Es ist April 1945 im Südwesten Deutschlands. Der Krieg ist für das Dritte Reich seit Monaten unrettbar verloren. Seine Städte liegen in Trümmern. Die ausgeschlackten, seit Jahren völlig zusammengeschossenen Reste seiner Streitkräfte sind gerade dabei, von der überwältigenden Übermacht der Alliierten zermalmt zu werden. Und doch lässt es sich Brad Pitt nicht nehmen, den Heldentod fürs Vaterland zu suchen. Nicht weil es nötig ist, angesichts der aufgebrauchten Sprit- und Munitionsvorräte der Deutschen. Oder weil es etwa mit Blick auf die erdrückende Luftüberlegenheit der Amerikaner von 100:1 erforderlich wäre. Nein. Sergeant „Wardaddy" und seine Panzerfamilie wollen für einen völlig unbedeutenden Feldweg draufgehen, allein deshalb, weil ein amerikanischer Soldat „nie aufgibt". Und so wird relativ sinnbefreit ein ostschwäbisches Alamo aus dem Boden gestampft, das sich gegen Ende der Spielzeit von David Ayers kunterbuntem Weltkriegstreiben endgültig auf den Rummelplatz trollt, um ein Tontaubengemetzel zu veranstalten, wie man es im Ländle noch nicht gesehen hat und sicherlich bis zur endgültigen Explosion des Universums auch nicht mehr zu sehen bekommen wird.
Wieder einmal widmen sich Hollywoodstars dem europäischen Schauplatz der Jahre 1939-45. Das muss zwar nicht zwangsläufig mit einer epischen Kriegsseifenoper enden, wird aber in der Folge meist doch so wild, dass keiner der Beteiligten die bald in alle Himmelsrichtungen durchgehenden Gäule mehr einfangen kann. Und so ist das, selbst wenn man nicht so genau hinschaut, auch hier. Wen wundert es bei dem Regisseur und Drehbuchautor, der unechte Amerikaner den Code der deutschen Enigma hat entschlüsseln lassen („U-571", 2000) und sich dafür bei den echten Briten entschuldigen musste? Doch Schwamm drüber. Jeder macht mal Fehler oder tritt mal ins Fettnäpfchen. Stellt sich nur die Frage, ob man letzteres wirklich immer wieder absichtlich und mit Anlauf tun muss?
Ayer behauptet, diesmal großen Wert auf eine realitätsnahe Darstellung des Kampfgeschehens gelegt zu haben. Dazu hat er, weil das immer gut kommt, drei oder vier betagte Weltkriegsveteranen aufgetan, die gutmütig und etwas altersmilde (fast) alles abnicken, was ihnen da an Geballer vorgesetzt wird. Und so erleben wir Brad Pitt als Panzerkommandanten, der, einem strengen Vater gleich, seine Crew zu Höchstleistungen antreibt und nebenbei einen Neuling mit Herz, also einen vom Krieg noch völlig unbefleckten Grünschnabel, einordnet. Da kann es schon mal vorkommen, dass der Junge einen gefangenen Deutschen erschießen muss, um zu einem vollwertigen Mitglied der Truppe zu werden. Auch Vergewaltigungen werden für den Einmarsch der Amerikaner als Tagesordnungspunkte inszeniert, was nicht wenigen in der angelsächsischen Welt derzeit übel aufstößt. Und das nicht ganz zu unrecht. Denn die Amerikaner waren nicht die Russen. Vergewaltigungen sind sicherlich unter dem Eindruck des unfassbaren Geschehens mit seinem großen Potential an Verrohung vorgekommen. Sie waren aber nicht die Regel. Von allen Besatzungstruppen haben sich die Amerikaner nach Erhebungen in den Fünfzigerjahren nachweislich am besten gegenüber der Zivilbevölkerung benommen. Warum also dieses konstruiert differenzierte Bild der US-Soldaten in der ersten Hälfte des Films? Man ist sich nicht ganz sicher. Vor allem deshalb nicht, weil man auch die zweite Hälfte des Films gesehen hat.
Es ist unzweifelhaft bei jedem neuen Kinokriegsfilm der Fall, dass Unmengen an emsigen Hobbymilitärhistorikern aus ihren Löchern krabbeln und wie die Berserker über Sinn und Unsinn des Gezeigten debattieren. Da wird fachmännisch zerlegt, ob das Vorgehen der Jungs der Partei X im Film Y strategisch klug oder völlig an den Haaren herbeigezogen ist. Oder ob die Uniformen authentisch sind. Oder ob das Chassis samt Laufwerk von Panzer Z nicht doch das völlig falsche sei. Nun hat das ja auch alles seine Berechtigung und ist soweit ganz unterhaltsam. Nur wird die Sache womöglich recht eintönig, wenn außer einer echten Requisite, wie einem musealen deutschen Panzerkampfwagen VI, sonst wirklich überhaupt nichts mehr zusammenpasst.
So herrscht bei den in einer strategisch hervorragenden Lage befindlichen amerikanischen Truppen im Film eine sonderbare, unerklärliche Endzeitstimmung vor. Da wird in pessimistischer Trübsal manisch die Apokalypse in der Bibel rezitiert oder über die geringen Chancen des eigenen Überlebens philosophiert. Man fragt sich an der Stelle, was dazu denn wohl erst die deutsche Seite angesichts ihres selbstverschuldeten Untergangs sagen soll, wenn sich die Amerikaner ob ihres kurz bevorstehenden Sieges schon fast die Kugel geben.
