Eine Kritik von Srics213 (Bewertung des Films: 8 / 10) eingetragen am 10.02.2016, seitdem 403 Mal gelesen
Ex Drummer(2007)
Der Alptraum des Menschen...
Ich saß da und nahm mir meine Kopfhörer und meinen MP3-Player. Ich streifte das Kabel unter mein T-Shirt, steckte den Player in die Tasche meiner Hose und stand auf.
https://www.youtube.com/watch?v=YdhBHDtoRkw
Mein Gesicht war steif, die Augen rot und ich rannte los. Die gleißenden Lichter der Stadt striffen durch meine Augen, durch meine Seele und machten mich unsichtbar. Ich rannte ohne Gefühl von Zeit. Die Menschlichkeit ist erloschen und meine beine brannten. Als ich stoppte, ein Bordell erblickte und ein paar Prostituierte sah, vor denen einige sehr edle Autos hielten, kam ich zum stehen. Angewurzelt. Der glitzernde Antlitz, die Freier, die Eheringe, die Augenränder, ruheloses Licht. Grün, Rot, Blau. Zitternde Hände, Zigaretten und die Linie des weißen Regenbogen. Ich schaute an mir hinab und begann zu brennen. Ich schrie, aber keiner hörte mich. Meine gesamte Kleidung brannte weg und mein Äußeres war nur noch verkohlte Haut, stechender Schleim und platzendes Blut. Ich rannte weiter.
https://www.youtube.com/watch?v=YmSk1fZdPks
Unsichtbar klebten meine Kopfhörer und mein Player noch an mir. Ich sah einen Fastfoodschuppen. So spät abends. Doch die kleinen Kinder unter den anwesenden Eltern kennen kein sicheres Zeitgefühl, keine Liebe und stumpfe Gewalt. Lumpen, Schläge und Tränen. Die Kinder saßen geknickt da, die Eltern wandten ihre Gesichter nicht von den Telefonen ab. Augenränder überall. Tränen rannen meine hautlosen Wangen herunter und ich rannte weiter.
https://www.youtube.com/watch?v=NAsGYzkXbPY
All der Schmerz dieser Welt schneidete sich durch meinen Körper. Betrunkene Männer standen an einer Ecke und schimpften über die Zustände in Regionen dieser Welt, die sie nie nüchtern sehen werden. Angstmacherei. Atompoltik, Steuerhinterziehung, Kannibalismus, Missbrauch, Religion, Klimawandel, Pfand, Ebola, Grexit, Ausfluss und Drogen. Probleme sind nur dann interessant, wenn sie in der Zeitung stehen und ganz weit weg sind. Die drei alkoholisierten Männer sahen auf und vor ihnen stand mein zerfessener Rest. Nackt, völlig verbrannt und lapprig wie gelöstes Grillfleisch. Ich schaute langsam hoch zu den Sternen, zitterte und meine blauen Augen rollten sehnig aus meinem Kopf, meine Nase löste sich langsam vom Gesicht und all die propagierten Probleme sogen sich wie ein Schwamm durch meine Gefühle, schossen ungelöst durch meine Adern und rissen alle Organe auf. Als ich meine Finger nicht mehr spürte, wusste ich, dass sie mir von den Stümpfen meiner Hand auf den Boden kleckerten. Ich löste mich auf, war unsichtbar und kein Schreien dieser Welt wurde erhört. Ich rannte weiter und all das Elend dieses Planeten broch sich auf mich nieder. Hauptsache das Konservenlachen der Sitcom beruhigt die Massen.
Ich lief, rannte und bröckelte. Meine Kopfhörer klebten an meinen Schlefen und durch die Musik nahm ich Schreie war. Menschen stritten sich, Kinder weinten, Autos brannten und all der Hass dieser unzufrieden Welt glitt durch mein Gehör. Ich konnte nicht mehr. Was ist das nur für eine Gesellschaft in der wir leben. Ich hielt an, teilweise waren meine Knochen sichtbar und all die Traurigkeit und geschürten Konflikte der menschlichen Errungenschaft glitten durch mein Mark. Tränen flossen durch meine dunklen Augenhölen und ich sackte pfatschend auf meine Knie. Meine offenen Wirbel knackten und ich wollte nur noch sterben. Alles an mir platzte auf und fiel auf den Boden. Als ich nichts mehr spürte und die Wärme und Liebe langsam aus mir heraustratt, gab ich jegliche Hoffnung für die Menschheit auf. "Earth is not a cold dead place" beschwor einst die Band Explosions in the Sky herauf.
Schaut euch doch um. Seht ihr überall Liebe, Zufriedenheit und Toleranz? Ich sehe sie nicht und träume manchmal vom Ende meiner Nervenstränge, meiner Liebe und all der Gleichgültigkeit des menschlichen Seins. Ex Drummer ist der Orkan, ein filmgewordenes Elend und das dünne Licht am Ende des fleischigen Tunnels. Ex Drummer ist so stark geschrieben, inszeniert und gedichtet, dass es mir jedes mal wieder die Sprache verschlägt, wohin all dieser Wust an Hässlichkeit führt. Als der gut situierte Dries(Dires van Hegen) in die Gosse Belgiens abtaucht, sich am Elend labt, keine oder schlechte Ideen parat hält und sich ergötzt, am sozialen Ende und der Sackgasse, dann ist der Kreis geschlossen. Im Finale von Ex Drummer hält Dies die einzig greifbare Lösung hoch...ganz bösen Zynismus und eine Waffe. Diese unglabulich dichte Szene, dieser intelligent gekreiselte Spiegel der menschlichen Würde, greift in die Untiefen unserer Herzen und das verschließen der Augen scheint unausweichlich. Es gibt keine Lösung.
Als ich aufwachte, war alles wieder an mir. Manchmal sind Träume einfach schrecklich. Wenn mal Tagsüber keiner greifbar ist, ich ein Nickerchen machen will und mit Kopfhörern im Ohr ins Land der Träume absinke, sollte ich in Zukunft vorher einfach etwas fröhlicheres machen...8
Hier der Song aus dem Finale. Sollte man mal gehört; haben Ghinzu - Blow(geht bei circa 0.50 los)
https://www.youtube.com/watch?v=MUpxepTl6GEz
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