Eine Kritik von Mountie (Bewertung des Films: 4 / 10) eingetragen am 22.09.2012, seitdem 872 Mal gelesen
Obwohl die Filmwelt Clive Barker mehr oder weniger verloren glaubt, kommen doch immer mal wieder Filme zu seinen Vorlagen hinaus. TheMidnight Meat Train basiert auf einer Kurzgeschichte von Barkers recht berühmter Short-Story-Sammlung Books of Blood. Unter Fans galt jene Geschichte schon längst als heißer Tipp und wurde lange als filmische Adaption ersehnt. Es spricht für Barker, der hier als Produzent und Drehbuchautor fungiert hat, den künstlerischen Stil des Regisseurs Ryuhei Kitamura - wie er selbst sagt - niemals anzweifelte oder in Abrede stellte. Professioneller Respekt unter Kollegen also. Aber der zündende kreative Funke, der einst die Adaptionen von Barkers Büchern sowie dessen eigene Regieleistungen so ungewöhnlich und besonders machte, fehlt hier leider.
Der künstlerisch hoch ambitionierte Fotograf Leon (Bradley Cooper) versucht das etwas größenwahnsinnige Vorhaben, den „Geist“ einer Großstadt mittels weniger Bilder einzufangen. Dazu treibt er sich vornehmlich nachts in dunklen Ecken und vermeintlich leeren U-Bahn-Stationen herum. In einer solchen Station hilft er einer jungen Frau aus ernster Bedrängnis und findet sie am nächsten Tag als Vermisst geltend in den Nachrichten wieder. Mit detektivischer Neugier ermittelt er in den U-Bahn-Netzen und stößt im Zuge dessen recht bald auf einen hünenhaften Unbekannten, der mit Anzug, Krawatte und einer altmodischen Ledertasche stets die letzte U-Bahn zu nehmen pflegt. Fiebrig paranoid führt Leon sein Verdacht zum Verschwinden mehrerer Personen und all diese Fälle scheinen etwas mit dem Unbekannten zu tun zu haben.
In dem ebenfalls auf einer Kurzgeschichte basierenden Candyman wurden Barkers stete Motive, von den Sehnsüchten einer rationalen, begründbaren Welt nach Mythen und Romantik sowie den transzendenten Schmerz- und Leidenserfahrungen seiner Figuren noch großartig filmisch übersetzt. TheMidnight Meat Train fehlt jener Zugang leider großteils, vielmehr kommt hier einem vieles wie ein lauwarmes Slashersüppchen vor, das in seinen exstatischen Gewaltausbrüchen übel an Splattergrotesken wie I saw the Devil erinnert. Das heran geklatschte übersinnlich fatalistische Ende vermag ob seiner unkreativen Umsetzung und hysterisch brachialen Gewaltzelebrierung maximal ein Kratzen am Kinn provozieren. Wirklich clever, oder, obwohl vom Film bedeutungsschwer in Szene gesetzt, nachdenkenswert ist es jedenfalls kaum. Auch wenn Barkers Motive eher marginal in Erscheinung treten, einig war man sich offenbar damit, mit dem bulligen Schlachter eine neue Horrorikone schaffen zu wollen. Vinnie Jones wartet geduldig mit seinem Maßanzug, der ihn wie einen russischen Gangster aussehen lässt, auf Beute und darf dann stoisch den polierten Schlachterhammer knackend auf Schädel trümmern und durch Gesichter ziehen. Und obwohl Vinnie Jones seine Sache ganz gut macht, gelingt nicht die angestrebte neue Kultfigur des Horrorfilms. Das mag an vielen Dingen liegen. Sei es das kuriose Handeln der Figur, das sich erst am Ende etwas unbefriedigend aufklärt, seine überstürzte Einführung als Maniac oder sein zu grafisch dargestelltes blutiges „Schaffen“, das nichts mehr der Phantasie übrig lässt und demnach bald nur noch grotesk wirkt. Dies und wohl noch mehr sorgt letztlich dafür, dass bei seinem makabren Werk und Erscheinen, weder besondere Spannung noch großes Interesse aufkommen will. Â
The Midnight Meat Train bleibt für Fans von Barker eine mittelprächtige Erscheinung. Trotz der Kürze seiner Vorlage, gelingt es Ryuhei Kitamura nicht kurzweilig und temporeich seinen Film zu erzählen. Vielmehr schleichen sich immer wieder langatmige und sogar redundante Szenen ein, die vielleicht die Laufzeit strecken, aber nicht die Handlung von ihrem Shortstory-Charakter befreien können. Zu wenig macht er aus seinem Ausgangsmaterial, bleibt gänzlich unkreativ bei dem nicht reizlosen ironischen Unterton der Geschichte, die eine sarkastisch provokative Brücke von Tier- zu Menschenschlachtungen schlägt und dabei die U-Bahn zum Schlachttransporter umfunktioniert. Obwohl kurz aufgegriffen bei Leons Bekenntnis zum Vegetarismus, inklusive seiner anschließender Abkehr davon, weiß der Film wenig damit anzufangen und bleibt demnach maximal eine unausgereifte Randnotiz denn ein cleverer Subtext. Ein wenig mehr Gespür für Spannung und eine subtilere Anwendung von Kunstblut (in diesem Fall kommt es großteils aus dem Rechner und sieht auch so aus) hätten Barker bzw. seiner Story eher zur Ehre gereicht. So aber ist The Midnight Meat Train eine an japanische Sickos gemahnte Splattersauerei, die in ihren orgiastischen Blutvergießen nicht selten die Grenze zur unfreiwilligen Komik weit hinter sich lässt.   Â
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