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Der amerikanische Bürgerkrieg von 1861-1865 war der erste „moderne" Krieg der Geschichte. Er stellte einen erstmals total geführten Konflikt dar, was bedeutete, dass die Wirtschaft in größtmöglichem Umfang auf Produktion für den Krieg umgestellt wurde und dabei noch nie dagewesene Höchstleistungen erbrachte. Auch traten erstmals das unangreifbare, monströse Wirtschaftspotential und die unerschöpflichen materiellen Ressourcen des amerikanischen Nordens ans Licht der Weltgeschichte. In diesem äußerst blutigen Ringen zwischen der überwiegend die Sklaverei ablehnenden Union und der sezessionistischen, auf einen unabhängigen amerikanischen Staat und seine Sklavenhaltergesellschaft pochenden Konföderation wurden erstmals Minen verlegt, mit Schnellfeuerkanonen geschossen, den alten Holzflotten mit Stahl gepanzerten Kanonenbooten praktisch über Nacht der Garaus gemacht, zeitgleich im Stile einer levée en masse Millionen Soldaten gemustert - und es wurde nicht, wie bisher, zehntausendfach, sondern es wurde hunderttausendfach gestorben! Spätestens im zweiten Kriegsjahr waren die Gewehre nicht mehr mit den seit Jahrhunderten üblichen glatten Läufen ausgestattet, die schon auf Hundert Meter jeden Treffer zu einem Glückstreffer machten, sondern die nun mit Zügen und Feldern durchzogenen Läufe der Enfield-, Springfield- und erst recht der während des Krieges auf dem Markt erschienenen, erstmals mehrschüssigen Spencer-Kavalleriegewehre ließen dem sich ohne Schutz einer Deckung herannahenden Feind auch auf weitere Distanz keine Chance mehr. Dabei wurde - dem Stand der Technik völlig zuwiderlaufend - noch in altbekannter Lineartaktik und im Napoleonischen Sturm angegriffen. Die blutige Folge war, dass man den aufrecht laufend, todesmutig anstürmenden Feind nicht erst auf 150, sondern bereits auf 400 Meter Distanz in Fetzen schießen konnte. Dabei war die Luft so bleihaltig, dass etwa vor Petersburg, Virginia, im Jahre 1864, Bäume von 80 cm Durchmesser allein vom Kugelhagel (der Minié-Balls) gefällt wurden. Das Schicksal eines in diesem Bleiregen senkrecht stehenden Infanteristen entscheidet sich so womöglich nicht in Sekunden, sondern in deren Bruchteilen. So erkannte man langsam, aber nach blutigsten Erfahrungen doch sehr eindringlich, dass eine traditionelle Kriegsführung kombiniert mit der Qualität der neuen Waffen einen ungleich höheren Blutzoll zeitigte als Kriege das bisher getan hatten. So grub man sich ab dem letzten Drittel des Krieges im immer schwerer bedrängten Süden in Laufgräben und Stellungssystemen metertief ein und hob so das Prinzip des Stellungskrieges aus der Taufe, das 50 Jahre später in Europa seinen gehörigen Anteil an der „Urkatastrophe" des 20. Jahrhunderts haben würde. Auch machten die Amerikaner erstmals Erfahrungen mit der vernichtenden Wirkung moderner Artillerie auf - von Zivilisten bewohnte - Städte. Die 80 Jahre später von den Alliierten initiierte Auslöschung mittelalterlicher Städte wie Dresden oder Nürnberg wurde hier im eigenen Land bereits vorexerziert, zwar ohne den späteren Exodus an Menschenleben, aber mit derselben, mitleidlosen Zielstrebigkeit. Und doch war und ist dieser blutigste Krieg der mit Kriegen nur so gespickten amerikanischen Geschichte, der insgesamt 620.000 Tote Blutzoll forderte - mehr als alle anderen Kriege der USA zusammengenommen - in Europa meist nur von peripherem Interesse. Doch das gänzlich zu Unrecht! Erst der Bürgerkrieg erlaubte es der ehemaligen englischen Kolonie, nunmehr endgültig geeint und mustergültig sklavenfrei, sich wie Phönix aus der Asche zu erheben und ihren Siegeszug zur Weltmacht anzutreten, deren Zeugen wir alle heute sind.

