Eine Kritik von Vince (Bewertung des Films: 8 / 10) eingetragen am 15.07.2018, seitdem 181 Mal gelesen
kurz angerissen*
Japan als Sandkasten, umschlungen vom Meer, bestrahlt von der Hitze der Sommersonne. Auf diesem abgesteckten Terrain nähern sich männliche Kinder, manche von ihnen körperlich längst erwachsen, gemeinsam ihren Ursprüngen; mit ein bisschen Glück am Ende auch dem Sinn ihres Daseins. Zuerst sehr zögerlich. Sie verharren anfangs in ihrer Routine, sich weigernd, sie zu durchbrechen, selbst wenn die äußeren Umstände sie regelrecht dazu auffordern. Der kleine Masao läuft zum Fussballtraining und trifft auf einen leeren Platz, weil die Sommerferien bereits begonnen haben, Ex-Gangster Kikujiro nutzt den Jungen anschließend lieber als lebendige Lostrommel beim Pferderennen, anstatt sich mit ihm auf die Suche nach seiner Mutter zu begeben, die irgendwo am anderen Ende Japans lebt.
Als "Kikujiros Sommer" schließlich doch noch zum Road Movie gerät, ist im Grunde bereits der Weg geebnet für ein wunderbares Rührstück, das weniger mit Kitsch attackiert als es vielmehr mit abwechslungsreichen Episoden voller Humor und ausgelebter Individualität überzeugt. Mit seinem jungen Co-Star ergibt der grantige Takeshi Kitano ein denkbar ausdrucksvolles Leinwandpaar ab. In diesen Beiden spiegeln sich die Kontraste aus tiefen Brennweiten und engen Close Ups, offenen Vogelperspektiven und eingegrenzten Handlungsbereichen, mit denen die Kamera spielt.
Dementsprechend sucht das Drehbuch seinen Endpunkt in einem weiten Bogen, wird aber durch einzelne Kapitel in kleine Abschnitte portioniert, die für sich genommen ziellose Ellipsen ergeben. Als die Protagonisten endlich am Ziel ankommen, entpuppt sich der Endpunkt als Fata Morgana; was bleibt, ist der Weg.
Das mag in einem gewissen Rahmen Klischees bedienen ("Der Weg ist das Ziel"), doch die unbeschwerte, natürliche Umsetzung erlaubt diese Erkenntnis nur am Rande, zumal auch schwierige Themen wie sexueller Missbrauch thematisiert werden und expressionistische Traumsequenzen alles Erlebte in ausgestellter Künstlichkeit sortieren, was nicht der Ironie entbehrt, dass es gerade die abstrakten Momente des Films sind, die seinen Realismus noch verschärfen. All das macht "Kikujiros Sommer" nicht nur für sich genommen zu einem unvergesslichen Erlebnis, sondern auch einsortiert in das Oeuvre Kitanos, das Gewalt und Schönheit immer mit ganz besonderer Handwerkskunst verknüpft hat.
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