Eine Kritik von Moonshade (Bewertung des Films: 10 / 10) eingetragen am 20.08.2002, seitdem 2055 Mal gelesen
Manche Filme machen es einem schwer.
Sie sind bezaubernd, ungewöhnlich, magisch, anziehend und dennoch vollkommen unverständlich.
Oder gibt es doch eine Möglichkeit zur Entschlüsselung?
Und ist das überhaupt wichtig?
Neil Jordans "Company of Wolves" ist so ein Film, scheinbar eine planlose Collage von Erzählungen und Geschichten, mitunter im Videoclipstil gehalten, eingefangen in einer völlig künstlichen Märchenwelt ohne zeitliche Einordnung. Thematisch liegt der Schwerpunkt ganz überdeutlich auf Grimms "Rotkäppchen", es ist die alte Story von dem jungen Mädchen und dem Wolf und damit (Bettelheim hatte es drauf...) eine Geschichte von sexueller Repression und Auslebung körperlicher Wünsche.
Das kann man zwar blank unterstellen, macht den Film jedoch bei weitem noch nicht eindeutig. Immerhin versieht das Drehbuch diesen wild wuchernden Bilderbogen mit so etwas wie einem roten Faden, der jedoch mit Bedacht immer wieder unterbrochen wird.
Alles beginnt mit der Rosaleen in unserer modernen Zeit, die die nun folgenden Ereignisse allesamt träumt, von den Eltern nicht wahrgenommen, von der älteren Schwester geärgert, eingeschnappt, gefangen in den Zwängen der Pubertät. Also träumt sie vom Tod der Schwester im Märchenwald, voller menschengroßer Teddybären und Spielzeughäuser, gemeuchelt von einer Horde Wölfe. Ablehnung des Sex, Dr.Freud übernehmen sie.
Doch die Zeit ist nicht zu stoppen im Fantasyland, die Eltern voll Trauer und mit wenig Verständnis, nur die kluge Großmutter (absolut bombig: Angela Lansbury) , jenseits von allem (sexuellen) Übel, aber voller Weisheit, warnt vor den Männern: in jedem steckt ein Wolf.
Es folgt das erste Intermezzo, eine Story in der Story, wie zum Beweis ohne eindeutige Deutung. Ehebruch und Betrug wird bestraft. Oder ähnlich.
Weiter im Text: inzwischen macht sich ein Junge aus dem Dorf an sie heran, sie ist kaum interessiert, hält auf Distanz, in einem Vogelnest schlüpfen Embryos, denn jedes Mädchen wird einstmals Mutter. Doch die Wölfe sind in der Gegend, die Gefahr für heranwachsende junge Mädchen.
Noch ein erzähltes Zwischenspiel mit Zigeunerfluch - innere Grausamkeit wird zum Spiegelbild der Seele und nach außen gekehrt - eine Hochzeitsgesellschaft verwandelt sich in Wölfe.
Jetzt kommt der Plot voran: ein erlegte Wolfsklaue wird zur Menschenhand, die Jagd ist eröffnet, Werwölfe sind im Wald. Das Mädchen wird gewarnt, doch die Versuchung ist nahe, ein Kuß ist der Preis und der vertrauensvolle Mann im Inneren ein Wolf. Der Bestimmung, dem Erwachen der Sexualität entkommt niemand.
Noch ein Gleichnis von der Tarnung des Wolfs unter Menschen, dann wird sich Rosaleen entscheiden. Auch in der Gegenwart holt die Zeit die reelle Rosaleen ein.
Der kompliziert strukturierte Film bietet seinen Zuschauern keinerlei eindeutige Lösungansätze, dafür darf nach Herzenslust in Sinnsprüchen, Gleichnissen und ähnlichem heruminterpretiert werden, bis die Schwarte kracht.
Andererseits muß man das auch nicht, denn Jordan hat auf dem optischen Sektor genug zu bieten.
Hier wird im Studio eine komplett künstliche Fantasywelt erschaffen: ein Wald, ein Dorf mit Kirche, Großmutters Haus im dunklen Tann, schwer und düster, selbst in den hellen Tagesstunden von magischen Schleiern umwoben, im Hintergrund dräuen stets die Schatten, das Zwielicht. Dazu nagt eine mittelalterlich-atmosphärischer Musik ständig an den Nerven der Zuschauer, der sich in diesen beengenden, der Unausweichlichkeit preisgegebenen Sets nie sicher fühlen kann. Bedrohung allüberall.
Und dementsprechend kommt der Film dann auch mit diversen Horrorbildern rüber, dem Stoff aus dem die Alpträume sind: ein abgehackter Wolfskopf wird menschlich in einem von Blut gefärbtem Krug Milch, ein Wolf schlüpft aus einem Menschen, Großmutter wird enthauptet, die riesigen Puppen und Teddybären lassen Kinder vermutlich Wochen nicht schlafen. Dazwischen eine mysteriöse Sequenz mit einem Fläschchen, in der sogar ein Auto vorkommt. Los, Zuschauer - spielt damit.
Dabei ist es ein Leichtes, den Film als zusammenhangslose Bilderorgie abzutun, nur weil einem der Sinn des Plots nicht auf dem Silbertablett serviert wird. Klar, wer den x-ten Werwolfstreifen der Woche erwartet, mitsamt der üblichen Vorhersagbarkeit, endlich mal wieder Horror für Hirnlose, erlebt hier sein blaues Wunder. Tut mir leid für euch, Jungs und Mädchen. Ich für meinen Teil versenke mich immer wieder gern in diesen absolut künstlichen, aber niemals flachen Bildern, die in ihrer Düsternis einzigartig bleiben, rühre ein wenig mit dem Stock damit herum und grusele mich gegen den Strich. Animalisch, versponnen, sexuell. (10/10)
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