Die Verfilmung „Gods and Generals" des gleichnamigen, bekannten Romans aus der Feder Jeffrey Shaaras ist angelegt als Prequel des Films „Gettysburg", der ebenfalls eine Romanverfilmung und als Teil einer geplanten Trilogie über den amerikanischen Bürgerkrieg gedacht war. Zwar wurde „Gods and Generals" im Jahre 2003 gedreht, doch erzählt er, was die Chronologie betrifft, die Ereignisse vor der kriegsentscheidenden Schlacht von Gettysburg, die im gleichnamigen Film bereits zehn Jahre zuvor, 1993, mit einer bahnbrechenden Historienverfilmung bedacht wurde - deren historischer Kontext vom zeitlichen Ablauf aber eben nach „Gods and Generals" eingeordnet werden müsste. So ist es durchaus amüsant, dass die quasi identische Darstellerriege, um zehn Jahre gealtert, ihre eigentlich nun sogar noch jüngeren historischen Figuren verkörpert. Der 1993er Genrebeitrag „Gettysburg" wird nicht selten als Nonplusultra des Uniform staffierten Historienfilms gehandelt. Und das völlig zu Recht! Dem historisch Interessierten Filmfreund wurde damals von Ronald F. Maxwell ein Leckerbissen erster Güte vorgesetzt, der nicht nur mit brillanten Darstellern und einem exzellenten Drehbuch, sondern wohltuender Weise auch mit einer opulenten Ausstattung aufwarten konnte. Sicherlich war „Gettysburg" nicht eben ein Kassenschlager, was wohl in der Natur der Sache lag. Weder lagen sich hier gutaussehende Liebende im Arm, noch wurden fetzig-flotte Sprüche gerissen und noch viel weniger wurde schnelllebiger Zeitgeist bedient. Maxwell versuchte, die Ereignisse um die Schlacht so detailgetreu, so lebendig und so authentisch wie möglich nachzuzeichnen. Längen waren trotz der fast vierstündigen Laufzeit - wohl zumindest für den Geschichtsfan und anspruchsvollen Filmfreund - keine vorhanden. Leider lässt sich das nicht zur Gänze von Maxwells zweitem Sezessionskriegsbeitrag behaupten.

„Gods and Generals" schildert also die Ereignisse in der ersten Hälfte des Krieges. Der Fachkundige weiß damit, dass man als Zuschauer zuvorderst Siege des konföderierten Südens zu sehen bekommt. Noch konnte der Norden sein überwältigendes wirtschaftliches Potential nicht zur Gänze ausspielen, da die Nordarmeen im Osten der Appalachen von Zauderern in Generalsuniform geführt wurden, die in keiner Weise qualitativ an ihre grau uniformierten Widersacher und militärischen „Halbgötter" heranreichten. Erst später sollten mit den Generälen „William T. Sherman" und „Ulysses S. Grant" auch dem Norden äußerst fähige Offiziere erwachsen, die die ihnen zur Verfügung gestellten gewaltigen Ressourcen zu nutzen wussten und damit die stoische Selbstaufopferungsbereitschaft des Südens mit aller dazu nötigen Gewalt zu brechen verstanden. Doch sind wir in Maxwells „Gods and Generals" in den Jahren 1861-1862 noch nicht soweit. Hier beherrschen noch die Strategen des Südens das Schlachtfeld, wenn auch auf eigenem Grund und Boden und zudem meist in der Defensive. Nach dem berühmten Oberbefehlshaber der Virginia-Armee, Robert E. Lee, der ebenfalls gebührend im Film gefeiert und überzeugend von Robert Duvall gespielt wird, ist hier vor allem ein Mann zu nennen: Thomas „Stonewall" Jackson! Das Leben und Wirken, sowie die Persönlichkeit dieses bibeltreuen Soldaten aus Passion stehen bei Maxwells 2003er Historienfilm mehr oder weniger im Vordergrund. Jackson wird oscarreif verkörpert von Stephen Lang, der zuvor mehrfach Psychopathen spielte (Michael J. Fox' „Auf die harte Tour" 1991 oder Steven Seagals „Fire Down Below" 1997) und nun, etwas ungewohnt, einen restlos integeren Charakter mimt. Und er macht seine Sache brillant. Man schließt den alten Haudegen förmlich ins Herz, wenn man ihn im liebevollen Umgang mit seinem schwarzen Diener erlebt, seinen bereits schon sakrosankt anmutenden - dabei subversiv abolitionistischen - philanthropen Weisheiten lauscht oder seiner hingebungsvollen Zuneigung zu einem kleinen Mädchen beiwohnt, das dann - durchaus zeitüblich - am Fieber stirbt, um den alten Mann bildgewaltig an der Welt zerbrechen zu lassen.

