Eine Kritik von Mein Senf (Bewertung des Films: 8 / 10) eingetragen am 11.03.2008, seitdem 998 Mal gelesen
Da ist er nun. Der absolute Geheimtipp, die Indiperle
schlechthin, imdb-top-250, oscarprämiert und –nominiert, warmherzig, mutig,
witzig, lebensnah, klug. Noch bevor der Film in Deutschland ins Kino kam sparte
die nationale Presse kaum einen Superlativ aus, um den Film als must-see des
gehobenen Zuschaueranspruchs zu verkaufen. Obwohl ein Film den um ihn
entstehenden Hype selten erfüllen kann, enttäuscht „Juno“ (2007) keineswegs.
Hauptdarstellerin Ellen Page gab in einem Interview zu Protokoll, dass die Macher
in Ermangelung weiblicher Identifikationsfiguren im amerikanischen Kino eine
Art Superhero für Teenagerinnen schaffen wollten. Und tatsächlich geht Juno locker
als eine Art John McClane für weibliche 12-17-Jährige durch. Unangepasst, schrullig,
sarkastisch, vorlaut, das Herz am rechten Fleck und dabei immer den passenden
Oneliner auf den Lippen. Ob das nun anspruchsvolles Arthouse ist -wie viele
Kritiker es gebetsmühlenartigen predigen- sei an dieser Stelle mal bezweifelt,
witzig, unterhaltsam und sogar lebensnah ist es allemal. Ziemlich sogar, soviel
sei an dieser Stelle schon mal vorweggenommen.
Juno (Ellen Page), eine unangepasste 16-jährige aus
bescheidenen Verhältnissen, ist schwanger. Ungeplant und ungewollt, versteht
sich, also muss das Kind weg. Nachdem sie anfängliche Abtreibungspläne schnell
verwirft, beschließt sie, das Kind auszutragen und findet in dem Yuppiepärchen
Vanessa (Jennifer Garner) und Mark Loring (Jason Bateman) die scheinbar
perfekten Ersatzeltern.
Ein gutes Drehbuch (bekanntermaßen oscarprämiert) benötigt
keine pointierte, stringente Geschichte. Dafür ist Juno der perfekte Beweis.
Die Schwangerschaft bildet natürlich das zentrale Thema, ist jedoch nur der
Auslöser für mehrere tragikomische Subplots um Junos Familie, den tollpatischen
Erzeuger des Kindes, den Reaktionen der Mitschüler, ob der skandalträchtigen
Schwangerschaft und schließlich dem Yuppiepärchen, die Junos Kind übernehmen
wollen. Obwohl Juno innerhalb dieser Geschichten stets der Platzhirsch bleibt,
schafft es der Film jeden der zahlreichen Nebenfiguren mit wenigen Szenen einen
recht facettenreichen Charakter zu verleihen. Jeder dieser Charaktere besitzt
zugleich lächerliche aber auch angenehme Eigenschaften. Ein Verdienst des Films
ist es, diesen Spagat äußerst glaubhaft zu vermitteln. Als Beispiele mögen hier
Junos Stiefmutter Bren, Sammlerin kitschiger Hundesccessoires und Betreiberin
eines Nagelstudios, aber gleichzeitig verständnisvolle Mutter, die ihr
Stiefkind vor den Folgen der gesellschaftlichen Ächtung verteidigt und Junos
beste Freundin Leah, ihres Zeichens modebewusste Cheerleaderin (und insofern
das komplette Gegenteil zur unangepassten Juno) mit einer sexuellen Schwäche
für bärtige, dickbäuchige Lehrer, angeführt werden.
All diesen milden Irrsinn kommentiert die Protagonistin in
ihrer Eigenschaft als altkluger Teenager, bleibt bei ihren Entscheidungen stets
die treibende Kraft und verliert nie die Kontrolle über die Situation. Juno
bricht dabei recht offensiv eine Lanze für die Außenseiter dieser Welt (wahrscheinlich
überschlagen sich deshalb die Kinokritiker bei ihren Lobeshymnen – von wegen Identifikationspotential
und so weiter) und natürlich findet der Schulbeau und Quarterback Juno
insgeheim auch scharf. Unglaubwürdig? Nervig? Solche Kritikpunkte verfehlen
meiner Ansicht nach die Intention hinter diesem Film. Juno will keine
hyperrealistischeAbbildung
gesellschaftlicher Zustände der amerikanischen Mittel- und Unterschicht sein,
er versteht sich offenbar als überspitzte Liebeserklärung an alle Außenseiter,
Randständigen und gesellschaftlich nicht akzeptierten Lebenskünstler und ist insofern
das perfekte Thema für einen Indi-Streifen. Der minimalistische
Singer/SongwriterInnen-Soundtrack ist natürlich Geschmackssache (mein Ding wars
nicht), unterstreicht aber den Charakter und den Indi-Spirit des Films recht
treffend. Eine schöne (und inszenatorisch recht aufwändige) Idee waren die
Jahreszeitenwechsel, die den Film nicht nur sichtbar in vier Akte unterteilen,
sondern auch den Gemütszustand unser Protagonistin widerspiegeln. Logisch, dass
das Happyend in den Sommer verlagert wird. Drehbuchautorin Diablo Cody spickt
Junos Reise dabei mit einer höheren Oneliner-Quote, als sie irgendein
Bruce-Willis-Streifen jemals hervorgebracht hätte und beweist zugleich ein Gespür
für dramatische Momente.
Fazit: Juno ist emanzipatorisches Kino, ohne dass bei diesem
recht beladenen Begriff eine negative Konnotation mitschwingen soll. Die hohe
Gagdichte, die liebevolle Figurenzeichnung und die unkonventionelle
Heroisierung des Außenseitertum haben schon bei „Superbad“ (2007) und
„Accepted“ (2006) prima funktioniert. Warum soll nicht zur Abwechslung mal ein
16-jähriges, schwangeres Mädel 90 Minuten lang sagen dürfen wie der Hase läuft?
Daran werde ich mich noch lange erinnern: Paulie Bleeker,
Junos töffeligen, aber warmherzigen besten Freund.
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