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2000 erlebte der chinesische Wu’Xia Film seine Reinkarnation, ein Erfolg der besonders einem Film anzurechnen ist: Tiger & Dragon.
Besonders die internationale Presse stürzte sich auf Ang Lees Meisterwerk und überschüttete es mit Lob, bei Filmawards rund um den Globus war der Film einer der größten Abräumer. Allein vier Trophäen konnte Tiger & Dragon bei der amerikanischen Oscarverleihung einheimsen, darunter so wichtige Kategorien wie Kamera, Musik und bester fremdsprachiger Film.

Heute muss man den Hype etwas differenzierter sehen, nichtsdestotrotz ist Tiger & Dragon ein bahnbrechendes Meisterwerk welches den chinesischen Film nachhaltig beeinflusst hat. Regisseur Ang Lee (Hulk, Brokeback Mountain) entführt uns in die chinesische Vergangenheit, in eine Zeit der Mythen und Legenden. Der Film basiert auf einer fünfteiligen Wu’Xia Novelle von Du Lu Wang, widmet sich aber nur einer Episode der Geschichte:
Der hochangesehene Schwertkämpfer Li Mu-Bai (Chow Yun-Fat) hat das ewige Blutvergießen satt, er bittet daher seine Freundin Yu Shu Lien (Michelle Yeoh) sein grünes Jadeschwert nach Beijing zu bringen um es dem Hohen Rat zu übergeben. Als das Schwert aus dem kaiserlichen Palast entwendet wird, führt die Spur zu Jade Fuchs. Diese hinterhältige Mörderin brachte Mu Bais Meister um, nun ist die Zeit gekommen um Rache zu nehmen.
Doch Jade Fuchs ist nicht allein, sie hat in der Gouvaneurs Tochter Jen (Zhang Ziyi) eine starke Schülerin gefunden. Jen verfolgt aber eigene Pläne, insgeheim wünscht sie sich genauso furchtlos und frei zu sein wie die berühmten Wu’Dang Kämpfer.

Es entbeehrt nicht eine gewissen Ironie das ausgerechnet Ang Lee einen Film über die chinesische Sagenwelt der Schwertkämpfer macht. Auch wenn er in Taiwan aufwuchs, so stammt seine Familie eigentlich aus China wurde aber während der Kulturrevolution verjagt und ermordet.
Bisher waren eher menschliche Dramen, der Stoff für Lees Filme. Mit Tiger & Dragon versuchte er sich zum ersten Mal auch an einem Actionfilm. Dank des üppigen Budgets, großartigen Darstellern und einem erfahrenen Team gelang es Lee den eigentlich tot geglaubten Wu’Xia Stoff neu aufzuarbeiten, so das nicht nur eingefleischte Verehrer asiatischer Filme, sondern auch die breite Masse, angesprochen wird. Angesichts der durchaus komplexen Hintergrundgeschichte, angereichert mit chinesischer Philosophie und den ruhigen Erzählfluss entspricht dieser Film nicht wirklich den gängigen Filmkonventionen. Umso erstaunlicher die große Begeisterungswelle nach dem Erscheinen.

Nicht unwesentlich zum Erfolg beigetragen haben dabei sicher die einzigartigen Kung Fu Kämpfe, die vom seinerzeit gerade extrem populären Matrix-Choreographen Yuen Woo-Ping genial auf Zelluloid gebannt wurden. Dabei kommt alles zum Einsatz was den chinesischen Martial Arts Film groß gemacht hat, vom waffenlosen Kampf bis hin zu den ungewöhnlichsten Hieb- und Stichwerkzeugen. Die Kämpfe sind dabei nicht nur ungemein ästhetisch, sondern auch rasant und in schönen Bildern gefilmt. Wenn man bedenkt das keiner der Darsteller wirklich Kampfkunst ausübt, ist es schon beachtlich was hier geleistet wurde. Besonders die beiden Damen Zhang Ziyi (Die Geisha, Hero) und Michelle Yeoh (Tai-Chi, James Bond: Der Morgen stirbt Nie) überzeugen in einer der bestgefilmten Kampfszenen der letzten Jahre, bei der vom Schwert bis zur Lanze alles an Waffen zum Einsatz kommt was nur irgendwie greifbar ist. Eine wirklich atemberaubende Sequenz, die Woo-Pings Ruf als einer besten Choreographen Hongkongs einmal mehr unterstreicht.
Wie für ein Wu’Xia Epos typisch sind viele der Actionszenen mit Wirework aufbereitet, was auch nur selten negativ auffällt. Wer mit vergleichbarerer Filmkost aus Asien vertraut ist, wird hier keine größeren Überraschungen finden. Etwas gewöhnungsbedürftig für westliche Sehgewohnheiten sind vielleicht die wenig realistischen Flugeinlagen, z.B. wenn Li Mu Bai und Jen durch die Kronen eines Bambuswaldes schweben.

