Eine Kritik von Intergalactic Ape-Man (Bewertung des Films: 8 / 10) eingetragen am 02.11.2020, seitdem 230 Mal gelesen
Blumen, Windmühlen, Käse und Gras, das Land der Wohnwagenfahrer ist von Klischees belegt, um die kaum ein Entertainer herum kommt, der als beliebter Exportartikel auf dem deutschen Unterhaltungsmarkt auftaucht. Neben Rudi Carrell und Herman van Veen gehört wohl der Fernsehproduzent John de Mol zu den erfolgreichtsten Holländern. Wenn man nicht mehr damit rechnet, rufen sich die Fußballer bei einer WM ins Gedächtnis zurück. Viel mehr weiß man über die flache Gegend in der Regel nicht.
Mal scharf nachgedacht, wieviele niederländische Regisseure fallen einem ein? Paul Verhoeven natürlich und vielleicht noch Jan de Bont, der für ihn als Kameramann gearbeitet hat. Daß Monique van de Ven in Verhoevens Türkische Früchte debütierte und auch in Verfluchtes Amsterdam eine wichtige Rolle spielt, scheint fast als Hinweis auf eine eher kleine Filmindustrie im europäischen Westen. Dick Maas, der Regisseur, Autor, Komponist und Produzent in Personalunion gehört schon zu den weniger geläufigen Namen, dabei hat sein erster Spielfilm Fahrstuhl des Grauens internationale Bekanntheit erlangt. 1986 eröffnete Eine Familie zum Knutschen einen ersten Einblick in das Flodderversum, welches Maas in zwei Sequels und einer Fernsehserie ausbaute.
Verfluchtes Amsterdam entstand in der Pause vor Eine Familie zum Knutschen in Manhattan und verschmilzt als waschechter Kriminal-Thriller mit Horrorfilm-Ästhetik gleich soviele Facetten miteinander, daß man glaubt, Dick Maas habe darum gebangt, nie wieder einen Film drehen zu dürfen. Dabei spielt er mit den Kulissen der Stadt Amsterdam und ist wundervoll zynisch, wenn er zwischen europäischer Biederlichkeit und Sensationen von internationalem Format wechselt.
Seine Exposition findet aus der Froschperspektive der Grachten statt, die das Stadtbild prägen. Zu ächzendem Atem reißen uns Synthesizer mitten in die 80er Jahre zurück, erinnern zunächst noch an Klangbilder aus Der weiße Hai, bevor eine nicht zu leugnende Parallelität zu John Carpenter entsteht. Die Küche eines Chinarestaurants ist eins der vielen exotischen Motive, die vom Culture Clash der niederländischen Hauptstadt erzählen. Der rote Schein des Lustviertels ist das pulsierende Herz der Nacht. Das Schicksal einer Sexarbeiterin hebt die Farbe des Blutes zu einem wesentlichen Aspekt von Verfluchtes Amsterdam empor. Die Hure, gerade einer versuchten Vergewaltigung entronnen, wird bestialisch ermordet und in die Gracht gezogen.
Dick Maas inszeniert diese Hinrichtung wie einen Monsterfilm, der das Verderben durch diese Taufe unwiderruflich mit der Stadt verbindet. Mehr noch, als die Leiche von einer Brücke hängend mit einem Rundfahrtsboot kollidiert, unterstreicht er die Zurschaustellung der Gewalt, die er mit seinem Film übernimmt. Eine übertrieben blutige Spur deutet die folgende Mordserie an. Die Leiche spekulativ ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, kann man eine Nähe zum Giallo oder Slasherfilm kaum klein reden.
Huub Stapel, Mitglied das maas’schen Stammensembles, strahlt als Polizist Eric Visser eine Lässigkeit zwischen Dirty Harry und Horst Schimanski aus. Zeitgemäß erinnert sein Look an Sylvester Stallone in Die City Cobra.
Die restlichen Ermittler hingegen wirken in Verfluchtes Amsterdam uncool bis unfähig. Dieses Klischeebild lässt sich weniger mit dem deutschen Pummelchen nebst Klappstulle und Thermoskanne vergleichen, als es die Machtlosigkeit der Ordnungshüter betont, wie es das italienische Genrekino in den 70ern etabliert hat.
Eric Visser hat ein Privatleben. Eine Tochter und ein neuer Flirt zeugen von einer Normalität, die von der Bestie penetriert wird. In einer beiläufigen Nachlässigkeit legt Dick Maas in Verfluchtes Amsterdam Fährten, die mit den Konventionen des Genres kokettieren, aber nicht immer zu einem Ergebnis führen müssen. Die Auftritte des Killers, einem Froschmann, der die Grachten durchschwimmt wie in besten Edgar Wallace Zeiten die Themse, werden oft künstlich überspitzt. Maas beobachtet extreme Details der in kalt-blauen Schimmer getauchten Taucherausrüstung wie ein Fetischist. Ein zwischen die Beine einer Gummiboot-Kapitänin fahrendes Messer, wobei der Taucher die leicht bekleidete Frau durch den transparenten Boden beobachtet, schlägt nach dem Vorbild von Wes Craven, wahlweise in Tödlicher Segen oder A Nightmare on Elm Street.
Je weiter der Mörder in die Normalität vordringt und die Polizei mit seinen Spielchen verhöhnt, desto drastischer wirkt das Treiben des Unbekannten, dessen übernatürliche Mystik über sein Handeln hinaus durch fortlaufende Hinweise gestützt wird. In Verfluchtes Amsterdam ähnelt dies den Actionszenen innerhalb der schmalen Gassen und Grachten, deren Enge durch die zunehmende Geschwindigkeit der Verfolgungsjagten den Kontrahenten die Luft abzuschnüren droht.
In den atemberaubenden Hetzereien liegt die zweite Stärke der Produktion, die 1988 zu den 100 erfolgreichsten in Deutschland gezeigten Filmen gehörte. Was auf der Straße schon mit der direkten Härte eines italienischen Polizeifilms abläuft, nimmt seinen Höhepunkt in einer Bootsverfolgung, die dem 1971er Film Die Ratten von Amsterdam entlehnt ist. In direkter Konkurrenz steht diese Szene außerdem mit der Jagd durch die Hamburger Speicherstadt in Zinksärge für die Goldjungen und natürlich dem James Bond Film Leben und sterben lassen, der in Verfluchtes Amsterdam durch einen per Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde belegten 67-Meter-Sprung über zwei Brücken noch überflügelt werden konnte.
Der Selbstversuch hat gezeigt, daß Verfluchtes Amsterdam, in der deutschen Synchro mit Größen wie Frank Glaubrecht und Joachim Kerzel besetzt, auch nach Jahren der Forschung im Bereich des Genrekinos nichts von seiner Faszination eingebüßt hat. Auf einem soliden Fundament im zeitgenössischen Kontext verankert schickt uns Dick Maas auf eine Zeitreise, die Konventionen mit reichlich Spieltrieb reflektiert.
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