Eine Kritik von filmimperator (Bewertung des Films: 7 / 10) eingetragen am 04.03.2008, seitdem 2432 Mal gelesen
Handyhersteller Nokia plant, bis Mitte 2008 den Standort Bochum für die Produktion mobiler Endgeräte zu schließen und ins osteuropäische Ausland zu verlagern. Deutschland sei zu teuer hieß es, die Löhne zu hoch, das Produkt kaum konkurrenzfähig. Dass ebensolche ökonomisch-rationalen Entscheidungen im Zeitalter der Globalisierung zwar in sich fragwürdig sind, jedoch scheinbar das notwendige Opfer sind, welches man für die angestrebte Vernetzung zu einem „global village" tragen muss (schließlich ist Deutschland Exportweltmeister und das Ausland ein riesiger potenzieller Absatzmarkt), hat Einzug gehalten ins Denken der Politiker, welche kopfschüttelnd jegliche Verantwortung dafür von sich weisen.
Niedriglohnländer wie Rumänien, Indien oder besonders China werden zum Wirtschaftszentrum und können dank des starken Wirtschaftswachstums, auch bedingt durch die Globalisierung und mit ihr die Internationalisierung, ihren langen Weg vom Agrarstaat der Dritten Welt über den Status eines Schwellenlandes bis hin zur Industrienation antreten. Des Einen Freud´ ist des Anderen Leid: In westlichen Industrienationen steht dieser Entwicklung Massenarbeitslosigkeit entgegen und „Qualitätsarbeit" oder „Nationalstolz", häufig angewendete polemische Parolen, sind längst kein Argument mehr.
Mit Outsourced kommt nun ein Film ins Kino, der diesen Problemen und Entwicklungen Rechnung trägt, der sie aufgreift und kritisiert, dabei aber nie wie ein moralischer Vorschlaghammer, sondern immer sympathisch und leichtfüßig daherkommt. Dabei war es nicht anders zu erwarten, als dass sich ein amerikanischer Film zunächst einmal einer zutiefst amerikanischen Sichtweise annimmt, die aber mittlerweile so allgemeingültig ist, so dass nationale Unterschiede unerheblich sind.
Verkaufsleiter Todd (Josh Hamilton) wird von seinem Chef damit konfrontiert, dass der Standort Amerika für das Callcenter eines Herstellers von amerikanischem Patrioten-Firlefanz nach Indien verlagert werden soll und sämtliche Amerikaner - mit Ausnahme von ihm - entlassen werden. Todd bekommt den Auftrag, in Indien einen dortigen Manager namens Purohit (Asif Basra) einzuarbeiten, um die durchschnittliche Länge des Verkaufsgesprächs unter sechs Minuten zu drücken. Nach anfänglichen Schwierigkeiten findet sich Todd immer besser zurecht, arrangiert sich mit der Kultur und dem Leben in Indien und verliebt sich in die aufmerksame Asha (Ayesha Dharker). Doch dann scheint Todds „Aufbauhilfe" der anderen Art vorbei, als das Erfüllen des Auftrags zum Greifen nahe ist...
Outsourced ist das Kinoregiedebüt von John Jeffcoat, der auch am Skript mitschrieb. Diese Unverbrauchtheit und Frische merkt man seinem Film in jeder Sekunde an. So beschwingt wie The Darjeeling Limited von Wes Anderson gelingt es ihm, Kapitalismus- und Globalisierungskritik zu thematisieren. Todd kommt in ein ihm fremdes Land und kann zunächst mit den Gepflogenheiten dort nichts anfangen: Ihn verwundern überfüllte Zuge, der Kampf der Taxifahrer um potenzielle Kunden, das Essen bekommt ihn nicht. Er gibt den vom Kapitalismus verblendeten Anzugträger, dem Familie und Privatleben nicht so viel bedeuten wie die Arbeit, mit der er Geld verdient, aber die er doch ebenso wie seinen dem Marx´schen Ideal eines Kapitalisten entsprechenden Vorgesetzten irgendwie auch hasst. Die Konfrontation mit der herzlichen und in Traditionen (Religion und Familie haben nach wie vor den größten Stellenwert im Leben) verhafteten indischen Kultur gibt ihm die Freude an dem Leben zurück, von dem sich Todd durch stures Pflichtbewusstsein entfremdete.
Auch wenn einige Klischees wie die Thematisierung des frühkindlichen Versprechens für eine Ehe, eines ständig stehlenden Kindes oder die schlicht überflüssigen Anflüge einer Romantic Comedy im Plot nicht ausgespart werden, ist Outsourced ein zutiefst sympathischer, da farbenfroher und humoristischer Film mit kritischer Botschaft geworden. In einer Sequenz ruft beispielsweise ein durch die Globalisierung arbeitsloser Amerikaner in Indien an, um sich einen Patrioten-Kitschartikel aus dem Sortiment zu bestellen. Als er mitbekommt, dass der Callcenter-Mitarbeiter im Ausland sitzt, sagt er, er wolle dort nicht bestellen. Als ihm dann Vorarbeiterin Asha die Alternative vor Augen führt (einen ähnlichen Artikel bei einem amerikanischen Hersteller für ein vielfaches des Preises zu bestellen), gibt sich dieser jedoch schnell einsichtig. Selten wurden die Probleme des Globalisierungsprozesses direkter auf den Punkt gebracht: Konkurrenzfähigkeit kennt keinen Rassismus, weil die Kunden auch keinen kennen. Dafür sind die Inder in Outsourced - dramaturgisch bedingt - zudem auch zu sympathisch.
Das Raubtiers Kapitalismus, das unentwegt immer weiter nach Profitmaximierung giert, hält Eingang in die durchaus plausible, wenn auch unterschwellig verstörende Pointe dieses Films, als selbst Indien nicht mehr den idealen, da immer noch zu teuren Standort darstellt. Globalisierung und Kapitalismus entfremden, machen zwischenmenschliche Beziehungen durch große Entfernungen gleichsam erst möglich als auch unmöglich. Angesichts dieser durchaus kritischen Botschaft verzeiht man selbst die weitgehende Aussparung der sozialen Probleme Indiens wie HIV, Hunger und Armut, die in Outsourced allenfalls marginal thematisiert und/oder ironisch gebrochen und euphemisiert werden, gern (7/10).
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