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Wieviel Orson Welles steckt in "Die Lady von Schanghai" ? - Und tut man seinem Oevre und seiner unbestreitbaren Vorreiterrolle für das Kino einen Gefallen, wenn man diesen Film besonders hervorhebt ?

Bedenkt man die Hintergründe zur Entstehung des Films, kann man sich gut vorstellen, daß Orson Welles quasi eine "Contra-Regie" führte, wodurch sich die Faszination dieses merkwürdigen Films erklären kann. Welles wurde auf Grund von Schulden seitens seiner Produktionsgesellschaft gezwungen, den nicht von ihm gewählten "Film Noir"-Stoff zu verfilmen. Dazu sollte seine damals nach "Gilda" äußerst populäre Ehefrau Rita Hayworth die weibliche Hauptrolle spielen, wozu sie sich vor allem deshalb bereit erklärte, um ihre Ehe mit ihm noch zu retten.

Die Entscheidungen, die Welles im Zusammenhang mit seiner Inszenierung wählte, wirken im ersten Moment als die denkbar ungünstigsten. So verpasste er der spanisch stämmigen Hayworth einen blonden Kurzhaarschnitt und walzte die plakative, in ihren Verhaltensmustern typische Schwarze-Serie-Story über mehr als zweieinhalb Stunden aus. Das Recht auf einen "Director's Cut" hatte man als Regisseur damals grundsätzlich nicht, aber eine solche Zerstörung eines Werkes, wie es nach der Fertigstellung durch die Produktionsgesellschaft vorgenommen wurde, ist besonders angesichts des bekannten Regisseurs einmalig. Nicht nur, daß der Film fast um die Hälfte zusammen geschnitten wurde, sondern auch die seichte Hollywood-Filmmusik stammt von Seiten der Bosse.

Man kann nur darüber spekulieren, ob die weggeschnittenen Szenen mehr zur Nachvollziehbarkeit der Charaktere beigetragen hätte, aber gerade Welles optische Betonungen der klischeehaften Abläufe lassen eher darauf schließen, daß es ihm gar nicht darum ging. Bedenkt man zusätzlich, daß der Film beim Publikum wegen seiner ausschließlich sinistren Rollen, die keine Identifikation anboten, durchfiel, wäre es zu einfach gedacht, die Schuld daran nur der Produktionsgesellschaft zuzuschieben. Warum hätten sie ausgerechnet Szenen wegschneiden sollen, die das Verständnis beim Zuseher erhöht hätten ? - Viel mehr läßt das uns vorliegende Ergebnis die These zu, daß Welles dermaßen gegen den Strich inszeniert hatte, daß man nur noch versucht hat, zu retten was zu retten ist. Nur kann man mit konventionellen Vorstellungen kaum einen in einem solchen Geist gedrehten Film auf publikumskompatibel trimmen.

Herausgekommen ist dabei ein Film, der seine komplexe Story in atemberaubenden Tempo vor sich her treibt. Der irische Seemann Michael O`Hara (Orson Welles) rettet die blonde Schönheit Elsa Bannister (Rita Hayworth) bei einem Überfall im New Yorker Central Park. Als sie erfährt, daß er eine neue Heuer sucht, bietet sie ihm einen Job auf der Yacht ihres Mannes an, bei dem es sich um einen renommierten Strafverteidiger (Everette Sloane) handelt. O'Hara wehrt sich gegen diese Anstellung, kann sich aber der Faszination Elsas nicht entziehen. An Bord befindet sich zusätzlich noch der schmierige Partner des Anwalts, George Grisby (Glenn Anders), der O'Hara mit seinen politischen Ansichten und Anspielungen provozieren will.

Auf dem Schiff entsteht eine gepenstische Atmosphäre aus gegenseitigem Mißtrauen und Dekadenz, die selbst die schönsten Orte, an denen die Yacht anlegt, vergiftet. Das Ganze kulminiert in dem merkwürdigen Vorschlag Grisbys, sich von O'Hara zum Schein töten zu lassen, um unbemerkt verschwinden zu können. Da dieser Geld braucht, um Elsa gewinnen zu können, willigt er auf den riskanten Vorschlag ein...

Orson Welles begleitet die Geschichte als "Ich-Erzähler" aus dem Off und wirkt dabei so, als versuche er wenigstens auf diesem Weg, Verständnis für O'Haras Verhalten zu gewinnen. Sicherlich kann man heute die damalige Faszination Rita Hayworths nicht mehr vollends nachvollziehen, aber Welles selber hatte durch die Entscheidung sie als kühle Blonde darzustellen, dazu beigetragen, daß sie als einziger Grund für sein idiotisches Verhalten sehr schwach wirkt. Dazu trägt sie als Elsa noch bei, indem man ihre die Berechenbarkeit und Konzentration auf materielle Werte mehr als deutlich anmerkt. Keine Sekunde wirkt sie vertrauenswürdig oder verletzlich - selbst seine Intention sie beschützen zu müssen, kann ihr Verhalten kaum begründen. Und das er eine Sekunde glaubt, sie mit dem Geld, daß er für den gefakten Mord bekommen soll, gewinnen könnte, wirkt viel zu naiv.

Deutlich besser getroffen sind die beiden Nebenfiguren. Strafverteidiger Bannister wirkt mit seinen Krücken wie eine moderne Version des einbeinigen John Silver aus der "Schatzinsel" - intelligent, skrupellos und gerissen. Und sein Partner Grisby überzeugt als schwitzender Irrer, bei dessen Worten man nie weiß, ob er sie selbst glaubt. Welles Intention erkennt man am stärksten in dem Moment, in dem O'Hara dem Ehepaar Bannister und Grisby schildert, daß sie schlimmer sind als sich selbst zerfleischende Haifische. Diese Szene verdeutlicht trotz der folkloristischen Hintergrundmusik das Dämonische des Films, daß über vergleichbare Werke des "Film Noir" hinausgeht. Immer wieder schaut Welles den Protagonisten detailliert und sezierend ins Gesicht, taucht sie in schwarze Schatten bis er sie in der abschließenden Spiegelszene optisch auseinander nimmt.

So entstand eines der unausgeglichensten Werke der Filmgeschichte, dem trotz der Zerstörung nicht seine Wut genommen werden konnte. Welles hat hier alles so negativ wie möglich angelegt, nicht nur in den ausschließlich unsympathischen Charakteren, sondern auch in der völligen Zuspitzung der plakativen Story, deren Klischees er noch zusätzlich betont und keine Sekunde zu erklären versucht. Durch die völlig unpassende Hintergrundmusik, die wohl die negative Stimmung etwas abschwächen sollte, wird die Diskrepanz zwischen Welles Intention und dem Produzentenwunsch nach einem typischen Erfolgsfilm noch verstärkt. Dadurch erhalten wir mit "Die Lady von Schanghai" einen vordergründig schwachen Film, der aber in seiner Wut und Schilderung der menschlichen Abgründe äußerst authentisch wirkt und dazu noch durch Welles Bildsprache kongenial umgesetzt ist.

Fazit : Eine Beurteilung des Films ist schwierig, da selbst Orson Welles ihn aus verständlichen Gründen ablehnte und das Ergebnis stark von den Umständen und der abschließenden Zerstörung abhängt.

Letztendlich bleiben aber die Qualitäten in Erinnerung - man sieht den langen Schatten des an Krücken laufenden Bannister, hört Welles Geschichte über die Haifische, sieht in Grisbys schwitzendes und grinsendes Gesicht und spürt noch lange die kalte Wut (8/10).

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