Eine Kritik von Moonshade (Bewertung des Films: 5 / 10) eingetragen am 19.11.2021, seitdem 134 Mal gelesen
Gute zwanzig Jahre nach „Blair Witch Project“ ist es kein Geheimnis mehr, dass „Found Footage“ nur bei einem harten Kern der Horrorfans noch gut gelitten ist, die meisten anderen lehnen die auf Smartphone, Kamera oder Überwachungsvideo gedrehten Film inzwischen ab, ungeachtet von Qualität und Einfallsreichtum.
Einer der Filme, die ziemlich viel „Bashing“ in diese Richtung ertragen musste, als es um Kritik von Fans und Rezensenten ging, war „Temple“. Zäh, zu dunkel, wirr erzählt, hastig abbrechend, ohne Auflösung – das sind und waren so in etwa die Kritikpunkte.
Andererseits: 75 Minuten sind schnell geopfert, doch das Schlimmste befürchtend, musste ich nach einiger Zeit eingestehen: so schlimm ist er doch gar nicht. Er präsentiert sogar mal hier und da neue Aspekte.
Und vor allem: das ist überhaupt kein Found-Footage-Film.
Natürlich: die Story wird rückblickend erzählt. Irgendwer wird zu Beginn in einem Waldstück in einer japanischen Bergregion gesucht und dann wird jemand in nicht eben gutem Zustand gefunden. Daraufhin ist natürlich die japanische Polizei sehr daran interessiert, herauszufinden, wo die anderen beiden vermissten Personen denn wären, doch das ziemlich durch den Fleischwolf gedrehte Opfer (das so aufgenommen wird, dass man nicht weiß, wer der drei da vor den Polizisten sitzt) kann nur wenig Schlüssiges hauchen in Ergänzung zu dem gedrehten Videomaterial.
Nun ist es aber nicht so, dass wir nur dieses Videomaterial sehen, im Gegenteil, eigentlich besteht der Film aus einer simplen Rückblende, die nachvollzieht, was das Trio von amerikanischen Studenten denn in der japanischen Bergeinsamkeit gewollt hat.
Womit wir dann auch an dem wirklichen Schwachpunkt des Films wären: das unheilige Trio!
Als da wären: erstmal Natalia Warner als Kate, Studentin mit der Absicht, japanische Berg-Tempelschreine zu erforschen. Hammer-Idee, allerdings sollte ich dann zumindest in der Lage sein, eine Tüte Sushi im Landesidiom zu bestellen, doch sie beherrscht exakt null Worte. Warner legt ihre Figur entweder bewusst oder mangels anderen Talents als eine dauerhaft hintergründig vor sich hinlächelnde „Du Schuft, du, die Lätta“-Trulla aus „gods own country“ an und wirkt stetig wie ein Import aus einer Kaugummi-Werbung.
Weil Kate nicht bilingual erscheint, bekommen wir Logan Huffmans Christopher in dem Mix, der recht flüssig japanisch parliert und auch schon mal ordentlich den generell höflichen Umgang gepaukt hat. Chris kommt rüber wie der typische schwule vertraute Freund, allerdings ist die Figur ohne präzise sexuelle Konnotation angelegt. Huffman macht also deftig Stielaugen bezüglich Kate und ihres Galans, schaut durch seine Kamera wann immer es geht, wirkt ein bissl abwesend und ziemlich strange. Strange in dem Sinne, das man nicht weiß, ob er auch mal bei Kate ranlangen möchte oder ob er einfach nur neben der Spur. Also die Spur, bei der man zu dritt in einem japanischen Schlafraum die beste Freundin und ihren Stecher James mal einfach beim Vögeln filmt.
Ach ja, der James, den dürfen natürlich auch nicht vergessen. Der ist natürlich nur mitgekommen, weil man seine Verlobte nicht in diese dubiosen Länder allein fahren lassen kann, schon gar nicht mit diesem Freak, dem sie mehr erzählt als ihrem künftigen Ehemann. Er groß, schweigsam, wortkarg, passiv agressiv und höchstwahrscheinlich ein Arschloch.
Und damit hätten wir es dann auch schon mit dem Cast.
Die Story verlangt noch die Auftritte einer Trödlerin, einer Zimmerwirtin, einer mutierten Pennerin und ein paar Kneipengästen und dreht sich hauptsächlich darum, den Touris zu verklickern, dass sie nicht mit DIESEM Schrein anfangen sollten, die sie in so einer Fluchkladde beim Trödler aufgetrieben und schließlich ermogelt haben. Aber wie bei „The Grudge“ müssen Amis natürlich mit dem dicken Daumen in die heiße Suppe, also macht man sich auf eine Expedition ins Hinterland und erforscht den Berg und den Schreintempel, in dem Kinder verschwunden sind und angeblich Besucher bei Nacht dort Visionen bekommen könnten. Irgendwo steht auch noch eine Wächterstatue mit zwei Köpfen rum, die auf die Location aufpassen soll.
Natürlich geht der Tagesausflug derbe schief, aufgrund aller möglichen Storyklischees bleiben die drei schließlich allein samt Lagerfeuer am Tempel zurück und weil man so sozialverträglich ist, splittet man sich wegen Streit auch noch auf.
Gut, ich mache es kurz: das Ende ist unausgereift, es scheint zu kurz gefasst und es ist ein wenig unübersichtlich und ja, auch dunkel – was aber die Wirkung nicht vollständig schmälert. Für knapp 20 Minuten hauen die Macher am Tempel, im Wald und in einer nahen, leerstehenden Mine richtig rein und präsentieren noch ein ordentliches Schreckenskabinett, auf das dann die Identität des Verletzten geklärt wird und noch ein Twist-Joke drangehängt wird, den ich aber praktisch den halben Film schon habe kommen sehen.
Warum ich bei allen nervigen Charakteren den Film nicht völlig verdamme: weil er über gewisse Strecken eine sehr gruselige Atmosphäre hat. Man weiß bereits, dass der Ausflug bärig in die Hose gehen wird, aber entdeckt das Mysterium aufgrund der Rückblende mit den Figuren. Das Wetter ist trübe, der Wald wirkt verloren und die Landmarken, die die vier passieren (sie haben einen kindlichen Führer dabei), machen die Sache in einer unangenehmen Stille nicht besser. Was die Gruselfiguren angeht, verfügen die Macher über ein apartes Repertoire aus der klassischen Ecke, vom Geisterkmönch bis zur Monsteranimation, von creepy Klauen bis zu augenlosen Leichen. Die Figuren rennen in ihr Verderben, erkennen aber die Zeichen nicht – und weil das alles in einer den dreien eher unbekannten Kultur stattfindet, fühlt man sich noch verlorener.
Das Ausbleiben des Gewackels der Found-Footage-Kultur ist dabei eine Erleichterung, lediglich die Durchsuchung der Mine mit dem Kamerascheinwerfer ist gewöhnungsbedürftig, aber sogar dabei entstehen den Machern ein paar starke Bilder.
Ich hab schon mit wesentlich einfallsloseren Filmen Zeit totgeschlagen, wer es also schafft, die drei Darstellerflöten aus der Gemengelage rauszurechnen, bekommt einen kleinen, feinen Film mit schönem japanischen Einschlag. (5/10)
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