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Riphagen (2016)

Eine Kritik von Sauza (Bewertung des Films: 8 / 10)
eingetragen am 31.01.2023, seitdem 413 Mal gelesen



Amsterdam im 2. Weltkrieg: wie in vielen besetzten Städten Europas sucht die SS nach untergetauchten Juden, wobei sie sich der Mithilfe einheimischer Kollaborateure bedient. Einer von ihnen ist der titelgebende Dries Riphagen (Jeroen van Koningsbrugge), der als Vertrauensmann des berüchtigten Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (SD) fungiert und später bei der Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Amsterdam arbeitet. Dries Riphagen beweist dabei Talent, Verstecke aufzuspüren, doch als die Zahl aufgegriffener Juden zurückgeht, spürt auch er den Druck seines Vorgesetzten, SS-Sturmbannführer Willy Lages (Richard Gonlag). Der Kollaborateur Riphagen, Mitte 30, ein kräftiger Mann mit sauber rasierter Glatze und guten Umgangsformen, ist weder Rassist noch ausgesprochener Nazi, entwickelt aber erhebliche kriminelle Energie, einerseits seinen schroffen Chef zufriedenzustellen, andererseits - und das noch viel vordringlicher - sich seine eigene Tasche mit im Namen des deutschen Reiches konfiszierten jüdischen Wertsachen zu füllen.
Als er bei einem Hausbesuch des SD nicht nur in kürzester Zeit eine hinter einer Wand versteckte ältere Jüdin entdeckt, sondern auch sofort ein in deren Haaren verstecktes Säckchen Diamanten, fasst der redegewandte Hobby-Boxer einen teuflischen Plan ins Auge: er gaukelt der bestürzten Frau vor, ihr helfen zu wollen, da er angeblich früher mit einer Jüdin verheiratet gewesen wäre. Es gelingt ihm schließlich nach einigen konspirativen Treffen, das Vertrauen von Esther Schaap (Antoinette Jelgersma) zu gewinnen - einen kleinen Teil ihrer Diamanten müsse er bei den Besatzern abliefern, den Rest jedoch will er für sie bis Kriegsende verstecken. Schaap überzeugt im Laufe der nächsten Wochen und Monate all ihre untergetauchten jüdischen Bekannten, ihren Schmuck, Gold etc. dem "vertrauenwürdigen" Riphagen anzuvertrauen, und der besteht - wie zum Beweis seiner Ehrlichkeit - stets auf einem Gruppenfoto mit den verängstigten Juden. Auf diese Weise gelingt es ihm, in kürzester Zeit ein beträchliches Vermögen anzuhäufen - als aber sämtliche Bekannten Schaaps bei ihm waren und die Dame nun die zuvor vereinbarte diskrete Ausreise nach Antwerpen einfordert, läßt Riphagen sie trotz gegenteiliger Zusicherung kaltschnäuzig von Polizisten zur Deportation abholen. Bitterlich getäuscht begeht Schaap in Gegenwart der Polizisten Suizid mit einem Brieföffner, nachdem ihr einer der Beamten auch noch lakonisch mitteilt, daß Riphagen selbst sie geschickt habe.
Daneben erzwingt er von der jungen Jüdin Betje Wery (Anna Raadsveld), der er mit der Deportation ihrer Eltern droht, die Preisgabe von Namen aus örtlichen Widerstandsgruppen, die diese unter Tränen auch nennt, infolgedessen der SD 3 Leute umbringt. Doch der Kriegsprofiteur hat keinerlei schlechtes Gewissen, sondern feiert schon kurz danach mit seiner neuen Freundin, der rothaarigen Kellnerin Greetje (Lisa Zweerman) den Einzug in die "frei gewordene" jüdische Wohnung - zaghafte Nachfragen der unbedarften Greetje weiß er wortreich zu zerstreuen. Bei einer gemeinsamen Fahrt nach Luxemburg deponiert er die gestohlenen jüdischen Wertsachen in mindestens einem Dutzend Bankschließfächern. Zurück in Amsterdam leistet er sich obendrein ein schmuckes Cabrio für sich und seine mittlerweile schwangere Frau.
Als das Kriegsgeschehen sich gegen die deutschen Besatzer wendet und diese eilends Akten vernichten und aus Amsterdam Richtung Osten abziehen, bleibt er dem SD immer noch in einer westlicher gelegenen Außenstelle verbunden, doch als die ersten Kollaborateure von Überlebenden Mitgliedern der Widerstandsgruppen erschossen werden, zieht sich die Schlinge auch um seinen Hals enger zu: besonders der ehemalige Polizisten-Kollege Jan van Liempd (Kay Greidanus), der während der Besatzung zaghaft den Widerständlern zugearbeitet hatte, ist Riphagens Machenschaften auf der Spur...

