Eine Kritik von vodkamartini (Bewertung des Films: 7 / 10) eingetragen am 30.04.2015, seitdem 2355 Mal gelesen
„Zeitalter der Ratlosigkeit"
Unter den Avengers herrscht Ratlosigkeit. Die erfolgsverwöhnte Superhelden-Combo bekommt es mit einem Gegner zu tun, den man selbst erschaffen hat. Die beiden Wissenschaftler Tony Stark (alias Iron Man) und Bruce Banner (alias Hulk) haben gemeinsam und heimlich eine künstliche Intelligenz namens „Ultron" geschaffen, um die Erde zu beschützen. Dass diese dann aber den Menschen selbst als größte Bedrohung ausmacht und folgerichtig zur Vernichtung freigibt, stand nicht im Programm. Da Ultron sich im Internet breit macht und zudem eine eigene Roboter-Armee (die „Iron Legion") aus beinahe unzerstörbarem Vibranium bastelt, sinken die Siegchancen der Rächer praktisch auf den Nullpunkt. Â
Diese innerbetriebliche Krisensituation ist die größte Stärke der zweiten Marvel-Helden-Party, denn sie erfordert Gesprächsrunden, Treffen und das Austarieren der komplexen Beziehungsgeflechte innerhalb der Gruppe. Regisseur Joss Whedon schien das ähnlich empfunden zu haben, denn diesen Szenen widmet er augenscheinlich die größte Aufmerksamkeit und das meiste Herzblut. Vor allem die bisher zu kurz gekommenen Teammitglieder Black Widow (Scarlett Johansson) und Hawkeye (Jeremy Renner)profitieren davon und man erfährt so einiges aus beider Leben vor den Avengers. Das bereits aus mehreren Solofilmen bekannte und damit in ihren Persönlichkeiten schon deutlich akzentuierter dastehende Heroenquartett Thor, Iron Man, Hulk und Captain America, lässt Whedon vor allem ihre Eitelkeiten, Neurosen und Manierismen im Zusammenhang mit bzw. im Umfeld von Team-Fähigkeit sowie der sich selbst zugedachten Rolle oder Position als Avenger verhandeln. Â
All dies präsentiert Whedon mit so viel Witz, Ironie, Schwung, aber auch leiseren, nachdenklicheren Zwischentönen, dass man sich als Teil einer geselligen, vertrauten Runde fühlt, mit der man gerne noch häufiger und auf jeden fall auch noch länger zusammen sitzen würde. Da ist man fast enttäuscht, wenn die Jungs und Mädchen wieder ihrem Kerngeschäft nachgehen (müssen) und dem Bösen ihre geballten Superkräfte entgegen schleudern.
Denn auch hier ist eine gewisse Ratlosigkeit nicht weg zu diskutieren. Diesmal bei den Machern. Nach gut 15 Jahren Superheldenkino-Dauerfeuer mit mehr als 30 Blockbuster-Comicverfilmungen, hat der Genrefreund wirklich alles gesehen, was diverse Stuntcrews und vor allem diverse Computer-Experten zu leisten im Stande sind. Ob zu Wasser, zu Land, in der Luft, oder im All, überallhin hat es mindestens einen Helden schon verschlagen. Ob Fahrzeuge, Schiffe, oder Flugzeuge, ob einzelne Gebäude, Straßenzüge, oder gleich ganze Städte, alles wurde schon irgendwann von irgendwem in CGI- Schutt und Pixel-Asche gelegt. Was also tun?
Die Antwort darauf ist schwer und zumindest „Avengers: Age of Ultron" kann sie nicht zufriedenstellend geben. Auch dass man sofort mit einem groß angelegten Sturmangriff auf die H.Y.D.R.A. Bergfeste startet, bei dem die gesamte Avengers-Truppe gegen eine mit allerlei Militärgerät hochgerüstete Söldner-Armee antritt, kann nicht übertünchen, dass sich das Größer-, Spektakulärer-, kurz das von allem Mehr-Konzept nicht beliebig hochschrauben lässt, ohne ein müdes Übersättigungs-Achselzucken zu erzeugen. Der üblichen Action-Blockbuster-Dramaturgie folgend gibt es dann noch zwei Haudrauf-Momente im Mittelteil bei denen - auch das vorhersehbarer Usus - die Helden mehr einstecken müssen als sie austeilen dürfen sowie das große Inferno-Finale, bei dem alles nochmals irgendwie getoppt werden muss (diesmal ist das sogar wörtlich zu nehmen). Â
Wie immer ist das Ganze, bei dem Budget kann man das aber auch erwarten, gewohnt perfekt und bombastisch inszeniert bzw. getrickst. Allein es fehlt der Wow-Faktor, die überraschende Klimax, die pfiffige Idee. Die Superhelden-Klopperei ist visuell auserzählt. Da nützt es wenig, wenn man den Amok laufenden Hulk von einem XXL-Iron Man stoppen lässt (Monster versus Monster hat auch schon einen ordentlichen Bart), oder den sechs Stamm-Rächern noch drei neue Mitstreiter zur Seite stellt (die noch personalstärkeren X-Men kommen auch schon auf fünf Kino-Einsätze).
All dies steht noch dazu im Dienst einer wenig spannenden und obendrein sattsam bekannten Handlung. Dagegen könnte höchstens noch eine hassenswerte, diabolische und vor allem bedrohliche Nemesis helfen. Leider bietet das Avengers-Sequel auch hier nur business as usual. Der in „Captain America 2" mit dem obligatorischen Schluss-Cameo groß angeteaserte H.Y.D.R.A.-Boss Baron Strucker (Thomas Kretschmann) wird (viel zu) schnell aussortiert um dem eigentlichen Widersacher Ultron Platz zu machen. Der entpuppt sich dann aber ob seiner Robotergestalt wenig furchteinflößend, gleiches gilt für seine Kanonenfutter-Schergen.
Glücklicherweise sieht es auf der charakterlichen Sonnenseite auch dementsprechend aus. Robert Downey Jr. (Iron Man), Chris Hemsworth (Thor), Chris Evans (Cap), Mark Ruffalo (Hulk), Scarlett Johansson und Jeremy Renner sind mit Feuereifer dabei und machen Avengers die Zweite zu einem launigen Familientreffen der geselligen Art. Da balgt man sich u.a. um das Heben von Thors Hammer, die bessere Freundin, oder einfach nur den cooleren Spruch. Zwei entdecken ihre romantischen Gefühle füreinander und einer offenbart sogar ein bestens gehütetes Geheimnis aus seinem Privatleben. Schließlich schaut auch der alte Boss noch einmal kurz vorbei und sorgt dafür, dass alle bei der Stange bleiben. Ob das ebenso für die anvisierten Publikumsmassen - zumal langfristig gesehen - gilt, ist allerdings weit weniger sicher.
Am Ende ist man jedenfalls als Zuschauer ebenfalls ein Stück weit ratlos. Einerseits war das Wiedersehen mit den guten alten Superhelden-Freunden eine sehr spaßige und wohlige Veranstaltung. Man hat sich noch ein bisschen besser kennen gelernt und ist noch vertrauter geworden. Andererseits haftete ihren Missionen trotz ihres Spektakel-Schauwerts etwas seltsam Redundantes und unangenehm Sättigendes an. Marvel plant bereits Filme bis über 2020 hinaus. Das ist selbstbewusst und mutig. Oder vielleicht doch nur ratloser Aktionismus?Â
Unser News-Bereich wurde überarbeitet und wird in Kürze weiter ausgebaut werden, damit Sie stets aktuell über alle Neuigkeiten rund um die Welt des Films informiert sind.