Eine Kritik von Moonshade (Bewertung des Films: 8 / 10) eingetragen am 11.09.2010, seitdem 2704 Mal gelesen
Zu den auf dem Papier sicher riskantesten Filmideen gehört "Four Lions" auf jeden Fall - wo heutzutage jeder unterdurchschnittliche Karikaturist schon für eine kritische Mohammed-Abbildung mit dem Tode bedroht wird. Ein Film über vier bzw. fünf depperte Selbstmordbomber, die sich mittels ihrer Tat in ihrer religiösen Hingabe verewigen wollen, ist sicherlich nicht überall und schon gar nicht im Nahen Osten ein Thema, über das man lachen möchte.
Andererseits kann der Film als brauchbare Abreaktion für ein westliches Publikum durchaus herhalten, da man als aufgeklärter Mensch natürlich ebensowenig die Handlung der Selbstmörder verstehen kann, wie die Dimension dieser Taten in irgendeiner Form verarbeiten, wenn man nicht selbst davon betroffen ist. Die Aktionen selbst sind dermaßen schockierend und scheinbar unkontrollierbar, das am besten das Lachen die Angst davor einschränken kann. Und das gelingt in Christopher Morris' brachialer Gagparade, ohne die Tat an sich zu verleugnen oder zu verharmlosen. Dummheit bis zur letzten Konsequenz, das ist das Thema des Films und die Fragwürdigkeit der Motive zieht sich wie ein Schützengraben durch den ganzen Film, um sich größtmöglichst der Realität anzunähern.
Dabei sind Morris und Kollegen sorgfältig darum bemüht, nicht simpel den Islam als religiösen Auslöser niederzuknüppeln, sondern unter der hirnschonenden Gagdichte dieses Volldeppenquartetts verstecken sich stets hochrealistische Bezüge.
Da ist als Anführer zunächst Omar, der eine Art assimilierter britischer Muslim zu sein scheint - durchaus westlich hat er nicht nur eine moderne und aufgeklärte Frau und einen lieben Sohn, sondern auch einen ordentlichen Job. Sowohl er als auch seine Frau tragen westliche Kleidung - allein sein einziges Ziel scheint die Anerkennung mittels des Djihad zu sein. Das zeichnet die Fälle nach, in denen scheinbar angepaßte Personen aus nicht nachvollziehbaren Gründen zu Schreckenstaten fähig waren, was besonders bezeichnend ist in den Szenen, in denen seine Frau ihn in seinem Wunsch auch moralisch unterstützt, genauso wie der kleine Sohn begeistert der Djihadversion des Königs der Löwen als Gutenachtgeschichtsmutation lauscht.
Als pointierter Gegenpol fungiert sein Bruder, der als traditioneller Moscheeislam mit strengen Kleidervorschriften und Islamgesprächsrunden Omar immer wieder zur Diskussion auffordert, aber an der idiotischen Verblendung scheitert. Besonders trifft das auf eine Sequenz zu, in der er die Wohnung seines Bruders nicht betreten will, weil dessen Frau noch anwesend ist, noch dazu unverhüllt.
Dazu passend als total hirnloser Mitläufer sein Kumpel Waj, für den er demagogisch mitdenken muß und der vollkommen neben der Spur laufende Fessal, der Krähen als Bombenattentäter ausrüstet und sich bei der Besorgung des Sprengstoffrohmaterials enorm dämlich anstellt. Neben dem jugendlichen Mitläufer Hassan, den die Parolen mitreißen, ist dann noch (in einer besonders irritierenden Rolle) der Brite Barry, der zum Islam konvertiert ist und sich nicht nur mohammedanischer als Mohammed selbst gebärdet, sondern auch ein bizarres Selbstverständnis seiner neu gewählten Religion mitbringt: es ist extremer als jeder andere in diesem Film.
Besonders viel Plot hat "Four Lions" nicht - tatsächlich ist der Film eine endlose Frustrationskette, als die fünf nicht nur an der Realität (und dem westlichen Umgang mit der islamistischen Extremistenbedrohung) scheitern, sondern auch an ihrer eigenen Unfähigkeit. Von den mißlungenen Drohvideos über den Sprengstoffkauf bis zum mißglückten pakistanischen Terroristen-Ausbildungslager ist praktisch alles dabei - und Morris kann nicht widerstehen, den Westen gleich derbst mit durch den Kakao zu ziehen oder zumindest die Obrigkeit und die schützenden Institutionen.
So treibt der Film wahnwitzig mit Entsetzen Scherz und ist doch zwischen den Brüllern so verdammt nah an der Realität, wenn der komplette Film schließlich am Ende anhand von Kameraaufnahmen ein ganz anderes Bild von den Attentätern zusammensetzt, nämlich ein bedrohliches anstelle eines komplett idiotischen.
Wo es an der Aktion aber manchmal mangelt, treibt der Film es bisweilen mit den ausgefeilten Dialogen auf die Spitze, wenn die vier übereinander herfallen und ideologisch und intellektuell die Klingen kreuzen und die Absurdität wahre Bocksprünge macht ("Wir sprengen die Moschee! Das wird die anderen Moslems endlich aktivieren, die Sache selbst in die Hand zu nehmen!").
Erst gegen Ende, wenn es dann ans Eingemachte geht, mischt sich noch eine nachdenkliche Note in den Aberwitz, aber selbst hier treibt einem der Sarkasmus der Nähe zur Realität jeden trüben Gedanken relativ schnell aus.
"Four Lions" mag nicht perfekt sein und auch keine Lösungen bieten, aber er trifft bisweilen trotz Übertreibungen und Vergröberungen enorm ins Schwarze und forciert lösendes Gelächter, um dann vielleicht eine neue Aufmerksamkeit und einen Hauch von Einfühlungsvermögen gegenüber islamistischen Klischees anzuregen. Vermutlich wird es der Film gerade wegen der Brisanz nicht bis in die Kinos schaffen, aber wenn es schon ein Thema gibt, das sich wenigstens einmal deftig lohnt, verarscht zu werden und dann auf einer Subebene auch noch auf diesem Niveau, dann sollten auch die Moslems was zu lachen haben. (8/10)
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