Review

Falsch abgebogen geht in die vierte Runde. Wer hätte das - nach Teil Zwei - gedacht? Nachdem uns mit „Wrong Turn" im Jahr 2003 ein ordentlicher Backwoodslasher vor die Linse gesetzt wurde, der noch vor Alexandre Ajas 2005er Remake von „The Hills have Eyes" erstmals seit zwei Dekaden wieder mutierte Hinterwäldler ins Kino holte, die ihre eigene Spezies zum Fressen gern haben, wurde bereits der Nachfolger nur noch als billiger C-Streifen und direct-to-DVD produziert. Zwar hatte auch der seinen Charme, aber die Idee schien zu Grabe getragen. Dann erschien vor drei Jahren etwas überraschend der dritte Teil und, man staune, hier steckte wieder mehr Geld drin. „Wrong Turn - Left for Dead" (2009) war ohne den dazugehörigen samstäglichen Bierrausch zwar kein großes Kino, aber doch vorzeigbar. Die drei hässlichen Inzüchtler, die inzwischen sogar Namen haben und denen nicht wenige Fans der Reihe bereits eine Art Kultfaktor zubilligen, waren und sind bis heute nicht ganz so familienuntauglich wie die nuklear verseuchten Wüstenzöglinge unter der Ägide Ajas. Doch auch wenn die von Rob Schmidt 2003 auf die (Geister-)Bahn gesetzten Mutanten nicht vergewaltigen, in den Wäldern West Virginias erfahren die Opfer ebensowenig Gnade wie in der Wüste New Mexicos. Hier wie dort landen alle im Kochtopf.

Was bietet uns denn nun „Wrong Turn - Bloody Beginnings", der inzwischen vierte Teil der Reihe? Exakt genau das, was der geneigte Fan sehen möchte: Verblödete Twens, die nur an Party und Sex denken, fetzige, bereits die Messer wetzende Mutanten, wunderschöne, nackte Mädels - und extrem brutale Tötungsszenen. Richtig gehört! Der neueste Streich unter der Leitung Declan O'Briens ist mit gebührendem Abstand der bisher derbste. Hier wird die Nase abgebissen, gevierteilt, lebendig aufgefressen, zerhackt und zermantscht, dass man sich die Augen reibt. So blutig ging es bisher noch nie zu in West Virginia. Wenig überraschend fand die ungeschnittene Fassung des Films - nach den Amokläufen der letzten Jahre - keine Hoffnung auf Veröffentlichung im zensurwütigen Deutschland.

Des Weiteren überrascht der Name des Regisseurs. O'Brien zeichnete sich nicht nur verantwortlich für den - im direkten Vergleich - noch weniger überzeugend inszenierten dritten Teil, sondern auch für die üble Frechheit „Sharktopus" (2010). Der Möchtegern-Trash um einen Haikraken oder Krakenhai (oder simple Fingerübung für Html-Anfänger), der angeblich süße Häschen vom kalifornischen Strand weglutscht, war so ziemlich der absolute Tiefpunkt horrorfilmischen Schaffens der letzten Jahre. Dass der dafür offiziell Verantwortliche offenbar inoffiziell unschuldig war, steht nun fest. Der Mann ist nicht nur zu allem fähig, sondern auch zu etwas zu gebrauchen. Mit gefühlten 120 Dollar Film-Budget lässt sich eben kein CGI-Killerhai basteln. Nicht von Steven Spielberg und auch nicht von Declan O'Brien.

Schon eingangs wird im neusten Aufguss die Marschrichtung erläutert: Die dreiköpfige Mutantenfamilie kann aus der extrem schlecht bewachten Anstalt für extrem gefährliche Irre fliehen - nicht jedoch, ohne vorher ein fieses Blutbad am Pflegepersonal anzurichten. Jahre später liegt das Gebäude leer und unbezogen in der Pampa westlich der Appalachen. Ein paar Meilen entfernt machen sich ein paar junge, unternehmungsfreudige Hochschüler/-innen auf, im winterlichen Schneetreiben einen Schneemobilausflug zu machen. Nachdem sich die von Anfang an leicht debilen Partyfans erwartungsgemäß verfahren haben, seit Stunden umherirren und die albernen Trendfrisuren der Jungens bei inzwischen minus 15 Grädern nicht mehr richtig sitzen, sucht man sich doch ein Domizil für die Nacht, um den Unbilden der Natur zu entkommen. Hätte man freilich besser nicht getan, denn unsere stets hungrigen Sickos leben natürlich noch - wie sinnvoll - in ihrem einstigen Gefängnis und sind über den unangekündigten Besuch keineswegs erfreut. Also machen sie sich ohne viel Federlesens daran, die Gruppe möglichst blutig zu dezimieren. Dabei soll der eigene Spaß natürlich nicht zu kurz kommen. Und von Gaudi versteht allen voran der dauergackernde „Three Finger" nicht wenig. Die allerdings bei „Hostel 2" (2007) geklaute Idee, kulinarischen Hochgenuss durch möglichst frisches Fleisch zu garantieren, bringt Leben in jede Runde frohgemuter Horrorfans. Noch einmal ganz deutlich: Das scheibchenweise verarbeitete Fonduefilet lebt noch.

„Wrong Turn 4" erfüllt die Erwartungen eines jeden Freunds von solidem Backwoodhorror. Obwohl der Streifen natürlich von vorne bis hinten seicht, null originell und bis ins kleinste Detail vorhersehbar ist, liefert er vertragsgemäß doch genau das, was man sich von einem solchen Brett erwartet. Dabei ist das Ganze sehr unterhaltsam, auch wenn wir alles schon tausend Mal gesehen haben: vom genreüblichen, klassisch unwitzigen Vortäuschen von Gefahr, um die Mädels zu erschrecken bis zur im weiteren Verlauf bereits Grenzen überschreitenden Dämlichkeit der Hauptakteure. Die benehmen sich hier diesmal so hirnverbrannt daneben, dass man sie, ganz im Sinne Darwins, irgendwie ganz selbstverständlich aus der Welt scheiden sieht. Wie bei Jason Voorhees an jedem Freitag, dem Dreizehnten, ertappt man sich dabei, anstatt den Kiddies dem Killer die Daumen zu drücken angesichts der zum Fremdschämen einladenden Adoleszenz. Da wird so ziemlich jede peinliche Marotte hormongeladener Partywallfahrer bemüht, werden die überwältigten Peiniger nicht nur am Leben, sondern zudem in ihrer Zelle praktisch unbewacht gelassen und schlussendlich im nächtlichen Wald auf der Flucht vor hochgefährlichen Psychopathen lauthals auf einer Lichtung wie blöde geröhrt - oder ganz lässig ein kleines Nickerchen gemacht. Wirklich spannend wird es - im Gegensatz zum klasse inszenierten ersten Teil - zwar nicht, aber die Optik passt, Längen sind keine vorhanden und der Gorehound bekommt das, wonach er oft nur vergeblich sucht. Keine leeren Versprechungen, hier bekommt man Kunstblut fürs Geld. Einzig den billig in Szene gesetzten CGI-Lebenssaft beim Tod einer der Hauptfiguren kurz vor dem Ende hätte man sich schenken können. Aber was soll's! Angesichts der flotten Inszenierung blickt man nach neunzig Minuten auf einen kurzweiligen Spaß zurück, der wieder einmal beweist, dass es möglich ist, auch ein hundert Mal vorgesetztes Gericht noch ordentlich schmecken zu lassen. Alles eine Frage der richtigen Würze. Guten Appetit!

Details
Ähnliche Filme