Doch Tiger & Dragon ist nicht nur ein Martial Arts Film, er gewährt auch einen interessanten Einblick in die chinesische Philosophie. Mit der Figur des Mönchs Li Mu Bai wird besonders der durch Jahrhunderte alte Lehren tiefverwurzelte Glauben sehr gut veranschaulicht. Chow Yun-Fat (The Killer, Hard Boiled) spielt einmal nicht den großen Actionhelden, sondern eher den besonnenen Lehrmeister der das kämpfen satt hat. Kennt man Yun-Fat sonst eigentlich nur aus Bloodshed Filmen der Marke John Woo ist das schon etwas ungewöhnlich, doch auch diese Rolle steht ihm unerwartet gut. In Zhang Yimous Course of the Golden Flower ist er schon bald wieder in einem Historienepos zu sehen.
Mit Michelle Yeoh bekommt er eine Leading Lady zur Seite, die schon in unzähligen Hongkong Filmen ihr Talent unter Beweis stellen konnte. Besonders für ihre athletischen Fähigkeiten ist Yeoh bekannt, was ihr gerade in den Martial Arts Szenen sehr zu Gute kommt. Doch auch ihre schauspielerischen Fähigkeiten können sich sehen lassen, besonders in den gefühlsbetonten Szenen agiert sie sehr überzeugend. Einen nicht unwesentlichen Part spielt auch Zhang Ziyi, die seinerzeit noch am Anfang ihrer Karriere stand. Heute gehört Ziyi zu den absoluten Top-Stars Asiens und hat auch den Sprung nach Hollywood geschafft. Die zerbrechlich wirkende Schönheit und die eiserne Kämpferin verkörpert sie gleichermaßen überzeugend und hebt sich mit ihrer trotzigen Art angenehm vom Rest des Ensembles ab.

Wie es sich für eine Big Budget Produktion gehört, lässt natürlich auch die Ausstattung keinerlei Wünsche offen und ist um ein realistisches Zeitbild bemüht. Kostüme, Requisiten und Gebäude – alles wirkt sehr authentisch und gebraucht. Sehr beeindruckend sind auch die zahlreichen Außenaufnahmen, wie die der Tempelanlagen vom alten Beijing und natürlich die atemberaubende Fauna Asiens.
Sehr gelungen ist auch die Kameraführung von Peter Pau, die sich durch sehr schöne Kamerafahrten und bildschöne Landschaftsaufnahmen auszeichnet. Sehr innovativ wurden auch die Kampfszenen eingefangen, so wechselt die Kamera beim Duell Michelle Yeoh/Zhang Ziyi zeitweise in die Vogelperspektive.
Eine Erwähnung wert ist auch die sehr emotionale Filmmusik von Tan Dun, die besonders in den Cello Soli von Yo-Yo Ma ihre volle Pracht entfaltet. Während der Kampfszenen dominieren rhythmische Trommelwirbel, während in den dramatischen und ruhigeren Passagen sehr gefühlvolle Musik den Ton angibt.

Fazit:
Tiger & Dragon ist besonders für Genre Neulinge eine Empfehlung wert, da die West-Ost Co-Produktion auf eine überzogene Charakterdarstellung und den typischen asiatischen Humor gänzlich verzichtet. Atemberaubende Bilder, fremde Mythen und erstklassiges Martial Arts zeichnen diese fantasievolle Geschichte aus, die zu den besten Wu’Xia Produktionen überhaupt gehört.

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