Review

„Infrage gekommen wären nur noch ein großer Neger mit einem grünen Mantel oder der Blonde mit dem schwarzen Schuh. Und ich finde, ein großer Blonder fällt weniger auf als ein Neger im grünen Mantel.“

„Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“ von Yves Robert („Fisch oder Fleisch“) aus dem Jahre 1972 ist jene französische Agentenfilm-Parodie, die, obwohl in Frankreich gefloppt, in Deutschland jedoch zu großer Beliebtheit avancierte, Hauptdarsteller Pierre Richard („Der Hornochse und sein Zugpferd“) auch in seinem Heimatland zu Popularität verhalf und ihn auf die Rolle des liebenswerten Tollpatschs abonnierte.

Im französischen Geheimdienst tobt ein Kleinkrieg: Stellvertreter Milan (Bernard Blier, „Hasch mich - ich bin der Mörder“) will seinen Chef Toulouse (Jean Rochefort, „Ridicule – Von der Lächerlichkeit des Scheins“) stürzen und hat ihm aus diesem Grunde etwas angehängt. Toulouse jedoch will Milan eine Falle stellen, indem er ihn Glauben macht, ein die Vorwürfe entkräften könnender Geheimagent käme nach Paris. Hierfür bittet er seinen Assistenten, am Flughafen willkürlich irgendeine Person auszuwählen, die gerade aus dem Flieger steigt. Die Wahl fällt auf den schusseligen Geiger Francois Perrin (Pierre Richard), der einen braunen und einen schwarzen Schuh trägt. Fortan wird dieser von Milan und seinen Männern auf Schritt und Tritt überwacht, ohne es zu bemerken…

Bereits der Vorspann mit seinen Kartentricks zeugt von der detail- und ästhetikverliebten Herangehensweise Roberts an diese Agentenfilme parodierende Komödie, deren Humor weniger klamaukig und auch nicht sonderlich reich an Slapstick, sondern eher subtilerer und ruhigerer Natur ist. Situationskomik ist es, die hier großgeschrieben wird, denn Perrin ist vordergründig zwar ein völlig normaler Typ, doch sind es die Tücken des Alltags, die ihm regelmäßig zu schaffen machen. Er wirkt häufig ein wenig neben der Spur und durch den Wind, was ihn zum Sympathieträger und zur Identifikationsfigur macht, obwohl auch er es bisweilen faustdick hinter den Ohren hat – so unterhält er beispielsweise eine Affäre mit der Frau (Colette Castel) seines besten Freundes Maurice (Jean Carmet, „Tödliche Ferien“).

Der weitere große Aspekt, aus dem sich der Film nährt, ist die Verballhornung sich selbst unheimlich wichtig nehmender Geheimdienste, die als intrigante, gefühlskalte und über Leichen gehende Organisationen dargestellt werden, die mit ihren Spionagen nichts Nützliches bewirken. „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“ karikiert ihre Arbeit und wird urkomisch, wenn die konspirativen Herren in ihren Trenchcoats mit ernster Miene Perrins Versuche, den Alltag zu bewältigen, verfolgen und allem, was er tut, große Bedeutung beimessen – letztlich aber an seinem verdächtig unverdächtigen Verhalten verzweifeln. All das führt zu absurden Situationen, von denen ausgerechnet Perrin am wenigsten bemerkt, über die sein Freund Maurice aber den Verstand verliert.

Stilistisch hat es der Film ebenfalls in sich: Sommerliche Bilder einer schönen Stadt (überhaupt kein Vergleich zu Aufnahmen deutscher Städte aus den 1970ern), großzügig geschnittene, durchgestylte Wohnungen, viel französische Lebensart (die mit den Geheimdienstlern kollidiert) und als besonderer Augenschmaus der Look der als letztes Ass im Ärmel auf Perrin angesetzten, verführerischen Christine (Mireille Darc, „Das Millionen-Duell“), die erst in Leopard gehüllt, dann im bis zur Poritze rückenfreien Abendkleid sicherlich nicht nur ihm den Kopf verdreht. Tatsächlich sind diese Szenen der vorläufige dramaturgische Höhepunkt, denn Perrin offenbart wahrhaftig (s)ein Geheimnis. Unbedingt erwähnenswert auch die ohrwurmverdächtige Titelmelodie des rumänischen Komponisten Vladimir Cosma, vorgetragen von Gheorghe Zamfir auf der Panflöte – mit extrem hohem Wiedererkennungswert.

„Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“ ist noch nicht so wild und durchgedreht wie andere Filme mit Pierre Richard in der Hauptrolle, tatsächlich könnte das Tempo dann und wann etwas höher sein. Die Konsequenz, mit der er das Geheimdienstwesen ad absurdum führt, ist jedoch beachtlich und mündet nicht frei von recht derber Härte in der völligen Selbstzerfleischung desselben, aus der Perrin als lachender, einzig wahrer Gewinner hervorgeht. Kurios ist in diesem Fall, dass der Film selbst in der Stasi-geplagten DDR im Kino (und meines Wissens auch später im Fernsehen) lief, denn exakt deren implosives Vorgehen – das notorische Sammeln unnützer Informationen über Normalbürger – findet sich in dieser hervorragend gealterten, noch immer köstlichen, sympathischen Komödie, die das Individuum über staatliche Institutionen stellt, auf bissig karikierte Weise wieder.

Das ist mir insgesamt 7,5 von 10 Punkten wert.

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