Eine Kritik von Mr.Wilt (Bewertung des Films: 7 / 10) eingetragen am 11.12.2008, seitdem 508 Mal gelesen
101 Reykjavik…
…ist wie ein Hlynur, dem von Hilmir Snær Guðnason dargestellte Protagonist dieses isländischen Machwerks. Zumindest dann, wenn man dessen Eigendefinition kurz vor Schluss des Filmes aufgreift. Der Hlynur ist danach ein Kind eines Alkoholikers und einer Lesbe und vermengt als solches die prägenden Eigenschaften beider Spezies. Selten zuvor habe ich erlebt, dass sich Aussagen eines Films so sehr auf diesen selbst münzen lassen - das Ganze sieht dann in detaillierter Paraphrase wie folgt aus:
Der Alkoholiker ist ein Sumpfvogel. Er ist schwer und braucht einen ziemlichen Anlauf um fliegen zu können.
Übertragen auf den Film bedeutet dies, dass es am Anfang ein wenig dauert, bevor man sich mit der recht sperrigen Erzählweise und dem meines Erachtens so unerklärbaren Charakter des Protagonisten angefreundet hat – falls man letzteres überhaupt kann. Dazu muss man wohl entweder sein wie er selbst oder von sehr toleranter Natur. Mir jedenfalls verschloss es sich leider bis kurz vor Schluss Sympathien für den Hlynur zu entwickeln - zu träge, zu verantwortungs- und zu motivationslos war mir der bei seiner Mutter lebende Arbeitslose aus Leidenschaft.
Er ist jedoch sehr ausdauernd. Er kann wochenlang fliegen.
Nach den Startschwierigkeiten aber bewegt man sich zumindest inhaltlich in der immer gleichen Flughöhe, in der eine bunte Mischung aus komischen, dramatischen und skurrilen Szenen an einem vorbeigleitet, die man nur mit offenen Augen aufsammeln muss, um die Erinnerungen daran einige Wochen lang noch im Kopf zu haben.
Nach der Landung ist er eher ruhig.
Gelegentliche Längen sind durchaus vorhanden, gehören aber zu diesem Film und zu seinen Charakteren einfach dazu.
Und kann sehr scheu sein. Es ist ja auch schwer mit einen Film hausieren zu gehen, den kaum einer kennt, der keine wirklich wiedergebare Handlung hat und den man, bei allem Sinn für den vorhandenen Humor, vor allem aufgrund der Charaktere selbst nur schwer verdaulich findet. Dennoch möchte ich zumindest auf jenen PKW, die auch mal auf einem für das Mainstream-Publikum gesperrten Parkplatz abgestellt werden, mein Knöllchen hinterlassen, auf dem steht: ordnungswidrig handelt nur der, der sich nicht selbst ein Urteil bildet. Und für all die, die sich jetzt fragen, ob ich das nicht hätte auch einfacher formulieren können, seigesagt, dass ich mit dieser metaphorischen Ausdrucksweise nur meine Lieblingsszene des Films küren wollte, ohne sie hier im Details wiederzugeben.
Die Lesbe ist im Gegensatz zum Alkoholiker noch nicht lange in Island heimisch.
Und dementsprechend ist mir zuvor auch noch kein anderer isländischer Film mit einer so offenherzigen Gesellschaftskritik, verbunden mit einem zwar nicht schwarzen, aber zumindest grauschattiertem Humor untergekommen.
Man vermutet, dass sie von Dänemark und den britischen Inseln herübergekommen ist. Und gerade der eben schon angesprochene Humor, die skurrilen Figuren und die Erzählstruktur erinnern ein wenig an andere Filme aus den genannten Gefilden, wenn 101 Reykjavik natürlich nicht an die Klasse eines „Trainspotting“ oder von „Adams Äpfel“ herankommt.
Für den Hlynur unter den Filmvögeln gibt es von mir aber noch gerade so 7/10 Punkte und den Hinweis darauf, dass mit ein bisschen mehr Pepp sogar mehr drin gewesen wäre.
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