Und hier liegt einer der wenigen Schwächen des an allen Ecken und Enden epischen und für empfindsame Gemüter auch anrührenden „Gods and Generals". Der Jackson Maxwells hat womöglich weniger mit dem historischen Jackson gemein als man zunächst meinen könnte. So lutschte der echte Jackson unentwegt Zitronen, um seine Verdauungsstörungen zu beheben und vermied es, seine Speisen mit Pfeffer zu würzen, weil er ihn für die Schmerzen in seinem linken Bein verantwortlich machte. Dass solche Marotten nicht eben dem marmornen Bild des auf das Podest der Geschichte gestellten Heroen zur Ehre gereichen, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Doch auch weniger amüsante Charaktereigenschaften scheinen Jackson ausgezeichnet zu haben. Zu Tode erschöpfte Soldaten, die auf den langen Märschen zusammenbrachen, soll er schlechte Patrioten geschimpft haben. Mitleid mit seinen eigenen Männern hatte er kaum - mit dem Feind ohnehin nicht! Auf die Frage eines jungen Rekruten in den Trümmern des von den Nordstaatlern geplünderten und arg geschundenen Fredericksburg, wie man auf diese Barbarei reagieren solle, antwortete er, man müsse sie eben alle töten. Dieses berüchtigte Zitat fand sogar Eingang in den Film. Authentisch ist allerdings auch, und dies muss im Sinne fairer Geschichtsschreibung unterstrichen werden, die ihm entgegengebrachte Bewunderung seiner Männer und ihr Stolz, zur „Stonewall Brigade" gehören zu dürfen. Das mag dem geschichtlich wenig Bewanderten merkwürdig anmuten, aber hier ist eben Vergangenes der Maßstab und keine modernen Anachronismen. Allerdings schießt hier Maxwell etwas über das Ziel hinaus und zeichnet Jackson, ein wenig zu ambitioniert, als Überstrategen, dem keine fachlichen Fehler unterlaufen. Sicherlich war Thomas Jackson de facto ein hervorragender, außergewöhnlich waghalsiger General, der nicht selten - etwa im Shenandoah Tal - eine blaue Übermacht von 3:1 über Monate scheinbar mühelos in Schach hielt, doch spricht der bekannte Bürgerkriegshistoriker James M. McPherson auch von „grauenhaften Leistungen" Jacksons in der „Sieben-Tage-Schlacht" im Frühjahr des Jahres 1862, die so manchem grauen Recken aufgrund unsachgemäßer militärischer Führung das junge Leben kostete. Von besagten Schönheitsfehlern des Wesens der historischen Figur finden sich im Film nur Ansätze. Auch hier ist Jackson zwar ein steinharter Hund, doch strahlt er letztlich eine Wärme und Sympathie aus, die dem Original schwerlich nahekommen. Doch ist das alles als Geschichtsfreund noch mit ein bisschen Wohlwollen und einem guten Wein ohne größere Magenbeschwerden zu verdauen. Wesentlich schwerer und unangenehmer fällt ins Gewicht, dass sich „Gods and Generals", trotz der hervorragenden Inszenierung und der oft bewundernswert authentisch anmutenden Dialoge, zu selbstverliebt das Recht herausnimmt, die Geschichte der Freundschaft des kleinen Mädchens mit dem großen General episch auszuwalzen. Dabei wird vom Drehbuch zu sehr auf die Bremse getreten, da auch für den Geschichtsfreund an historischem Kontext hier nur wenig zu ergattern ist. Dieser auch der Romanvorlage geschuldete (Fehl-)Tritt in den zähen Morast der inszenatorischen Untiefen einer überwiegenden Mehrzahl familientauglicher Historienschinken ist Maxwells „Gettysburg" im Jahre 1993 noch nicht unterlaufen.

Doch hat „Gods and Generals" jenseits der unbedingt kritisch zu betrachtenden Apotheose des noch heute jedem amerikanischen Schulkind geläufigen Generals ein großes Plus auf der Habenseite seiner Schauwerte. So interpretiert der Film - ganz im Sinne eines versöhnlichen Händereichens - die damals Agierenden und sich gegenseitig Bekriegenden als Gefangene ihrer Zeit. Sowohl die - im heutigen Sinne - aufgeklärteren Nordstaatler als auch die auf ihre Unabhängigkeit pochenden Südstaatler werden in ihren historischen Interessen und Interessenskonflikten ernst genommen und nicht besserwisserisch, mit dem Wissen der Nachgeborenen bevormundend abgeurteilt. Jede Seite glaubte sich im Recht und meinte Gott auf ihrer Seite. Auf den unvoreingenommenen Betrachter muss die hier ins Werk gesetzte Abwesenheit von Schwarz-Weiß-Zeichnung in der heutigen Historienfilmlandschaft beinahe kathartisch wirken. Kein arrogantes, nur allzu leicht von der Hand gehendes Vorverurteilen, sondern ein faires Zu-Wort-kommen-lassen des Unterlegenen geben hier den Ton an. Von dieser Art des Herangehens an hochkomplexe historische Sachverhalte könnten viele andere heutige Filmemacher noch etwas lernen.