Ein beeindruckendes Biopic eines niederländischen Kollaborateurs ist den Drehbuchautoren Thomas van der Ree und Paul Jan Nelissen unter der Regie von Pieter Kuijpers mit Riphagen gelungen, das vor allem von der hervorragenden Performance des Hauptdarstellers Jeroen van Koningsbrugge lebt. Obgleich der titelgebende Kriegsgewinnler ein scheußlicher, über Leichen gehender Charakter war, kann man sich einer gewissen Faszination, die von dessen filmischer(!) Darstellung ausgeht, nicht entziehen: eine extrem manipulative Persönlichkeit, die es sogar nach dem Kriege schaffte, seine Verfolger mittels gezielter Intrigen gegeneinander auszuspielen.

Der echte Dries Riphagen, als Berufsverbrecher kategorisiert, erlernte sein kriminelles Handwerk während eines zweijährigen USA-Aufenthalts schon vor dem Krieg und betätigte sich nicht nur als Helfershelfer der SS, sondern war auch als Zuhälter und Autoschieber eine bekannte Größe der Amsterdamer Unterwelt. Diese Tatsachen spart der Film aus, dessen Handlung Anfang der 1940er Jahre einsetzt: ein sportlicher Glatzkopf mit Boxsack in seinem Dienstzimmer, stets in zivil unterwegs, wird von den Uniform tragenden Besatzern genötigt, mehr Juden aufzuspüren - und der kräftige Mann mit den sanft dreinblickenden Augen fügt sich. Und überlegt, wie er daraus Kapital schlagen kann. Sein rhetorisches Talent setzt er gekonnt ein, das Vertrauen Verfolgter zu erschleichen, die er dann skrupellos ans Messer liefert.

Während das Kriegsende schon bei Filmmitte erreicht ist, setzt sich Riphagens Geschichte immer weiter fort: durch sein tatsächliches, oft aber nur vorgetäuschtes Wissen erreicht er, beim niederländischen Nachkriegs-Nachrichtendienst als angeblich Erschossener versteckt zu werden. Bis die geprellten Mitarbeiter erkennen, daß er sie alle nur getäuscht hat, dauert es seine Zeit - in dieser bereitet Riphagen seinen nächsten Coup vor: die Bankschließfächer in Luxemburg gilt es noch zu leeren...

Was den Film auch noch auszeichnet, sind die durchwegs ambivalenten Charaktäre besonders der neuen Machthaber in den Niederlanden: da sind die ehemaligen Widerständler, die sich (heimlich) gegenseitig einer gewissen Kollaboration bezichtigen sowie die der Königin treuen Niederländer der während der Besatzung nach London geflohenen Exil-Regierung, die die augenblicklich größere Gefahr in der Mitte 1945 immer weiter westwärts vorrückenden Sowjetunion sehen, statt nach Nazi-Kollaborateuren suchen zu wollen. All dies macht sich Dries Riphagen zunutze, sein eigenes Süppchen zu kochen - nach einem spektakulären Finale kann er wieder einmal entkommen.
Dem echten Riphagen gelang die Flucht nach Argentinien, wo er später dessen Präsidenten Juan Perón in Sicherheitsfragen beriet, bevor er nach Europa zurückkehrte, strafrechtlich jedoch unbehelligt blieb und als "schlimmster Kriegsverbrecher von Amsterdam" 1973 im schweizerischen Montreux an Krebs verstarb.

Riphagen ist eine in vielen feinen Nuancen (auch und besonders der widersprüchlich agierenden Nebendarsteller) gezeichnete Charakterstudie, die unter weitgehendem Verzicht auf Gewaltszenen und Brutalität das oftmals zwiespältige Handeln der einzelnen Proponenten darstellt, und somit - ähnlich sehenswert wie der ebenfalls während der deutschen Besatzung in den Niederlanden spielende Bankier des Widerstands - für zeitgeschichtlich Interessierte schlichtweg ein Muß darstellt: 8,49 Punkte.


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