Während man also mitten im Feindesland stundenlang über Gott und die Nachwelt schwadroniert, wird in Reihe, Fahrzeug hinter Fahrzeug, einem Karnevalsumzug nicht unähnlich, eine beschauliche Landpartie ins Herz Deutschlands unternommen. Und sollte doch einmal außer ein paar uniformierten Kindern deutsche Gegenwehr auftauchen, dann wird die kompanie- oder gleich bataillonsweise abgefertigt. Dabei ist es für die sich malerisch nebeneinander wie die Schießbudenfiguren aufstellenden amerikanischen Dumpfbacken ein Glück, dass die Deutschen ungefähr so gut schießen wie Ray Charles. Dass das Hin- und Hergeballer mit seiner leuchtspurigen Farbenpracht ansonsten optisch ganz nett aussieht, täuscht leider nur leidlich darüber hinweg, dass es fürs Kino stets vor allem gut aussehen, aber nicht gut durchdacht sein muss. Und wenn dann der originale, aus einem britischen Museum beschaffte deutsche Panzerkampfwagen aus der Werbung auftaucht, um doch noch ein paar Gegner auszuknipsen, dann ist er selbstredend so freundlich, seine vorzüglich getarnte Stellung aufzugeben und den Amerikanern entgegenzurattern. Zum Dank dafür wird er postwendend von Brad Pitt von allen Seiten gehörig durchlöchert. Wäre er lieber mal im Ruhrgebiet (oder in Deckung) geblieben, wo er im April ‘45 als einer der letzten deutschen Großkampfwägen im Westen eigentlich hingehört.
Zurecht wird nun bestimmt erwidert, das sei doch alles pedantische Erbsenzählerei. Stimmt schon. Ist es auch. Allerdings nur sofern ein Film einzig der Zielsetzung folgt, dem Zuschauer einen unterhaltsamen Actionkracher vorzusetzen. Nicht aber, wenn der Mann auf dem Regiestuhl damit hausieren geht, dass das von ihm Erzählte sozusagen Geschichte sei. Die endet bei David Ayer dann auch erwartungsgemäß damit, dass die Jungs von der Army einen Last Stand auf die Beine stellen, der sich (in Blut) gewaschen hat: Die im Gleichschritt durch die Botanik stapfenden, stumpfsinnig laut vor sich hinsingenden US-SS-Leute, die ihr Kommen in Feindnähe dankbarer Weise kilometerweit ankündigen, fallen bald von allen Seiten wie die Heuschrecken über den bewegungsunfähigen Panzer samt längst darauf vorbereiteter Besatzung her. Dabei turnen sie am liebsten vor dem Maschinengewehr des Fahrzeugs rum. Die letzte Viertelstunde Massenexekution lässt so auch wirklich sogar erfahrene Cineasten (oder John Rambo) verblüfft im Sitz zurück. Während also die Deutschen zur Großoffensive auf den kleinen Panzer blasen, haben die Helden drinnen leider ein wenig zu viel Gelegenheit, langweilige Anekdoten, markigen Pathos und allerlei Stahlhartes auszutauschen. Dabei braucht man eigentlich nur alle paar Minuten für einen Moment die Luke zu öffnen, um wiedermal kurz auf die inzwischen seit Stunden um den Panzer wuselnden Moorhühner zu schießen. Den anwesenden Waffen-SS Soldaten fällt dabei die undankbare Rolle zu, sich gegenseitig lauthals rumzukommandieren, mit rhetorischen Höchstleistungen, wie „Angriff, Angriff" und „Jetzt knallen wir sie aber ab, Feuer, Feuer" anzufeuern, und dabei so lange im Kreis zu rennen, bis sie erschossen werden.
Ob man seinen Spaß mit dem derzeit abgebrannten Feuerwerk von David Ayer und Brad Pitt hat, hängt wohl davon ab, was man sich erwartet. Möchte man einen soliden Film über das Ende des Zweiten Weltkriegs sehen - etwa der Marke von Oliver Hirschbiegels „Der Untergang" (2004) -, wird man relativ wahrscheinlich ziemlich enttäuscht das Kino verlassen. Zu sehr aus Granit die Einen. Zu weichgekloppt in der Birne die Anderen. Freut man sich hingegen lediglich auf ein farbenfrohes Drauflosgeballer, das garantiert die Rohre glühen lässt, dann ist man hier goldrichtig. Zudem wird hier drauflosgemantscht, dass es eine Freude ist. Dass sich ferner mehr als bei ähnlich gelagerten Produktionen um differenzierte Darstellung bemüht wird, macht das Ganze noch verdaulicher.
Und noch jemand wird seinen Zeitvertreib an diesem Schlachtfest des Nonsens finden - der historisch interessierte Hobbymilitär. Denn hier lässt es sich angesichts des siebenundvierzigsten Fehlschusses der deutschen Panzerabwehrkanone in Folge so richtig schön darüber streiten, ob das angesichts einer Entfernung zum Ziel von gefühlten drei Metern nun noch realistisch ist oder nicht. Aber Vorsicht: Wenn man sich nicht sicher ist, ob es nun „Panzerkommandeur" oder doch lieber „Panzerkommandant" heißt, dann lässt man vielleicht besser auch von der Diskussion die Finger.