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Zwei ungleiche, psychisch vorbelastete Kommissare ermitteln in einem bizarren Mordfall mitten im Nirgendwo. Das kommt bekannt vor. Die Story der ersten Staffel der Serie „True Detective" klang nämlich ganz ähnlich. Der Hit des Senders HBO läutete im Januar 2014, jedenfalls was die Qualität entsprechender Formate betrifft, geradezu einen Paradigmenwechsel ein. Erstmals sollte und durfte behauptet werden, dass das Niveau in die Länge gezogener, auf mehrere Folgen verteilter Unterhaltung, das eines hochwertigen, thematisch entsprechenden Kinofilms erreicht habe. Das war ungewohnt - und die Kritiken überschlugen sich entsprechend. Ist es da Zufall, dass nur wenige Monate später ein sehr ähnliches Szenario für das Kino ins Werk gesetzt wurde? Vermutlich überhaupt nicht.

Es ist wie einst in Louisiana. Nur finden wir uns diesmal im südspanischen Andalusien des Jahres 1980 wieder. Nach dem plötzlichen Verschwinden zweier fünfzehnjähriger Mädchen, wird ein Duo einander wesensfremder Ermittler auf den Fall angesetzt, die ihre Differenzen und mangelnden Schnittmengen vorübergehend hintanstellen, um gemeinsam einen Fall zu lösen, der sich binnen Kurzem als komplex entpuppt. Weder die Behörden vor Ort, noch die potentiellen Zeugen erweisen sich als besonders hilfsbereit. Man hält sich bedeckt, liefert Informationen nur auf Nachdruck und dann häppchenweise. Als schließlich die Leichen der beiden Schwestern gefunden werden, wird der Fall zum Mordfall. Dass die Mädchen vor ihrem Tod vergewaltigt und bestialisch gefoltert wurden, scheint jedoch der Anstoß für die nun einsetzende Kooperationsbereitschaft einiger Befragter zu sein. Und das lässt sich als Zuschauer nachvollziehen. Denn das schon vorher in der Luft liegende Schockmoment des Leichenfunds wird von Regisseur Alberto Rodriguez Librero recht behänd so eindringlich inszeniert, dass es möglichst lange vorhält. Der Rest des Films nämlich muss davon getragen werden.

„Mörderland", der spanische „La isla mínima", wurde in seinem Heimatland regelrecht mit Preisen überhäuft: „Bester Film", „Bester Hauptdarsteller", „Beste Regie", „Beste Kamera" und so weiter und so fort. Nun sind solche Ehrungen auch immer eine Frage der Konkurrenz, doch vermag es Alberto Rodriguez tatsächlich, sozusagen allein mit seinen Bildern eine beklemmende Grundstimmung zu erzeugen. Mehr noch als in „True Detective" dienen die Montagen der hier beinahe abstoßend wirkenden Landschaft und Infrastruktur als Mittel des Regisseurs, einen Abgrund zu visualisieren, in den die zwei Hauptfiguren gezwungen sind hinabzusteigen. Und wir mit ihnen.

Es sind jene beiden Hauptfiguren, die Polizisten Juan (Javier Gutiérrez) und Pedro (Raúl Arévalo), deren Charakterprofile überdies dazu dienen sollen, ähnlich wie bei „True Detective", der Geschichte ein unwägbares, zweifelhaftes und womöglich potentiell gefährliches Element beizumengen. Nur lässt sich das in 90 Minuten schwerer arrangieren als in einer zehnstündigen Staffel. Und so bleiben die Reibereien der beiden ihr Ziel nie aus den Augen verlierenden Ermittler hier nur kurioses Beiwerk, das zu keinem Zeitpunkt seinen Weg ins Zentrum der Geschichte findet. Da wirkt es manchmal fast ein wenig albern, dass Kommissar Pedro die ganze Zeit über schmollt. Sein sonderbares Betragen weist vor allem auf Probleme mit seinem Partner hin, die jedoch im weiteren Verlauf völlig ungelöst und für den Verlauf unwesentlich bleiben. Dass Juan selbst mit seiner Vergangenheit kämpft, die bis weit in Francos faschistisches Spanien zurückreicht, wird ersichtlich, spielt für den Fall an sich aber nur insofern eine Rolle, als dass er gern die Fäuste schwingt beim Verhör. Und das obendrein mit Erfolg. Das brisante Thema Vergangenheitsbewältigung wird so zwar in die Geschichte gemischt, verfehlt aber sein Ziel, der toll bebilderten Handlung Doppelbödigkeit oder mehr Tiefgang zu verleihen. Vor allem Pedros Persönlichkeit wirkt zu wenig ausgeleuchtet als Erklärung für sein - auch anderen gegenüber - schrulliges Verhalten und seine latent genervte Eigenbrötlerei.

Als richtig vertane Chance allerdings erweist sich die Auflösung der streckenweise sehr spannenden Geschichte. Ohne zu viel zu verraten, ist die am Schluss gelieferte Erklärung für den brutalen Mord an den Mädchen völlig unzureichend und der ins Bild geschubste Schuldige als Bad Guy gänzlich unbefriedigend. Manche meinen, bereits bei „True Detective" sei, wenn überhaupt, der Showdown ein wenig das Problem gewesen. Sollte dem so sein, dann hätte Alberto Rodriguez Librero die Gelegenheit verpasst, in wenigstens einer Hinsicht mit dem Original mithalten zu können.

Der Schatten Francos legt sich über das Treiben in Libreros Film - während jeder Einstellung, bei jedem Dialog und in jeder Miene der von ihm bewegten Figuren. Für uns Deutsche mag das wenig nachvollziehbar sein, zumal dort immer die Sonne scheint, doch trifft der Ton des Films offenbar den Nerv der Spanier. Da kann man sich solidarisch erklären und ordentlich mitfeiern. Oder man beurteilt die Sache aus der Distanz und genießt einfach die alptraumhafte Finsternis dieses Thrillers. Und erlaubt sich dennoch anzumerken, dass hier noch so viel mehr drin gewesen wäre.

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