Eine Kritik von Moonshade (Bewertung des Films: 4 / 10) eingetragen am 06.09.2021, seitdem 228 Mal gelesen
Wir haben jetzt 2021, ich blicke auf satte 40 Jahre Kinobesuche zurück und somit auch auf Erfahrungen, die mit Machart, Optik und Zeitgeist kreiert hatte, manchmal meisterhaft geschickt und von beachtlicher Dauerhaftigkeit, manchmal eine aufgeblasene Modeerscheinung, auf die spätere Generationen lächelnd herabblicken – wie komisch waren doch damals Filmemacher, Autoren und Publikum.
Was wird man wohl über die 2018er-Produktion „Heilstätten“ denken, eine von diesen „modernen“ Horror-Produktionen, die speziell auf ein Publikum zugeschnitten war, die sich im belebten Alter von 10-19 sowieso nur mühsam länger als 5 Sekunden auf eine Sachen konzentrieren zu können scheint.
Die Generation „Digital Natives“ hat natürlich andere Rezeptionsvorlieben und ich bin noch nicht alt genug, um das nicht nur zu akzeptieren, als auch gerade im Rahmen des Horrorgenres als selbstverständlich zu verstehen.
Ergo geriet „Heilstätten“ nun also zum „Found Footage“-Film der näheren Moderne, gefiltert durch ein Taschentuch voll Blair Witch – nur dass es sich nicht um FF handelt, sondern einfach um Kameraaufnahmen der beteiligten Jugendlichen, die sich eine „Challenge“ daraus schneidern, einen Tag und eine Nacht in der verlassenen und verfallenen Lungenheilanstalt des Filmtitels in der Nähe von Berlin (Stichwort: abgelegene Pampa) zu verbringen.
Dabei geht’s aber nicht nur um banale Teenager, von der wir uns eine (muss ja fast zwanghaft weiblich sein) aussuchen dürfen, sondern hier „batteln“ sich zwei (bzw. drei) Internet- und Youtube-Stars: eine Beauty-Queen aus dem Stahlbad der Schminktipps und zwei albern-überdrehte Hanswürste, die sich selbst die „Pranksters“ nennen und jeden Scheiß vor der Kamera machen, außer sich den Hals zu brechen (schade!).
Als Ergänzung für den nötigen Everyman gibt es noch die kundige Marnie (nö, das hat keine filmgeschichtliche Parallele, ist nur ein unwahrscheinlicher Vorname), die sich ihre Psychose von der Geisterfrau in der Anstalt schon früher abgeholt hat und die – welch grausames Schicksal – irgendwo bei 1000 Followern rumkraxelt.
Dazu noch eine weibliche Assistentin der Jungs, die man kacke behandeln darf (Misogynie im Instagrammzeitalter, das hat noch Potential) und ein nerdiger Fremdenführer, auf den wieder keiner hört, wenn er was von Aufsichtspflicht seiert.
Ihr wisst, wie das in der Folge läuft, denn das Pulver hat hier auch niemand wirklich erfunden: man stellt sich vor, macht depperte Faxen in die Kamera (Cringe!), düst zur Anstalt, kriegt nebenbei Exposition erzählt (auf die keiner achtet, weil die Handkameras von links nach quer durchs Gebüsch gefahren kriegen; gibt die Handys ab, entweiht mit blöden Scherzen den „Lost Place“, macht dröselige „pranks“ und kriegt dann den Arsch erst voll und dann ab.
Das gab es schon? Naja, aber eben nicht als gewollte In-Produktion, bei dem man junge Schauspieler gecastet hat, um abstrus-kasperhafte Zappelphilipps zu spielen, die zwischendurch die allermüdesten Haunted-House-Allgemeinplätze abgeben. Wer innerhalb der ersten 10 Minuten nicht mindestens dreimal beim Herrgott oder Bibi geschworen hat, die beiden „Pranksters“ erst zu kastrieren, dann zu töten, wiederzubeleben und noch mal zu kastrieren, der hat seine Prioritäten falsch gesetzt. Und überhaupt sollte die Insta-Generation regelrecht beleidigt sein, dass sie so definiert wird – aber da halte ich mich als „Boomer“ eher bedeckt.
Positiv daran ist, dass man mit den „Heilstätten“ eine wirklich geile Urbex-Location gewählt hat, die massig Atmosphäre hat und auch in den Kameravideos im Nachtmodus cool rüberkommt. Nach einer Weile stellt man dort dann auch reichlich Kameras auf, so dass man von dem „Handheld“-Geschleudere häufiger mal wegkommt und eigentlich ist der Film von Michael David Pate auch halbwegs brauchbarer Horror, hätte es das nicht schon vorher dutzendfach gegeben, nur eben nicht so penetrant auf deutsch. Handwerklich ist das sehr ordentlich geraten, manchmal etwas sprunghaft und mit den üblichen doofen Entscheidungen aller Beteiligten, aber wenn man von Blair Witch über Scream bis Hostel alles gesehen hat, was vor 10-20 Jahren alles cool war, dann wird man auch hier dankbar Zitate finden.
Also kompentent, wenn auch stark abgenutzt – ärgerlich ist daran allein die Anbiederung an die Social-Media-Zielgruppe, die gleichzeitig nah dran und groteske Karikatur derselben ist. Immerhin gönnt man allen Figuren eine gewisse Entwickung und jeden eine Handvoll Szenen, auch wenn eine zentrale Identifikationsfigur (das wird wohl Marnie sein) damit in den Hintergrund gerät. Das geht soweit, dass dem Film am Ende praktisch sogar ihr Entkommen kackegal ist und man erzählerisch lieber beim Verursacher bleibt, was allerdings als nachgestellte Erklärung mit Surprise den Film dann wieder platt labert, noch dazu kriminell unpointiert. Ich will das Manifest des Täters, bevor ihn das final girl platt macht, nicht danach, damit ich kapiere, was der Scheiß eigentlich sollte.
Getreu dem Prinzip: gezeigt und geschaut wird nur, was die größten Sensationen generiert. Dass „Heilstätten“ damit gleich ein halbes Dutzend offene Enden offenbart, wen interessiert das schon, die Sensationslust durch den Trailer wird es schon richten.
Insofern: man kann ihn sich anschauen (anders wohl als den „Vorgänger“ namens „Kartoffelsalat“, der wohl aber auch nur darauf aus war, die Imdb von unten zu toppen), aber erwartet nicht zuviel. Andererseits haben ähnliche Filme aus aller Welt schon wesentlich weniger geliefert, die vom gleichen Genre waren – und Langeweile kommt nicht auf, dafür beibt der Film zu flott in Bewegung.
Hilfreich ist es aber, der Zielgruppe einigermaßen zu entsprechen, denn sonst fallen die üblichen Fehler und Mängel einfach zu sehr ins Gewicht. (4/10)
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