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Um die schwer kranke Schwester zu pflegen, leben drei Frauen - ihre beiden Schwestern und die Haushälterin - in einem einsamen Haus zusammen. Die Situation ist angespannt, nicht nur wegen der belastenden Krankheit, sondern auch, weil die Frauen teils schwierige Vergangenheiten miteinander verbinden. Und der Zustand der Kranken verschlechtert sich immer mehr...

Mit „Schreie und Flüstern" inszenierte Ingmar Bergman ein intensives, fesselndes und verstörendes Kammerspiel, das tief in die seelischen Verwerfungen seiner drei Hauptfiguren blickt. Da ist die strenge, neurotische, unglücklich verheiratete älteste Schwester, die einen schrecklichen Suizidversuch hinter sich hat; die von der Mutter geliebte und bevorzugte Tochter, die eine Affäre mit einem Arzt hatte und unter deren freundlicher Oberfläche in Notsituationen immer wieder eine eiskalte Verachtung und Berechnung hervortritt; und die arme Haushälterin, die sich den Launen der Familie unterwerfen muss und in einer erotisch aufgeladenen Beziehung zur kranken Schwester steht.

All diese Konstellationen und Hintergründe werden durch zahlreiche, die geradlinige Handlung unterbrechende Rückblenden Stück für Stück beleuchtet. Dabei zeigen sich die für Bergman typischen Stärken: Zum einen die strenge Inszenierung, die jedes Bild, jede Einstellung als durchkomponiertes Gesamtwerk erkennen lässt. Schon die grandiose Einleitungsszene begeistert - wunderschöne Bilder der das Haus umgebenden Landschaft in der Morgendämmerung, dann die ersten Eindrücke der Agierenden, lange ohne gesprochenes Wort. In bedächtigen, teils langgezogenen und jedes Detail betonenden Einstellungen werden die Charaktere eingeführt, und immer wieder dominiert anstatt Dialogen die Geräuschkulisse das Geschehen: tickende Uhren, schweres Atmen, vollkommene Stille. Wie hier Bild- und Tonebene zu einem intensiven Gesamteindruck verschmelzen, ist einfach meisterhaft.

Die dann doch noch einsetzenden Dialoge, die sich oft als Bergman-typische Monologe über das eigene Leben und Leiden entpuppen, sind von großer emotionaler Kraft, legen verdrängte Traumata und schwierige Verhältnisse zwischen den Charakteren bloß. Auch wenn manche der Dialoge weniger realistisch als viel eher theatralisch wirken (was aber durchaus zu den spärlichen Settings passt, die immer wieder wie die Hintergrundkulissen einer Theaterbühne aussehen), können sie doch ob ihrer inhaltlichen Stringenz und fesselnden emotionalen Schärfe berühren und verletzen. Auch wenn „Schreie und Flüstern" ein Film ist, bei dem stärker als bei vielen anderen Bergman-Werken die großen Gefühle eher durch das Schweigen zwischen den Agierenden ausgedrückt werden.

Zuletzt erweist sich wieder einmal die Besetzung als Glanzleistung. Sämtliche Darstellerinnen und Darsteller geben ihre Figuren mit einer Kraft und Brutalität, die wirklich staunen lässt. Mimik und Gestik, kleinste Details, Kleidung und Make-up - alles steht im Dienst der vollkommenen Verwirklichung der Figur. Das ist große Schauspielkunst, die durchgehend zu überzeugen weiß.

Die einzige kleine Schwäche dieses ebenso stillen wie intensiven Films, dessen teils schockierende Wendungen mehrmals vollkommen unvorhergesehen über den Zuschauer hereinbrechen, ist die Storykonstruktion, die mit ihren vielen Rückblenden im Lauf der Zeit für ein wenig Verwirrung sorgen kann, wenn man nicht in jeder Szene hochkonzentriert bleibt. So besteht die Gefahr, manche Zeitabläufe und Verbindungen zwischen Charakteren nicht ganz nachvollziehen zu können.

Auf formaler Ebene aber zeigt „Schreie und Flüstern" den schwedischen Meisterregisseur auf der Höhe seines Schaffens. Streng komponierte Bilder, ein extrem zurückgefahrener Soundtrack, der die wenigen, aber intensiven Dialoge ins Zentrum rückt, und eine grandiose Darstellerinnenriege machen ihn zu einem durchgehend fesselnden Kammerspiel, in dem immer wieder psychische Verletzungen und Obsessionen freigelegt werden. Ein psychologisch dichtes Stück, das durchaus lange nachwirken kann.

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