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Kottan ermittelt: Hartlgasse 16a (1976)

Eine Kritik von Mountie (Bewertung des Films: 9 / 10)
eingetragen am 27.10.2009, seitdem 1197 Mal gelesen



Der erste Kottan-Film und gleichzeitig der dichteste und in sich geschlossenste Teil der gesamten Reihe. Zu der fast nicht mehr enden wollenden Filmreihe, die sukzessive immer mehr in anarchischen Nonsens und Slapstick gedriftet ist, stellt sich Kottan ermittelt - Hartlgasse 16a und sein direkter Nachfolger Der Geburtstag krass entgegen. Spätestens mit der Übernahme von Lukas Resetarits - ein wenig dezenter bereits bei Franz Buchrieser - in der Rolle des Kriminalbeamten, packte Autor Helmut Zenker den von ihm heiß geliebten Anarcho-Humor aus, den er übrigens in der sowohl schwachsinnigen als auch genialen (ja, das geht) TV-Serie  "Tohuwabohu" vollends ausleben durfte. Hiervon ist bei "Hartlgasse 16a" noch gar nichts zu merken. Zuvorderst ist der Erstling eine Milieustudie, oder besser noch ein Gesellschaftsportrait.
Was sich vielleicht ein wenig trocken anhört und eventuell Assoziationen zu Ulrich Seidl's nüchternen Horrortrips hochkommen lässt, ist dankenswerter Weise alles andere als dies. Denn Humor, wenn auch einer der ganz ätzenden und spöttischen Sorte, ist hier stets vorzufinden. 

Objekt der Betrachtung ist hier nicht wie in späteren Folgen ausschließlich die etwas unorthodoxe Arbeitsweise von Kottan und seinen Kollegen, sondern ein Wiener Zinshaus in der Hartlgasse 16a, dessen Bewohner nach dem gewaltsamen Tod einer Nachbarin in heller Aufregung sind. Von der vulgären Hausmeisterin, bis hin zum sich betucht gebenden, versucht gutbürgerlich auftretenden "Bessergestellten", wird von Autor Zenker und Regisseur Peter Patzak jeder mit einer genüsslichen Freude der Entlarvung menschlicher Abgründe als auch Untiefen durchleuchtet. Kottan selbst (grandios von Peter Vogel verkörpert) bleibt hier vergleichsweise im Hintergrund und wird selbst Opfer der spöttisch sarkastischen Durchleuchtung von Zenker und Patzak. Auch wenn Kottan nie, auch in späteren Folgen kein wirklicher Sympathieträger sein wird, in "Hartlgasse 16a" wird er nicht nur als cholerischer, xenophober und intoleranter Mensch beschrieben, sondern schlicht und ergreifend auch als inkompetenter Polizist. Ist es doch am Ende der zurückhaltende und überlegtere Schremser (Walter Davy), der den Fall löst, und nicht Kottan, der sich auf die ihm verhassten Jugoslawen als Täter versteift, und noch nicht einmal am Ende, wider besseres Wissen, von seiner falschen Entscheidung ablässt. 

Die Bewohner der Hartlgasse 16a sind nicht nur ein leicht satirisch überspitzter Querschnitt der Gesellschaft, sondern sind vielmehr ein eigener in sich geschlossener Mikrokosmos. Die verschiedensten Typen, die hier mit feiner aber kräftig eingesetzter Klinge be- und durchleuchtet werden, offenbaren Heuchelei, Falschheit und einfach eine allgegenwärtige Bosheit. Wenn sich die Hausmeisterin (Luise Martini) mit dem alten scheinbar gutmütigen Mütterchen Kucharik (Maria Engelsdorfer) um etwas so triviales wie eine Topfpflanze bzw. um dessen Platz auf einer Fensterbank streiten, und sich immer neue und möglichst verletzende Streiche für einander ausdenken, wird bei allem Amusement auch eine ziemlich zynisch resignierende Weltsicht von Zenker veranschaulicht.

Die Gemeinheiten, die in diesem Haus regieren, bergen zwar ein gehöriges Humor- und Unterhaltungspotential, das allerdings durch die bitterböse Schärfe und fast intime Nähe zu den Protagonisten aber auch stets ein wenig verstörend wirkt. Der Grad der Verstörung speist sich allerdings nicht aus der überheblichen Sicht, einer gesellschaftlichen Schicht beim Scheitern bzw. ihrer sozialen Unfähigkeit zuzusehen, und gegebenenfalls herablassend über diese zu Urteilen - oder wohlig zu erschauern, sondern ermöglicht eine fast schmerzhaft entlarvende Durchleuchtung eigener Verhaltensmuster bzw. die seines direkten Umfeldes.
Wenn auch Patzak und Zenker ihre Figuren roh und weitgehend unleidlich präsentieren, kann ihr Film dennoch nicht als urteilend oder gar moralisierend interpretiert werden. Es ist eine zum Teil brutal intime Form von Ehrlichkeit und Authentizität, die aus diesen Figuren spricht, in der wir uns einerseits selbst erkennen können, wenn man denn den Mut zur Selbstreflexion aufbringen kann, und andererseits fast schon eine Satire auf das schlummernde Intrigantentum, die Boshaftigkeit, Heuchelei, latente Fremdenfeindlichkeit und vielleicht auch der sich daraus ergebenden Tragik, der so genannten „einfachen/kleinen“ Leute. 

Es ist Patzak und Zenker hoch anzurechnen, dass trotz aller gegebener Voraussetzungen, „Hartlgasse 16a“ kein destruktiver oder deprimierender Film geworden ist. Wenn auch eine gehörige Portion Pessimismus stets mitschwingt, ist vor allem kurz vor dem Ende, wo der Abriss des Hauses beschlossen wird, ein fast schon wehmütiger Ton zu vernehmen. Von dem Milieu, das zuvor noch hingebungsvoll zerpflückt wurde, wird Abschied genommen, denn „Kottan – Hartlgasse 16a“ ist auch ein Zeitdokument eines häuslich gemeinschaftlichen Umfeldes, das in der Form nahezu ausgestorben ist.

Neben den hervorragenden Schauspielern und den ihnen auferlegten authentischen Dialogen, ist es vor allem die musikalische Untermalung, von niemand geringerem als Georg Danzer, der den Film bzw. dessen Wirkung mit fünf seiner Songs abrundet. Wie ein oft sarkastischer, manchmal sentimental melancholischer Kommentar zu den Ereignissen sind seine Lieder eingesetzt. Teilweise haben seine musikalischen Bemerkungen etwas von einem zynischem „Voice Over“, der immer die treffenden Worte findet und seine besungenen Menschen und ihre Absichten scharf durchleuchtet. 

„Kottan – Hartlgasse 16a“ ist sowohl ein bitterböses Denkmal an ein Milieu, als auch ein tiefer, manchmal fast schockierender und dennoch hochamüsanter Einblick in die österreichische Seele. So brutal Zenker und Patzak ihr Umfeld auch durchleuchten, so vernichtend ihr Urteil darüber auch ausfällt und so viele menschliche Abgründe sich auch auftun, letztlich ist auch ihre zaghafte Verbundenheit zu jenem Umfeld nicht zu leugnen. Das macht ihn nicht nur sympathischer als anstrengende sowie herablassende „Sozialstudien“, sondern auch zu den gelungensten österreichischen Beiträgen neben solchen Kalibern wie Qualtingers und Merz’ „Der Herr Karl“. 


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