Ein echtes Glanzlicht des Films ist ferner Jeff Daniels, der hier Lieutenant Colonel Joshua Chamberlain spielt, der in der Tat eine der schillerndsten und interessantesten Persönlichkeiten der amerikanischen Geschichte war. Chamberlain, von Beruf Professor an der Universität von Maine, nahm vom Universitätsbetrieb unbezahlten Urlaub, um sich für den freiwilligen Kriegseinsatz als Offizier der Nordstaatenarmee zu melden. Als Humanist erster Güte war ihm die Sklaverei ein Dorn in Auge, der, auch unter Einsatz des eigenen Lebens, aus der wunden amerikanischen Gesellschaft gezogen werden musste. „Gods and Generals" schildert die historischen Beweggründe und beleuchtet authentisch die Persönlichkeit dieses Akademikers, der im wahrsten Sinne des Wortes professionell mit dem Wissen der Jahrtausende hantierte. Wir erleben den Regimentskommandeur Chamberlain mit seinen Mannen im vernichtenden Feuer der Grauen während des fruchtlosen Sturms auf die Marye's Heights hinter Fredericksburg. Hier zeigt der Film, leider sichtbar CGI-gestützt, das Desaster der schlecht geführten Unionsarmee, die gegen gut befestigte Stellungen, bergauf auf freiem Feld, ganze vierzehn Sturmangriffe vortrug, die alle im Gewehr-, Kanister- und Kartätschenfeuer in den blutgetränkten Boden Virginias gestampft wurden. Eine Hölle auf Erden! Ein Wahnsinn für jeden denkenden Menschen - und doch Ausdruck völliger Hingabe und Aufopferungsbereitschaft für eine gerechte Sache. Heldenmut und Leid sind fataler Weise untrennbar verbunden. Eine Einsicht, die im Lichte unserer verwitterten Gedenkstätten der Freiheits- und Einigungskriege offenbar vielfach in Vergessenheit geraten ist. Die Amerikaner haben bei allem Pathos und notwendiger, kritischer Beleuchtung ihrer nicht selten arroganten Selbstinszenierungssucht immerhin ihre gefallenen Söhne nicht vergessen und setzen ihnen mit „Gods and Generals" ein bescheidenes Denkmal. Und dafür gebührt Maxwell Dank.

Heute zeugen bei Fredericksburg nur noch im Horizont versinkende Reihen weißer Kreuze und grauer Grabsteine vom blutigen Ringen vergangener Tage. Doch gewährt uns Ronald F. Maxwells „Gods and Generals" einen lebendigen, angemessen authentischen und zudem sehr professionellen Blick in diese überaus blutige Vergangenheit der USA. „Gods and Generals" fehlt zwar das restlos treffsichere Drehbuch des alles überragenden „Gettysburg", sowie dessen inszenatorisches Feingefühl, doch lässt sich sicherlich von einer der bedeutenderen Geschichtsverfilmungen der letzten Dekaden sprechen. Zumindest dann, wenn man bisweilen auch etwas trockene Geschichte oberflächlicher Geschichtsberieselung im Stile etwa eines „Unterwegs nach Cold Mountain" vorzieht. Dass der Film allerdings gerade dann einen Rückzieher macht, wenn es darum geht, die Sklaverei in ihrer tristen Fahlheit authentisch zu beleuchten, muss negativ vermerkt werden, denn das bemüht apologetische Gerede Stonewall Jacksons mit seinem schwarzen Diener, die beide ungehemmt umstürzlerisch ihrem Antirassismus frönen und sich, tief im Süden, die Befreiung der Sklaven vom Himmel herbeibeten - gegen die Stonewall ja letztendlich gekämpft hat - ist hier ein bitterer Wermutstropfen im ansonsten schönen Gesamtkonzept. „Gods and Generals" ist ein Film für an der amerikanischen Vergangenheit (und Gegenwart) interessierte Geschichtscracks und solche, die es werden wollen. Kein Mainstream, aber ein wertvolles Stück Geschichte!   

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