurteilt Huston (sowohl der Regisseur als auch dessen Vater in seiner Rolle) jene nicht, die dem Kapitalismus verfallen; er zeigt gar Verständnis dafür, dass einer der Männer irgendwann Verrat an seinesgleichen verübt. Auch sind viele Handlungen der Sympathieträger aufs Höchste brutal und herzlos, bedenkt man, dass nur der eigene Schatz verteidigt werden soll, nicht etwa zwangsläufig das Leben. Trotzdem spricht er jedem Individuum die Fähigkeit zu, sich der Verlockung des Reichtums zu widersetzen. Das Ende von “Der Schatz der Sierra Madre” ist trotz “suboptimalen” Ausgangs befreiend, schüttelt es doch die Last des Angewiesenseins auf materielle Werte mit einem Ruck von sich und macht es in einer unaufdringlich transportierten Moral deutlich leichter, dem Gott des Geldes zu entsagen - auch wenn die Einflusskraft des Materialismus in Wirklichkeit stark genug sein dürfte, dass die positive Grundaussage des Films fünf Minuten nach dem Abspann wieder vergessen ist.
Das Werk ist eine Meisterleistung, was die Charakterzeichnung und die gesellschaftliche Modellfunktion der Odyssee anbelangt. Lediglich mancher charakterlicher Umschwung der Figuren im letzten Drittel führt zum Teil ein wenig zu weit oder ist wenigstens zu radikal dargestellt. Ansonsten glänzt Hustons Abenteuer jedoch auf voller Ebene, ohne auch nur eine richtige actionlastige Szene an Bord zu haben. Gespickt mit moralischen Gewissensfragen ist “Der Schatz der Sierra Madre” ein feierlicher Abgesang auf den westlichen Drang zur großbetrieblichen Industrialisierung, eine Abschwörung des Paradigmas von der organisatorischen Profitoptimierung. Ein Plädoyer für den fließenden Fortbestand des Lebens, das man nehmen möge, wie es kommt. Der gute Brian hat das auch gewusst, als er am Kreuz hing.