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Schmetterling und Taucherglocke (2007)

Eine Kritik von HappyHarry mit dem Harten (Bewertung des Films: 8 / 10)
eingetragen am 10.04.2008, seitdem 1849 Mal gelesen



In den letzten Jahren drangen immer mehr Filme, beispielsweise „Die Zeit die bleibt“ von Francois Ozon oder „Das Meer in mir“ von Alejandro Amenabar, tief ein in die letzten Tabuthemen des Kinos: Das Sterben in seiner ungeschönten Form, ernsthafte Auseinandersetzung mit unheilbaren Krankheiten und natürlich dem Schlagwort Sterbehilfe. Um genau diese bittet auch Jean-Dominique Beauby, genannt Jean-Do, der nach einem schweren Schlaganfall im Krankenhaus erwacht und nur langsam seine Situation begreift: Sein gesamter Körper ist gelähmt, nur die Augenlider (die für ihn von nun an die einzige Kommunikationsmöglichkeit bieten) kann er kontrollieren – während sein Gehör und sein Geist intakt sind ist sein Körper nutzlos geworden. Beaubys Zustand wird als Locked-In-Syndrom beschrieben, die desillusionierende Diagnose lässt zwar einen Funken Hoffnung zu, dennoch verzweifelt Jean-Do und kann sich zunächst nur schwer aufraffen zur mühevollen Kommunikation.

„Schmetterling und Taucherglocke“ ist eine Verfilmung des autobiografischen Buches des realen Jean-Baptiste Beauby und thematisiert gleichzeitig die Entstehung eben dieses Buches. Respektvoll nähert sich Regisseur Julian Schnabel dem unbequemen Thema, ohne die tragische Geschichte auch nur zu einem Zeitpunkt auszubeuten. Mit beeindruckender Konsequenz bringt der Film dem Zuschauer das Innenleben der Hauptfigur nahe. In den ersten vierzig Minuten verlässt die streng subjektive Kamera nicht die Egoperspektive Beaubys, dessen verzerrtes Gesicht dem Zuschauer erst gezeigt wird, wenn man schon mit dem klaustrophobischen Gefühl des Gefangenseins vertraut ist. Geradezu alptraumhaft intensiv werden verstörende Details gezeigt, die keinen Menschen kalt lassen können, der sich wirklich auf den Film einlässt. Wenn Beauby ein Auge zugenäht wird und seine flehende Stimme von der Umwelt ungehört bleibt oder dem selbst pflegebedürftige Vater (Max von Sydow) am Telefon die Worte fehlen angesichts des Schmerzes um das verlorene Kind, dann bleibt man als Zuschauer nur mehr nach Luft schnappend zurück und wünscht sich ein baldiges Ende des Films herbei.

Julian Schnabel verlässt die rein subjektive Kamera, auf die aber immer wieder zurückgegriffen wird, erst nach angemessener Zeit um dem Publikum die Geschichte wirkungsvoll zu transzendieren. Nur so kann der schier unglaubliche Pflegeaufwand adäquat geschildert werden, in einfache Melodramatik fällt das konsequente Drehbuch allerdings zu keinem Zeitpunkt. Der Perspektivenwechsel ist sinnvoll um das Umfeld zu beleuchten, so zum Beispiel die aufopferungsvolle Arbeit zweier Ärztinnen (Emmanuelle Seigner, Marie-Josee Croze), welche damit beauftragt wurden, dem Patienten einfache Dinge beizubringen wie Schlucken um eventuell später wieder sprechen zu können. Beide führen ihre Arbeit überaus geduldig und humanistisch aus, was durch das sensible Einfühlungsvermögen beider Darstellerinnen noch gestärkt wird. Bemerkenswert ist auch der Verzicht auf das ewige Klischee vom Karrieregeier, dem durch ein Unglück eine Läuterung widerfährt – Beauby war vor seinem Unfall natürlich ein Mensch mit Fehlern, aber weit davon entfernt in ein Gut-Böse-Schema zu passen.


Janusz Kaminski, zweifacher Oscar-Preisträger und angestammter Director of Photography der Filme Steven Spielbergs, leistet ganz große Arbeit in der ästhetischen Gesamtkonzeption: Schon die verfremdete Szene in der Beauby aufwacht zieht sofort in ihren Bann. Nur schwer kann man sich der Wirkung der Bilder entziehen, die Auf- und Abblendungen im Lidschlagrhythmus verdeutlichen den Zustand des Locked-In-Syndroms offensichtlich sehr authentisch, Unschärfen und grobe Schnitte verleihen dem Filmmaterial einen ebenso realistischen Anstrich. Beaubys Traumsequenzen werden dagegen stilisiert und stechen optisch sofort heraus, aus Imagination und Erinnerung heraus schafft es der ehemalige „Elle“-Chefredakteur schließlich, neue Lebenskraft zu schöpfen und in seinen letzten Monaten nicht aufzugeben. Schnabels Film verbeugt sich so vor der Heilsamkeit der eigenen Gedankenkraft – von Momenten des Glücks kann Beauby speisen, auch wenn verpasste Chancen jetzt eine ganz neue Dimension bekommen. Denkbar ehrlich reflektiert „Schmetterling und Taucherglocke“ sein schwieriges Thema, auch wenn der sexuelle Aspekt leider etwas zu kurz kommt. Nur am Rande wird letztere Problematik angeschnitten, was in Anbetracht der ansonsten sehr differenzierten Herangehensweise doch als Kritikpunkt gelten kann.

Fazit: Julian Schnabel verdichtet seinen anfänglich ruppig-experimentellen Film mit voran schreitender Laufzeit geduldig zu einem lebensbejahenden Manifest zur Gedankenfreiheit und schafft es, der deprimierenden Thematik Trost und Hoffnung abzugewinnen. „Schmetterling und Taucherglocke“ kann schon jetzt zu den Höhepunkten im Kinojahr 2008 gezählt werden und verdient aufrichtig die Bezeichnung `Meisterwerk`.

9,5 / 10


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