Eine Kritik von DragothiC (Bewertung des Films: 10 / 10) eingetragen am 20.01.2008, seitdem 1212 Mal gelesen
KeinOhrHasen
Ein altes Sprichwort sagt: „Man trifft sich immer zweimal im Leben" und auch in der Liebe funktioniert es manchmal scheinbar erst auf den zweiten Blick.
Genau an dieser Stelle setzt Til Schweigers neues Filmprojekt „KeinOhrHasen" an, für welches er bewundernswerterweise das Drehbuch schrieb, Regie führte und die Hauptrolle des skrupellosen Klatschreporters Ludo spielt.
Ludo geht mit seinem schelmischen Assistenzfotographen Moritz (Matthias Schweighöfer) stets dorthin wo es weh tut: An die persönlichen Fronten der deutschen (B-)Prominenz. Immer auf der Suche nach neuesten Gerüchten und enttarnenden Fotos interviewt er Schauspieler wie Jürgen Vogel, sammelt Schnappschüsse von deutschen Galas oder deckt Ehekrisen von „prominenten" Volksmusikanten auf.
Als er jedoch eines Abends im wahrsten Sinne des Wortes in die Hochzeitszeremonie von Wladimir Klitschko und Ivonne Catterfeld platzt, wird er zu 300 Sozialstunden in einem Kinderhort verurteilt.
Dieser wird von der verklemmend-patzigen Pädagogin Anna (Nora Tschirner) geleitet, die in ihrer Kindheit auf gemeine Weise von Ludo vorgeführt wurde und unmittelbar auf Rache sinnt. Während die Kinder Ludo sehr schnell in ihr Herz schließen, versucht Anna nachdrücklich ihre Sympathien für den Macho auszublenden.
Doch natürlich kommt alles anders: Die beiden freunden sich an, schlafen miteinander und müssen daraufhin mit den Differenzen ihrer emotionalen Intelligenz und Erwartungshaltung kämpfen.
Schweiger beginnt seine romantische Screwball-Komödie mit einer sensationell witzigen Einleitungssequenz, die uns einen im wahrsten Sinne des Wortes runderneuerten und grandios aufgelegten Jürgen Vogel präsentiert, der mit einer gehörigen Portion Selbstironie sein eigenes Erscheinungsbild persifliert und das Publikum somit in Stimmung für das nachfolgende Programm bringt: Knackigen und bösen Wortwitz, Seitenhiebe auf die Szene der deutschen Show-Prominenz, ehrlich-komische Klischeeverhaltensweisen von Männern und Frauen, einige deftige Slapstickszenen und ein guter Schuss „wahrer Kern".
Allgemein fällt bereits in den ersten Filmminuten das enorm leidenschaftliche Spiel des übermäßig guten und bekannten Casts ins Auge.
Matthias Schweighöfer liefert in seiner Nebenrolle als bubenhafter aber etwas durchgeknallter Fotograph die wohl beste Vorstellung seit dem großartigen „Kammerflimmern" ab, Alwara Höfels nimmt man die Rolle der süßen und sexuell kreativen besten Freundin sofort ab, vor allem aber Publikumsliebling und Ex-MTV-Moderatorin Nora Tschirner spielt sich als aggressiv-verklemmte Zicke mit Mut zur Hässlichkeit nach und nach ins Herz der (männlichen) Zuschauer.
Auch Til Schweiger wird seiner gewohnten Rolle als prolliger Macho mit Bereitschaft zur Wandlungsfähigkeit besonders im Zusammenspiel mit seinen eigenen Kindern, welche wirklich eine Bereicherung für den Film sind, stets gerecht.
Meiner Meinung nach strahlen Schweiger und Tschirner trotz des recht großen Altersunterschieds von 18 Jahren eine hervorragende und anziehende Chemie aus, die ich in deutschen Komödien selten gesehen habe.
Den enormen Kassenerfolg des Films (zu diesem Zeitpunkt bereits über drei Millionen Zuschauer) führe ich hauptsächlich auf die Vielfältigkeit des Films zurück: Der Cast bietet für beinahe jede Altersklasse einen höchst bekannten Vertreter an, das jüngere und/oder einfacher gestrickte Publikum erfreut sich an den Slapstick-Einlagen und sexuell angetriebenen Witzen, Exploitation-Fans werden mit Til Schweigers nacktem Gesäß und Nora Tschirner in zwei enthüllenden Nacktszenen befriedigt, die „Mario Barth Generation" bekommt die altbekannten Mann/Frau-Klischees in erfrischender Art und Weise aufgetischt und auch der anspruchsvollere Cineast kann sich von teilweise wirklich schönen und subtil-intelligenten Dialogen einmal auch mit einigermaßen abgeschaltetem Gehirn unterhalten lassen.
Diese These unterstützend ist mir übrigens besonders das ungewohnt gemischte Publikum (alle Altersstufen, alle Sozialschichten) bei uns im Kino aufgefallen.
Ein bisschen Kitsch darf natürlich in einer romantischen Komödie nicht fehlen aber selbst diesen, für mich sehr kritischen Punkt meistert Schweiger, indem er die obligatorischen Wir-Laufen-Bei-Schönem-Wetter-Durchs-Kornfeld-Szenen in einer etwa 4-minütigen Sequenz abarbeitet und danach netterweise auch nicht mehr aufgreift.
In meinen Augen ist der Film genau in den Szenen höchst romantisch, in denen sich das Darstellerduo gegenseitig innbrünstig neckt und kritisiert aber nie den Bezug zur eigenen Person verliert und in Konsequenz dessen auch über sich selbst lachen kann. Genau diese Herangehensweise wünsche ich mir persönlich für eine Beziehung abseits der in meiner Generation leider weit verbreiteten Party-Bekanntschaften. Warum können nicht auch alte Freunde (oder eben „Feinde") einen Neuanfang wagen und ausprobieren ob man nicht auch in einer engeren Beziehung funktioniert? Warum müssen wir Bekannte stets nach kürzester Zeit entweder in die Rolle des Kumpels oder Partners stecken? Wird eine Freundschaft mit einer größeren Portion Selbstoffenbarung und kompromissloserer öffentlicher und körperlicher Zuneigung nicht eher an Substanz dazugewinnen statt in die Brüche zu gehen?
Ein unterhaltsamer und locker-leicht gemeinter Film wie „KeinOhrHasen" der es dennoch schafft, in mir solche Fragen aufzuwerfen macht offensichtlich nicht viel falsch. Ehrlich gesagt vermisse ich angesichts der herausragenden Besetzung, des einprägsamen und beinahe tiefsinnigen Titels, der makellosen filmischen Umsetzung und des knackigen Pop-Mix-Soundtracks eigentlich rein gar nichts.
Konsequenterweise gebe ich somit eine von anderen Filmen losgelöste und keinesfalls vergleichende Wertung von seltenen 10 von 10 Punkten.
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